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KlimaBlog

Der Klimawandel wühlt die Gesellschaft wie die Weltpolitik auf, verändert die Wirtschaft und fordert die Wissenschaft immer wieder heraus.

Hungern für den Klimaschutz?

Verursacht die Förderung der Biokraftstoffe den Hunger in der Welt?

Die regenerativen Energien werden als wichtige Alternativen zu fossilen Brennstoffen in vielen klimapolitischen Strategien angesehen. Insbesondere bei den Kraftstoffen ist in der nächsten Zeit kaum eine Alternative zu den Biokraftstoffen in Sicht, denn die Wasserstofftechnologie – zumindest wenn sie nicht auf der Umwandlung von Erdgas basiert – ist noch lange nicht in Sicht. Heute ist die sogenannte erste Generation der Biokraftstoffe die einzige Technologie, die im industriellen Maßstab einsetzbar ist. Diese beruht auf dem Einsatz von Energiepflanzen als Rohstoff. Das ist beim Benzin in Brasilien hauptsächlich Zuckerrohr, in Europa Zuckerrüben und Getreide und in den USA Mais; für Dieselkraftstoff ist der wichtigste Rohstoff Raps, in Südamerika zunehmend Soja und in Asien Palmöl.  Die zweite Generation der Biokraftstoffe soll auf diese Rohstoffe verzichten, da sie hauptsächlich als Nahrungsmittel genutzt werden sollen, und benutzt Holz und Abfälle als Energieträger.  Allerdings ist keine großtechnische Lösung in Sicht, die zu halbwegs akzeptablen Preisen den Kraftstoff in großen Mengen erzeugen kann.

 

Die Biokraftstoffe sind deshalb in der letzten Zeit zunehmend in die Kritik geraten, da sie für den Anstieg der Nahrungsmittelpreise weltweit verantwortlich gemacht werden. So hat die Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul vor der Gefahr der Biokraftstoffförderung für die Ernährungssicherheit gewarnt. Wie weit ist diese weitverbreitete Behauptung zutreffend? Es ist schon beachtlich, wenn in Deutschland fast 5 Prozent des Kraftstoffverbrauchs mit Biokraftstoffen gedeckt wird. Dabei ist beeindruckend: Die Füllung eines SUV mit Biokraftstoff verbraucht soviel Getreide, ein Mensch pro Jahr verbraucht. Zum Glück werden nur wenige SUVs mit Biokraftstoffen betankt und Deutschland ist ein kleines Land.

 

In der Tat, die Biokraftstoffproduktion ist in den letzten Jahren in rasantem Tempo gestiegen. Heute machen die Rohstoffe für Biokraftstoffe aber immer noch weniger als drei Prozent des Verbrauchs an Biomasse aus. Gleichzeitig haben sich in den letzten zwei Jahren die Preise viele Agrargüter vom Weizen über Mais bis zu Soja und hin zu den Ölsaaten zum Teil mehr als verdoppelt. Dass dies durch die gestiegene Biokraftstoffproduktion hervorgerufen wurde ist also nahezu unmöglich. Sie haben höchstens einen kleinen kaum messbaren Beitrag dazu geleistet. Aber es waren viele andere Faktoren wie schlechte Ernten, eine stark zunehmende Nahrungsmittelnachfrage in Asien und der mit steigenden Einkommen einher gehende Trend zu einem höheren Anteil fleischliche Nahrung, für die zusätzlich Futtermittel benötigt werden. Insofern ist die Schuldzuweisung an die Biokraftstoffe im Augenblick kaum berechtigt. Den Hunger in der Welt verursacht heute nicht Beimischung von Biokraftstoffen, sondern geringe Einkommen vernachlässigte ländliche Räume in der Dritten Welt, wo mehr als die Hälfte der Hungernden leben.

 

Biokraftstoffe können aber in der Zukunft für eine Zunahme des Hungers verantwortlich werden. Wenn die weltweiten Pläne für den Ausbau der Biokraftstoffe tatsächlich in die Tat umgesetzt würden, dann müssen die Preise für Nahrungsmittel steigen, um die Nachfrage nach Rohstoffen für die Biokraftstoffe und Ernährung gleichzeitig zu befriedigen. Das internationale Forschungsinstitut für Ernährungspolitik (IFPRI) erwartet bis 2020 eine Zunahme der Mangelernährung bei Kindern um etwa 4 Prozent und einen Rückgang der Verfügbarkeit von Kalorien um 2-4 Prozent, wenig und vielleicht gesund für uns in Europa, aber eine Gefahr für Entwicklungsländer. Wenn diese Prognosen zutreffen, werden in der Dritten Welt Menschen für unseren Klimaschutz hungern.

 

Ob es tatsächlich dazu kommt, kann aber bezweifelt werden. Wenn die Rohstoffpreise zu stark steigen, werden auch die Biokraftstoffe preislich unattraktiv. Die Chance kann also nur darin bestehen, die Expansion der Biokraftstoffe im Gleichklang mit der Entwicklung der Produktivitätsentwicklung von Energiepflanzen zuzulassen und auf die übermäßige Subventionierung der Bioenergie zu verzichten. Im übrigen wissen wir noch gar nicht so genau, welche Potentiale für die Bioenergieproduktion es auf der Welt noch gibt. Eine Politik, die sich dem Kampf gegen den Hunger und dem Klimaschutz verpflichtet fühlt, sollte diese Potentiale gezielt untersuchen. Denn es wäre ethisch kaum vertretbar, wenn wir uns ein klimapolitisch gutes Gewissen vorgaukelten, während andere für unseren Klimaschutz hungern.