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London Eye

Spend, spend, spend lautete das Schlagwort der letzten Jahre. Die Briten haben ausgegeben, als gäbe es kein morgen – alles auf Pump,

Einige Lichtblicke

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Unheilverkündene Schagzeilen, wo man auch hinschaut. In der Londoner City herrscht Bekommenheit. Aber es gibt auch Erfreuliches zu melden.

 

Unheil kündende Schlagzeilen, wo man auch hinschaut. In der City warten die Banker mulmig auf weitere vorweihnachtliche Entlassungen. Ein Bekannter berichtet, sein Bruder habe ein Partyunternehmen, das einige der großen Firmen der Finanzwelt zu seinen Kunden zählt. Sie haben die geplanten Weihnachtsfeiern alle abgesagt, nicht so sehr aus Spargründen, sondern weil sie fürchten, es würde ein falsches Zeichen setzen und einen negativen Werbeeffekt haben. In den Zeitungen erschienen dann mit Sicherheit Fotos von feiernden Bankern mit hetzerischen Kommentaren, in denen dem Sinne nach stünde: so lassen diejenigen die Puppe tanzen, die uns ins Unglück gestürzt haben. In den traditionellen Weihnachtspantomimen der britischen Bühnen, die meist aus komischen Fassungen beliebter Märchen mit aktuellen Bezügen bestehen, ersetzen Banker in diesem Jahr die üblichen Schurken – die Stiefmütter und die häßlichen Schwestern in „Aschenputtel“, der Sheriff von Nottingham in „Robin Hood“, die böse Fee  in „Dornröschen -, vor denen das Publikum die anderen, Unkenntnis fingierenden Figuren durch Zischen oder mit dem Ruf warnt, „He’s (oder she’s) behind you!“

Die Genügsamkeit von Britanniens Sparern wird mit drastischen Zinskürzungen bestraft, von denen aber auch normale Kreditnehmer keinen Vorteil zu haben scheinen, weil die Banken die Senkungen nicht weitergeben. Nicht einmal den Trost in der Flasche will die Regierung den Bürgern gönnen. Billigangebote für Alkohol sollen verboten werden, um die Kriminalität zu senken und den Gesundheitsdienst zu schonen. Erhebungen zeigen, daß bürgerliche Weintrinker am stärksten betroffen sein werden.

Inmitten der Trübsal gibt es aber auch Lichtblicke. Die jüngsten Versteigerungen der beiden großen Auktionshäuser, Sotheby’s und Christies’s, zeigen zu deren großer Erleichterung, daß der Markt für Altmeister von der Rezession kaum betroffen ist. Diese Branche war der spekulativen Gier freilich weniger ausgesetzt als die zeitgenössische Kunst. Die Käufer sind auch weniger konjunkturabhängig als die wahllosen Neueinsteiger, die sich vom Rausch mitreißen ließen und mit ihren Sondervergütungen auf den Putz hauten. In einem rammelvollen Saal gelang Sotheby’s bei der Abendversteigerung sogar ein bessseres Endergebnis als vor drei Jahren. Es wurden neue Rekorde gesetzt, unter anderem für ein Gemälde des Leidener Maler Frans van Mieris, das mit 3.625.250 Pfund die Schätzung mehr als verdreifachte. Ein hinreißendes auf Mamor gemaltes Porträt des kultuvierten Renaissance-Bankiers Bindo Altoviti von dem nicht zur allerersten Garde gehörenden ferraresischen Künstler Girolamo da Carpi war auf bis zu 300.000 Pfund geschätzt worden. Der Preis übertraf drei Millionen Pfund. Ein europäischer Privatsammler  gab bei Christie’s fast 3,5 Millionen Pfund für eine klassische venezianische Vedute Canalettos aus, und ein mit bis zu 900 000 Pfund ausgezeichnetes halbnacktes Damenporträt von Tiepolo, das unlängst auf dem Dachboden eines französischen Schlosses wiederentdeckt wurde, wo es Vorfahren der Einlieferer angeblich aus Anstandsgründen gelagert und vergessen hatten, brachte fast 2,8 Millionen Pfund ein. Die Finanzkrise macht sich allenfalls in der Materialknappheit bemerkbar. Man hat den Eindruck, Verkäufer zögern, ihre Kunstwerke auf den Markt zu geben, weil sie fürchten, die Umstände seien zu unvorteilhaft.

Auch in dem teuren Viertel rund um die Auktionshäuser ist von der Kreditklemme wenig zu spüren, von den mit Sonderangeboten beklebten Schaufenstern einiger Geschäfte abgesehen. Die Restaurants sind übervoll. Im Wolseley, dem ehemaligen Verkaufsraum des gleichnamigen Automobilunternehmens, das mit seiner Art-Deco-Ausstattung seit einigen Jahren als britische Variante einer Mischung aus Pariser Brasserie und Wiener Kaufhauses zu einem der beliebtesten Treffs der Stadt geworden ist, drängte sich eine Menschentraube am Eingang, in der Hoffnung, doch noch einen Tisch zu ergattern. Ganz vorne an seinem Stammplatz sitzt der Maler Lucian Freud – diesmal ohne seinen Studioasisstenten oder eine, manchmal auch zwei der jungen Frauen, die dem Reiz des Mittachtzigers erliegen, sondern allein. Will er, der sich gern als öffentlichkeitsscheu stilistiert, beobachten oder beobachtet werden?


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