Im letzten Blog wurde schon die Idee der Gleichheit gestreift – die Eigentümer von Schwarz-Pharma gaben bekannt, daß alle Mitarbeiter, unabhängig von Hierarchie und Betriebszugehörigkeit, mit einer gleichhohen Prämie am Unternehmensverkauf partizipieren werden. Dieses Hochhalten der Gleichheitsidee ist typisch für Familienunternehmen, bringt aber einige Risiken mit sich – vor allem in der familieninternen Nachfolge.
Gleichheit! Nach Tippen dieses Begriffs drängt sich das Ausrufezeichen geradezu auf – sie ist leicht einzufordern und schnell proklamiert. Wer mag dies auch bestreiten? Sich für Gleichheit einzusetzen, findet immerfort Zustimmung; wer hingegen für Ungleichheit kämpft, wird mit einer recht übersichtlichen Anhängerschar rechnen müssen.
Nicht nur in philosophischen Debatten sondern auch im alltäglichen Miteinander zeigt sich, daß die Gleichheit gerne mit Gerechtigkeit verknüpft wird („Es ist gerecht, alle gleich zu behandeln!“). Man schafft sich metaphorisch gesprochen einen Kommunikationsjoker, der (fast) immer „sticht“. Wissenschaftler sprechen hier auch von einer erschwerten Negierbarkeit. Alle Geschwisterkinder, auch diejenigen, die noch weit entfernt sind, das Wort „Negierbarkeit“ lesen zu können, wissen um diesen Umstand: Voller Empörung wird unter Zuhilfenahme bekannter Druckmittel (Tränenfluß etc.) Beschwerde geführt, daß der Bruder oder die Schwester ein ganze (!) Minute länger am Computer gespielt und dabei auch noch ein Stück (!) Schokolade mehr gegrabscht hat. Ähnliche Muster lassen sich in Unternehmerfamilien beobachten – man ersetze hierzu einfach Computer und Schokolade durch Geschäftsführungsgehalt, Gesellschafteranteil, Ausschüttungshöhe, Einsatz fürs Unternehmen, Urlaub, Anerkennung durch den Vater etc. – und bekommt mehr als nur ein Ahnung, welche Sprengkraft in der so verlockend einfachen und vermeintlich gerechten Idee der Gleichheit steckt.
Besonders in der Nachfolge zeigen sich die Risiken. Sobald die konkrete Entscheidung ansteht, beginnt für viele Familienunternehmer die Zeit endloser Grübeleien und schlafloser Nächte. Sie sehen sich in dem Dilemma, allen Kindern und dem Unternehmen gerecht zu werden. Hierbei sind persönliche Vorlieben und Begabungen der in Betracht kommenden Personen mit unternehmerischen Erfordernissen in Einklang zu bringen. Und dann soll es bei der Verteilung der Positionen und Gesellschafteranteile auch noch gleich (und gerecht) zugehen …
Wer hier auf eine optimale Lösung fixiert bleibt, wird verzweifeln oder – wie oft zu beobachten – die Nachfolgeentscheidung hinauszögern. Zwar wird gesehen, daß sich Familien- und Unternehmenslogiken irgendwie vermengen, doch eine wichtige Konsequenz wird oft nicht gezogen: Es wird nicht an der Idee der Gleichhandlung aller Geschwister oder auch Cousins und Cousinen gezweifelt. Die Nachfahren sind nun mal nicht gleich, und selbst wenn sie es wären, stellt die Tätigkeit im Unternehmen oder im Gesellschafterkreis so unterschiedliche Anforderungen, daß nie immer alles immer genau gleich aufgeteilt werden kann. Dessen ungeachtet sieht man allzu oft, wie die Idee der Gleichheit krakengleich alle Entscheidung erfaßt: Drei Geschwister erhalten drei Geschäftsführungsposten, jeder Stammesvertreter erhält einen Sitz im Leitungsgremium, fünf Nachfahren der 3. Generationen erhalten jeweils 20% der Anteile etc.
Nicht selten starten mit diesen ach so guten Lösungen die Probleme. Sofort wird untereinander verrechnet, wer eigentlich kompetenter ist, wem die Position eigentlich zustünde, wer schon immer mehr Einsatz gezeigt hat (selbst in den Ferien!), wer sich den Anteil erschlichen hat, wer wem in der Schule geholfen hat („Ohne mich hätte er nie und nimmer das Abitur geschafft!“), welcher Stamm schon immer eher das süße Leben als das Unternehmerdasein im Sinn hatte („Die verprassen das Geld, das wir verdienen!“) etc.
Als ersten Hinweis zur Nachfolge können wir festhalten: Bekämpfen Sie die Gleichheitsidee! Denn immer wieder zeigt sich: „Wer Gleichheit sät, wird Ungleichheit ernten!“