Weihnachten ist vorüber, das Fest der Liebe, der Freude, der Familie … – und der Geschenke. Apropos Geschenke, Schwarz-Pharma gab kürzlich bekannt, daß jeder Mitarbeiter unabhängig von Alter, Zugehörigkeit und Hierarchieebene 10.000 Euro erhält. – Selbstverständlich stürzte sich die Presse auf diesen außergewöhnlichen Fall unternehmerischer Großherzigkeit und berichtete von Mitarbeitern, die vor Freude weinten, dem Inhaber um den Hals fielen oder auch Tänze auf Tischen vollführten (wenn das der Arbeitschutzbeauftragte mitbekommen hätte!). Die Sonderzahlung war gedacht als Dankeschön und Wertschätzung des Beitrags der Mitarbeiter zu einer Unternehmensentwicklung, die mit dem Verkauf an das Unternehmen UCB einen zwischenzeitlichen Höhepunkt erreicht hat.
Mindestens zwei Aspekte sind interessant an dieser Meldung. Erstens, wie kommt es, daß ein Unternehmen über 40 Millionen Euro verschenkt und zweitens, warum bekommen dann alle Mitarbeiter – von der langgedienten Führungskraft bis zur kürzlich eingestellten Bandarbeiterin – gleichviel?
Zur ersten Frage: Warum überhaupt?
Eines vorweg, natürlich wissen wir nicht, was die Familie Schwarz-Schütte wirklich im Sinn hatte, als sie die Entscheidung zur Auszahlung getroffen hat. Ist eigentlich auch egal, wichtig ist, daß sie es getan hat, und hierüber läßt sich gerade vor dem Hintergrund, daß Schwarz-Pharma bis zum Verkauf ein Familienunternehmen war, trefflich spekulieren.
Übrigens, noch Mitte der Siebziger Jahre wäre der Fall klar gewesen: ein Kapitalist macht Kohle, und zynisch wie er nun mal ist, wirft er dem Proletariat einige Brosamen zu. Während er (Dagobert Duck läßt grüßen…) Milliarden anhäuft, werden Tausende von Arbeitern mit einem im Vergleich dazu lächerlich kleinen Betrag abgespeist. Doch wenige Jahrzehnte später sieht die Welt ganz anders aus. Nicht mehr Kapital und Arbeit ist die Leitunterscheidung, sondern eher Familien- und Kapitalmarktunternehmen. Dies wird kaum bemerkt, da beide unter der Bezeichnung Kapitalismus laufen. Erst auf den zweiten Blick wird sichtbar, daß man es mit zwei grundverschiedenen Typen Wirtschaftsunternehmen zu tun hat.
Extrem verkürzt stellt es sich folgendermaßen dar: Auf der einen Seite das kurzfristig agierende, auf den Shareholder Value fixierte Börsenunternehmen und auf der anderen Seite das in Generationen denkende, an Traditionen und Werte orientierte Familienunternehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach dem Warum neu zu stellen und schnell zu beantworten. Sie stellt sich nur in der Logik eines Kapitalmarktunternehmens. In der Logik eines Familienunternehmens ist die Sonderprämie eine Selbstverständlichkeit. Daß die Mitarbeiter wichtig sind, ist keineswegs nur eine Standardfloskel, die in keiner Rede und keinem Prospekt fehlen darf, sondern Teil des Selbstverständnisses: Mitarbeiter gehören zur Familie! (… was nebenbei bemerkt nicht nur positive Seiten hat).
In nachweihnachtlich romantischer Stimmung könnte man dann auch sagen, daß Familienunternehmen weit stärker als Publikumsgesellschaften in der Lage sind, gesellschaftliche (nicht nur ökonomische) Werte zur Geltung zu bringen. Sie können dies, da sie ihr Handeln nur gegenüber der Unternehmerfamilie (also sich selbst!) rechtfertigen müssen. Nebenbei bemerkt, wie würde eigentlich eine Prämienzahlung, wie sie Schwarz-Pharma getätigt hat, in einem rein börsennotierten Unternehmen bewertet werden? Müsste die Unternehmensleitung gar mit einem Verfahren wegen „Veruntreuung betrieblichen Vermögens“ rechnen – sozusagen ein umgekehrter Fall Esser?
Warum alle gleichviel?
Jeder Mitarbeiter, ob die mit weniger als 2.000 Euro im Monat vergütete Bandarbeiterin oder die Führungskraft unterhalb der Vorstandsebene, habe zum Erfolg des Unternehmens beigetragen, begründet Rolf Schwarz-Schütte, der 86 Jahre alte Gründer und Ehrenvorsitzende die Entscheidung. Er wird mit folgenden Worten zitiert. „Wir haben lange diskutiert, ob man den Betrag nach Betriebszugehörigkeit oder Leistung staffeln soll, waren uns dann aber einig, daß der Gerechtigkeit halber alle dieselbe Summe erhalten sollen.“
Was ist daran denn gerecht, kann man sich fragen. Und wer hier rein unternehmerisch denkt, wird sicher mehr als nur ein Fragezeichen im Kopf haben. Für einen Familienunternehmer hingegen ist diese Entscheidung typisch. Nicht umsonst ist er ein FAMILIENunternehmer. Und in Familien ist es halt üblich, daß alle Kinder gleichviel bekommen. Das fängt beim täglichen Nachtisch an, ist auch bei Weihnachtsgeschenken und im Erbfall zu beobachten – oder eben bei Prämienzahlungen an die Mitarbeiter …