Noch bis zum 19. November 2007 können Unternehmen ihre Emissionsberechtigungen bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt (UBA) beantragen. Das UBA erwartet bis zu 2000 Anträge von Unternehmen der Energiewirtschaft und der emissionsintensiven Industrie, die am Emissionshandel teilnehmen. Deren Anlagen verursachen etwa die Hälfte des deutschen Ausstoßes an Kohlendioxid (CO2). Für die Zeit zwischen 2008 und 2012 stehen deutschlandweit Berechtigungen für 453,1 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr zur Verfügung. In der ersten Handelsperiode – bis Ende 2007 – erhielten die Anlagenbetreiber noch Berechtigungen für 499 Millionen Tonnen pro Jahr.
Aus dem Gesamtbudget von 453, 1 Millionen Tonnen CO2 erhalten die weiterhin am Emissionshandel teilnehmenden Anlagen 379,1 Millionen Emissionsberechtigungen pro Jahr unentgeltlich. Die Gründe: 40 Millionen Berechtigungen pro Jahr gibt der Bund nicht mehr kostenlos aus, weitere Teile des Budgets sind für zusätzliche Anlagentypen in der neuen Handelsperiode, etwa Anlagen der chemischen Industrie, sowie als Reserve für Neuanlagen reserviert.
Kurz vor Toresschluss gibt es meist ein Gedränge, daher würde man auch in der Emissionshandelsstelle in Berlin einen höheren Lärmpegel erwarten. Doch auf den Fluren der Behörde geht es sehr ruhig zu, nur in den Büros zeigt sich Leben vor den Computern. „Wir sind eine rein virtuelle Organisation“, sagt Amtsleiter Hans-Jürgen Nantke, „manuell könnten wir die großen Datenmengen im Emissionshandel gar nicht bewältigen.“ Der Zertifikate-Antrag einer Raffinerie umfasst etwa 200 Seiten, weil er sämtliche Stoff- und Energieströme darlegen muss.
Der Emissionshandel wird zu einem immer wichtigeren Instrument des Klimaschutzes, weil er einen marktwirtschaftlichen Suchprozess auslöst. Mit den Zertifikaten werden die Umweltkosten in das betriebswirtschaftliche Kalkül internalisiert, und der Handel sorgt für eine effiziente CO2-Vermeidung: Liegt der Zertifikate-Preis über den Vermeidungskosten eines Unternehmens, lohnt es sich, „sauberer“ zu werden. Sind die Kosten höher, lohnt sich der Zukauf von Zertifikaten.
Wer die ökologische Buchführung in der Emissionshandelsstelle aus der Nähe beobachten will, bekommt fast nichts zu sehen. Nicht einmal die Zertifikate des Jahres 2008 gibt es in Papierform, obwohl sie am Terminmarkt der Leipziger Strombörse (EEX) 21 Euro wert sind. Solch ein Emissionsrecht kann Oliver Schwalb nur im Computer der Handelsstelle vorführen. Er ruft ein Kundenkonto auf und zeigt Seriennummern, die fast über den gesamten Bildschirm laufen. Jedes Zertifikat hat eine lange und damit eindeutige Seriennummer. Sie beginnt mit einem nationalen Kennzeichen und kann damit in allen EU-Ländern gehandelt werden. Kraftwerke brauchen Zehntausende solcher Nummern, weil sie Zehntausende von Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. „Die Software schneidet die Zertifikate in große Bündel“, sagt Schwalb, „ähnlich wie Geld in großen Scheinen gebündelt wird.“
Der Name „Handelsstelle“ ist irreführend, die Behörde ist eher eine große Registratur, vergleichbar mit einem elektronischen Grundbuchamt. Die Beamten verteilen nach klimapolitischen Vorgaben Zertifikate, verbuchen sie und prüfen alljährlich, ob die Unternehmen die maximale Menge an Kohlendioxid eingehalten haben. Für die nächste Handelsperiode (2008 bis 2012) sind dies 453 Millionen Tonnen jährlich, neun Prozent weniger als bisher. Zugeteilt und geprüft wird über eine virtuelle Poststelle, für die Rechtssicherheit sorgt eine elektronische Signatur.
„Die Zuteilung ist komplizierter als in der ersten Handelsperiode“, sagt Nantke, „denn die Gesetzestexte kamen erst im August. Wir mussten sie in lange Formeln umbauen, um am Ende eine präzise Zahl zu haben.“ Diese besagt, wie viele Zertifikate einem Emittenten je nach seinen Stoff-Strömen zustehen. Für die Kraftwerke wurde die Zuteilung erheblich gekürzt gegenüber der ersten Handelsperiode, die Industrie kommt besser weg. Vor allem Kohlekraftwerke werden weniger Emissionsrechte bekommen. Zudem werden neun Prozent der Zertifikate nicht kostenlos abgegeben wie in der ersten Handelsperiode, sondern zu einem festen Preis. Noch ist unklar, welche Bank den Verkauf abwickelt, im Gespräch ist die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau. In der Emissionsstelle weiß man schon jetzt, dass die Unternehmen die Höchstmenge von 453 Millionen Tonnen überschreiten werden. Ende des Jahres muss das Amt dann kürzen, doch kann es dieses Mal nicht die Rasenmäher-Methode anwenden, sondern muss individuell kürzen. So wird bei den „Dreckschleudern“ unter den Kraftwerken stärker gekürzt als bei effizienteren Stromerzeugern. Nantke befürchtet wieder Rechtshändel wie in der ersten Handelsperiode.