Medienwirtschaft

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Zeitschriften, Fernsehen, Internet: Wie sich die Welt der Medien dreht

Stephan Scherzer: Ab in die Zeitschriftenzukunft

Der neue VDZ-Geschäftsführer Stephan Scherzer hat in Amerika den digitalen Wandel erlebt. Jetzt soll er den deutschen Zeitschriften helfen.

Stephan Scherzer hat in Amerika den digitalen Wandel erlebt. Jetzt soll er als neuer VDZ-Geschäftsführer den deutschen Zeitschriften helfen.

Die Sonne San Franciscos lässt Stephan Scherzer hinter sich. Und doch möchte er in Berlin nicht von ihr lassen. Er will die Stimmung aus Kalifornien mitnehmen. Dass dort immer die Sonne scheint, sagt er, schlägt eben aufs Gemüt, auf die Einstellung, auch in der Geschäftswelt, durch: Die ohnehin optimistischen Amerikaner reden einfach nicht über Probleme, sondern nur über Herausforderungen.

Wenn also nicht die Probleme, dann liegen wenigstens die Herausforderungen der hiesigen Medienunternehmen ab Januar auch in seinen Händen: Stephan Scherzer beginnt im neuen Jahr, als Hauptgeschäftsführer den Verband Deutscher Zeitschriftenverleger VDZ zu leiten. Für die Branche zeigen alle Wegweiser auf dem Pfad der Zukunft in die digitale Richtung. 2014 soll der Umsatzanteil deutschen Zeitschriften im Internetgeschäft auf ein Drittel wachsen. “Zugriffe auf Smartphones und Tablet-Computer werden durch die Decke gehen”, sagt der neue Zeitschriftenlenker.

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Von San Francisco nach Berlin: Stephan Scherzer ist neuer VDZ-Hauptgeschäftsführer (Foto dpa)

Scherzer, Jahrgang 1964, kommt frisch aus dem Land, in dem die Medien viel stärker als in Deutschland unter der digitalen Konkurrenz leiden. In den Vereinigten Staaten sind Zeitungen und Zeitschriften auf das Anzeigengeschäft ausgerichtet, das ins Internet abwandert. Die Digitalisierung schreite schneller voran als in jedem anderen Land, sagt er.

Das Internet ändert sich rasant

Eine Herausforderung gerade auch für ihn: Scherzer verantwortete von 2007 bis 2011 das Digitalgeschäft in den Vereinigten Staaten für die International Data Group IDG, die im Computerbereich mit Zeitschriften wie “PC World” und “GamePro” führend ist und mit ihren Marken 200 Millionen Menschen in 92 Ländern erreicht. Schon in Deutschland hatte er nach seinem Studium in München und Tätigkeit als Redakteur für IDG gearbeitet: Chefredakteur der “Macwelt”, Verlagsleiter der “PC Welt” und Mitglied der Konzerngeschäftsführung. In seinen vier Jahren in San Francisco hat sich die Netzwirtschaft tausend Runden weitergedreht: Facebook ist explodiert, während Twitter zum Anfang noch gar nicht existierte.

Gelernt hat er in der Zeit in Amerika, dass man die Zukunft nicht mit einem allzu verbindlichen Pflichtenheft für die nächsten drei Jahre festzurren kann. Das Bild, mit dem er das beschreibt, ist ein Brücke. Deren Bau kann man leicht aufschreiben; wie viel Beton diese braucht, ist klar. Nur im Medienbereich funktioniert das nicht mehr. Eine frisch eingeweihte digitale Brücke würde drei Kilometer neben ihrem eigentlichen Ziel liegen. Das Internet ändert sich alle paar Monaten: Das nächste Twitter erscheint, Google ändert fünfmal den Suchalgorithmus, Facebook fängt an, Anzeigen zu verkaufen, und alle Tageszeitungen ziehen Bezahlschranken für ihr Internetangebot hoch. Mit dem Pflichtenheft für die nächsten Jahr kommt keiner weit.

“Wir müssen noch viel agiler sein, wir müssen bereit sein, permanent Dinge anzufassen”, sagt Scherzer. “Das Internetprinzip ist für mich: Under Construction.”

Alles ist im Fluss. Scherzer probiert selbst die neuen Onlineanwendungen aus, er teilt sich etwa selbst in Kurznachrichten auf Twitter mit. In seiner Freizeit lässt er dagegen die digitale Welt hinter sich und sucht die höchsten Gipfel auf. Diesen Sommer stieg er in Nepal auf einen Berg in 6000 Meter Höhe.

Der Rat von Eric Schmidt

Das alles anders kommt, als man denkt, hat Scherzer auch schon früher erfahren. 1997 verkaufte er alle seine Apple-Aktien, als er dachte, dass aus dem Unternehmen nichts mehr werden könne. Hätte er sie gehalten, könnte Scherzer finanziell ganz anders Gipfel besteigen.

Im Silicon Valley hatte er direkt mit all jenen Internetunternehmen zu tun, die der Medienbranche im Netz zu schaffen machen, mit Google, Facebook oder Apple. Eric Schmidt, damaliger Vorstandsvorsitzender von Google, lud Scherzer einmal zu einer Runde mit vielen Vertretern der klassischen Medien ein. “Alle, die hier im Raum sitzen, denken übers nächste Jahr nach, wenn Sie Glück haben über die nächsten zwei Jahre”, sagte Schmidt da. “Wir denken über die nächsten zehn Jahre nach.”

Wie sieht denn die Medienlandschaft in zehn Jahren aus? Alle Kanäle werden weiter bestehen, ist sich Scherzer sicher. Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften bleiben. Aber die Gewichte verschieben sich: Die Wucht digitaler Kanäle nimmt zu. Und Informationen werden weniger zu festgelegten Zeitpunkten gelesen, gesehen und gehört werden, sondern fast jederzeit – immer dann, wenn der Nutzer dies will.

“Die Verlage sind exzellente Sender, wir müssen noch stärkere Empfänger werden”, sagt Scherzer. Junge Menschen gewöhnen sich nicht mehr an das Prinzip von Sendezeiten. Das sieht er jeden Tag an seiner zehn Jahre alten Tochter. Die Jungen wollen selbst bestimmen, wann sie was machen.

Doch am Ende komme es auf die Relevanz der Informationen an, starke Marken werden gesucht und bleiben bestehen. Scherzer verbreitet Optimismus – trotz oder wegen aller Herausforderungen. Die Sonne scheint.

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