Der Aga stammt ursprünglich aus Schweden, wird aber in England gefertigt in einer Gießerei aus der Zeit der industriellen Revolution und gilt längst als Symbol des gehobenen britischen Landlebens. In der deutschen Werbung wird er sogar als „britischer Landhausherd“ angepriesen. Nach der Boomzeit, in denen die Hersteller den Absatz der soliden Lebenstilikone immer weiter steigern konnten von rund zehntausend Herden im Jahr 2003 auf knapp zwanzigtausend im Jahr 2007, kam im vergangenen September der Einbruch. Das Geschäft ist um zwanzig Prozent zurückgegangen, der Gewinn hat sich im letzten Jahr fast halbiert und die Angestellten haben sich freiwillig für kürzere Arbeitszeiten entschieden, um die Firma zu retten. Die Nachricht, dass Aga hunderte von Stellen einspart, die Produktion einschränkt und seinen Aktionären keine Dividende zahlt, in der Hoffnung, die Kreditkrise zu überleben, ist ein sicheres Zeichen, dass auch die vermögende britische Mittelschicht ihre Ausgaben zügelt.
In den 1920er Jahren entwickelt von dem Ingenieur Gustaf Dalén, dessen Erneuerung der Leuchttumtechnik ihm 1912 den Nobelpreis für Physik eintrug, setzte sich der 1929 lancierte gußeiserne, wärmespeichernde Herd trotz der Depression in England durch. Damals wurde er noch mit Kohle geheizt. Zum Kundenfang wurde das Produkt als besonders langlebig und billig im Gebrauch feilgeboten. Die Werbung berief sich sich auf altgriechische Größen, wie Sokrates und Epikur, um die Botschaft einzuhämmern, dass der in der Anschaffung teure Aga als Objekt der Begierde eine gute Geldanlage und arbeitssparend sei.
Mitte der dreißiger Jahre war der Aga Gegenstand eines Verkaufshandbuchs, „Theorie und Praxis des Verkaufs von Aga-Küchenherden“, das die amerikanische Zeitschrift „Fortune“ Jahrzehnte später als das beste aller Zeiten lobte. Verfasser war der blutjunge David Ogilvy, der später in Manhatten Kultstatus erlangen sollte als der König der Werbindustrie. In dem Aga-Handbuch schilderte er die Vorzüge des Herdes aus einer Warte die in unseren politisch-korrekten, feministischen Zeiten klingt wie aus dem Steinzeitalter. Der Aga könne für Frau das darstellen, was das Auto für den Mann sei, heißt es da zum Beispiel.
Wie tief verwurzelt der stets betriebsbereite Herd bereits in den fünfziger Jahren war, zeigt eine Karikatur aus jener Zeit mit zwei englischen Damen, von denen sich die altere der jüngeren gegenüber brüstet: „Weißt Du, meine Liebe, mein Aga brennt seit der letzten Krönung“.
Inzwischen ist der Markenartikel zum Inbegriff von Luxus und Behaglichkeit geworden. Der Aga befügle jene exzentrischen Leidenschaften, mit denen sich die Briten auszeichneten, bemerkte unlängst der „Daily Telegraph“ und verwies auf eine website, wo sich Aga-Liebhaber über ihren „besten Freund“ austauschen, wie die Schaupielerin Susan Hampshire ihren Herd bezeichnet.
Der Name Aga beschwört Geländewagen, Gummistiefel, geblümte Kleider, karierte Tischdecken, Kaminfeuer, Zweithäuser für Wochenendler und große Wohnküchen mit alten Steinfliessen und Labradoren, die sich am Herd wärmen – kurzum die ländliche Idylle wie sie sich vermögende Großstädter erträumen. Gerade deswegen wurde der Aga unlängst als Statussymbol einer bestimmten Schicht zur Zielscheibe von klassenbewußten Ökoagitatoren. Im „Guardian“ rief der Kolumnist George Monbiot eine Flut von Protesten hervor, mit dem Kampfaufruf gegen den umweltschädlchen Aga. Die auf sozialen Aufstieg bedachte grüne Mittelschicht habe sich eingeredet, dass dieses energieverschlingende Monster mit ihren Öko-Vostellungen verienbar sei, wetterte Mobiot und zitierte erschreckende Statistiken über die Kohlenstoffemission. Die Aga-Legionen kämpften zurück und belehrten Monbiot über die umweltfreundlichen Eigenschaften der neuen Modelle, die auch mit Biobrennstoffen geheizt werden könnten. Aga-Liebhaber hätten die Kritiker zu einem Rücktritt gezwungen, der vergleichbar sei mit Napoleons Rückzug aus Moskau, triumphierte Chris Patten, der ehemalige EU-Kommissar, der als letzter Gouverneur Hongkongs aus leidvoller Erfahrung weiß, was ein Rückzug bedeutet. Er hat bei der Rückgabe der Kronkolonie an China geweint.
Eine ganze Gattung der Unterhaltungsliteratur ist nach dem Herd benannt: Die sogenannte Aga-Saga, die von erotischen Abenteuern hinter der Fassade des heilen Familienlebens in den traditionellen Grafschaften erzählt. „Liebe Essen, liebe Wärme, liebe Toast um drei Uhr morgens“, lautet einer der jüngsten Aga-Werbesprüche, der eine micht mehr zeitgemäße Aura vermittelt. Auch die Aga-Saga gehört wohl einer Epoche an, die mit der Kreditkrise zuende gegangen ist.