Bauer streitet sich mit dem Pressegroßhandel vor Gericht über Lieferkonditionen, der Grosso-Verband wehrt sich dagegen, andere Verlage schließen neue Vereinbarung ab.
Die Bauer Media Group steuert auf den großen Knall für den deutschen Pressevertrieb zu. Der Hamburger Zeitschriftenverlag hat den Branchenkonsens längst verlassen und hält trotz jüngster Vermittlungsversuche an seiner Strategie fest: Bauer klagt vor dem Landgericht Köln gegen das zentrale Verhandlungsmandat des Bundesverbands Presse-Grosso. Dieser vereinbart mit den Verlagen die Handelsspannen, unter denen die deutschen Pressegroßhändler die Zeitschriften und Zeitungen an den Kiosk liefern. Der Bauer-Verlag will bessere Lieferkonditionen und erhofft sich diese, indem er mit jedem der etwa 70 Grossisten einzeln Verträge abschließt.
Der Kampf um die Zeitschriften und ihren Weg an den Kiosk (Foto dpa)
Am Dienstag verhandelt das Landgericht Köln zum zweiten Mal über den Fall, den die Branche gespannt verfolgt, weil die Attacken Bauers das Vertriebsnetz und die Pressevielfalt gefährden. “Wir sind zuversichtlich, dass das Landgericht die übergeordnete Relevanz des Grosso-Systems höher bewertet als partikulare Interessen eines Großverlages”, sagte Kai-Christian Albrecht, Geschäftsführer des Grosso-Verbandes, dieser Zeitung. “Der Public Value eines unabhängigen, neutralen Pressevertriebs für unsere Demokratie wird ja auch im politischen Raum gesehen und geschätzt.” Bauer wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Gerichtsprozess äußern.
Der Hamburger Verlag hat den Konsens über das Presse-Grosso-System mit seinen vielen Regeln, die einander bedingen, verlassen und könnte es zum Einsturz bringen. Die Presse-Grossisten bringen als neutrale Dienstleister die Zeitungen und Zeitschriften der Verlage zum Einzelhandel – und haben dabei wirtschaftliche Vor- und Nachteile. Sie haben einerseits ein festes Vertriebsgebiet, in dem sie mehrheitlich alleine tätig sind. Sie gewähren andererseits jedem Titel sowohl den Zugang zum Vertriebsnetz als auch jedem Verlag die gleichen Konditionen (die je nach Größe der Publikation und des Verlages variieren). Und sie steuern auch den kleinsten Kiosk an, selbst wenn sich dies kaum rechnet. Mit diesem System, das die Verlage initiiert haben und das sich seit Jahrzehnten bewährt, erhalten die Verlage Synergieeffekte und jede Publikation den Marktzutritt.
“Was will der Verlag noch mehr?”
Bauers bisherige Liefervereinbarung mit den Grossisten läuft noch bis Anfang März. Alle anderen großen Verlage – Axel Springer, Gruner+Jahr, WAZ-Gruppe und Burda – hatten sich dagegen im vergangenen Jahr mit dem Grosso-Verband auf einen neuen Vertrag bis 2018 geeinigt, dessen Konditionen die Verlage wesentlich besser stellt und dem sich fast alle anderen Vertriebsgesellschaften angeschlossen haben. Darin haben sich die Verlage gleichzeitig eindeutig zum bestehenden Presse-Grosso-System bekannt.
Auch Bauer scheint Interesse an den besseren Handelsspannen zu haben. Der Verlag hat jeden einzelnen Grossisten mit den Konditionen als Anlage angeschrieben und verlangt, die gleichen Konditionen wie jeder andere Verlag zu erhalten. Das geht aus den jüngsten Schriftsätzen hervor, die die Anwälte von Bauer und des Grosso-Verbandes noch bis vergangene Woche miteinander ausgetauscht haben. Bauer bestreitet darin jedoch, ein Vertragsangebot gemacht zu haben.
Die Grossisten sehen das anders. “Unser Verband hat namens seiner Mitglieder auch mit dem Bauer-Verlag auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin ebenfalls die mit allen anderen Verlagen bis 2018 geltenden Konditionenvereinbarungen geschlossen”, sagt Verbandsgeschäftsführer Albrecht. “Was will der Verlag noch mehr?” Das dürfte ein Streitpunkt mehr sein, den die Parteien am Dienstag im Gerichtssaal zu besprechen haben. An Auseinandersetzung mangelt es nicht.
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