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London Eye

Spend, spend, spend lautete das Schlagwort der letzten Jahre. Die Briten haben ausgegeben, als gäbe es kein morgen – alles auf Pump,

Fawlty Towers, Deutschland und die Kreditkrise

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  Die trübseligen Nachrichten werden immer schlimmer. Jeden Tag mehr Schließungen, Entlassungen, Pleiten und Zwangsenteignungen hypothekenbelasteter...

 

Die trübseligen Nachrichten werden immer schlimmer. Jeden Tag mehr Schließungen, Entlassungen, Pleiten und Zwangsenteignungen hypothekenbelasteter Häuser. Beim Handelsgericht in den „Royal Courts of Justice“ am Londoner Strand wurden allein an einem Vormittag vergangener Woche zwischen zehn Uhr und der Mittagszeit knapp 250 Gesellschaften aufgelöst, manche in Sekundenschnelle. Es handelt sich überwiegend um Kleinstunternehmen, viele davon aus dem Baugewerbe, das von der Rezession besondert hart getroffen ist. Früher wurden diese Fälle alle zwei Wochen vom Gericht abgewickelt, seit Oktober aber ist in der Andrang so stark, dass die Sitzungen wöchentlich stattfinden.

Die Schulden, die britische Verbraucher auf ihren Kreditkarten angesammelt haben, überschreiten inzwischen 53 Milliarden Pfund, mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Sterling fällt in den Keller und hat bald Parität mit dem verschmähten Euro erreicht. Trotzdem will die Regierung, dass noch mehr nicht vorhandenes Geld ausgegeben wird und ist empört über die Kritik, die Bundesfinanzminister Steinbrück und der CDU-Abgeordnete Steffen Kampeter an der  Schuldenpolitik Gordon Browns üben. Labour-Politiker haben sich auf die Sprachregelung geeinigt: das sei alles bloss deutsche Innenpolitik, ein internes Problem der Koalition im Vorfeld bevorstehender Wahlen. Aber das zieht bei der Bevölkerung nicht.

Auffallend ist, dass die britischen Medien, die früher den geringsten Anlass nutzten, um auf die Deutschen einzuprügeln und alte Stereotypen über die Hunnen und den Fritz hervorzuholen, derart skeptisch sind über Browns Rettungspaket, dass sie den Nationalstolz einstecken und den Deutschen Recht geben. Selbst die sonst so kämpferische „Sun“, die sonst lustvoll an zwei verlorene Weltkrieg und die Niederlage von 1966 im Wembley-Stadion erinnert, enthielt sich. Ungewöhnlich nüchtern berichtete sie unter der Überschrift „Germans: Gord is total failure“, dass der Premierminister gedemütigt worden sei.

Die „Daily Mail“ spielte mit ihrer Schlagzeile zwar auf die klassische „Fawlty-Towers“-Folge, „The Germans“, an, wo der Hoteldirektor die Mitarbeiter ermahnt, den deutschen Gästen gegenüber bloss nicht den Krieg zu erwähnen und es dann selber ständig tut: „Don’t Mention the Economy“. Die Zeitung porträtierte Steinbrück jedoch als „Hamburger Lehrer mit einer Ader für britische Ironie“ und erklärte den Lesern, weshalb Deutschland sechzig Jahre nach seiner Niederlage dem damals siegreichen Britannien überlegen sei: „60 Years on, look who’s on top“. In einem Leitartikel des Blattes wurde Steinbrücks Einwurf als „ebenso zeitgemäß wie bedeutsam“ bezeichnet. „Wenn Herr Steinbrück sagt, dass Alistair Darlings Mehwertsteuerkürzung die ‚wirtschaftliche Prüfung nicht besteht‘ stimmt die Mail zu. Wenn er argumentiert, dass Britannien eine Generation braucht, um den Schuldenberg abzubauern, pflichten wir bei.“ Der „Daily Telegraph“ schrieb, es bedürfe eines Deutschen, wirtschaftlich vernünftig zu reden. Steinbrücks „pointierte Bemerkungen über Gordon Browns wirtschaftlichen Rettungsplan haben einen wilkommen Schuß Realität in eine Debatte abgegeben, die etwas surreal geworden war.“  

Die deutsch-englischen Liegestuhlschlachten an den spanischen Stränden liegen gar nicht so weit zurück. Im Juni fragte der Deutschland-Korrespondent der „Times“, ob die Strandkriege je ein Ende nähmen. Und es klingen noch Schlagzeilen in den Ohren wie „Let’s blitz Fritz“(„Sun“) „Achtung! Surrender, For you Fritz ze Euro 96 championship is over“ („Daily Mirror“) und „Admit it, we all hate the Germans“ („Times“) in den Ohren. Nun schlagen die Briten plötzlich andere Töne an. Gordon Brown mag sich einbilden, dass er die Welt rette – im Unterhaus blamierte er sich dieser Tage mit dem Versprecher, „wir haben nicht nur die Welt gerettet“, meinte allerdings die Banken, die trotz der massiven Geldspritzen taumeln. Aber den Briten schwant Böses. Die Blase ist zerplatzt und der einst so ausgeprägte hurrahpatriotische Geist vorerst gedämpft.     


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