Die Verlegerverbände mischen sich in den Grosso-Streit mit Bauer ein: Sie wollen das zentrale Verhandlungsmandat per Gesetz absichern lassen.
Deutschlands Verlage schlagen zurück: In Sorge um den Pressevertrieb gehen sie gemeinsam gegen die Alleingänge des Bauer-Verlages vor. Die Verbände der Zeitschriftenverleger VDZ, der Zeitungsverleger BDZV und der Pressegroßhändler wollen ihr Vertriebsnetz von der Politik per Gesetz retten lassen. Sie werfen ihr Gewicht in die politische Waagschale, damit das zentrale Verhandlungsmandat überlebt, das Bauer vor Gericht kippen will. Den gemeinsamen Vorstoß kündigt Torsten Brandt, Sprecher des VDZ-Arbeitskreises Pressemarkt Vertrieb und Vertriebschef von Axel Springer für Zeitschriften und “Bild”-Zeitung, im Gespräch mit dieser Zeitung an. “Die Neutralität der Händler und der freie Marktzutritt für Publikationen sind nur zu gewährleisten, wenn sich die Verbände über Spielregeln verständigen können”, sagt er.
Die Attacken von Bauer stoßen auf Unverständnis in der Branche und gelten als Gefahr für das Presse-Grosso-System: Das Hamburger Zeitschriftenhaus (“Alles für die Frau”, “Bravo”, “TV Movie”) klagt vor dem Landgericht Köln gegen das Verhandlungsmandat des Bundesverbandes Presse-Grosso und wird am Dienstag nach Meinung von Prozessbeobachtern voraussichtlich recht bekommen, wenn das Gericht die Entscheidung verkündet. Durch das zentrale Verhandlungsmandat vereinbart der Grosso-Verband einheitliche Lieferkonditionen mit den Verlagen, unter denen die 70 Pressegroßhändler in Deutschland die Publikationen als neutrale Dienstleister zum Einzelhandel bringen. Das System gewährleistet, dass jeder Titel an den Kiosk kommen kann.
Jetzt gehen die Verlage geschlossen auf die Politik zu: Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) soll verankert werden, dass die Pressegroßhändler die Verhandlungen über Lieferkonditionen mit den Verlagen an den Grosso-Verband delegieren können, damit dieser weiter einheitliche Handelsspannen und Regeln vereinbaren kann. “Wir sind uns einig”, sagte Brandt. “So viel Gesetz wie nötig und so wenig Gesetz wie möglich.” Sonst wäre das Presse-Grosso-System künftig nicht mehr gestaltbar, befürchten die Verlage.
“Wir lösen das ein, was die Politik von uns erwartet”
Politiker aller Parteien haben stets bekräftigt, das Presse-Grosso-System erhalten zu wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach dies auf den Zeitschriftentagen des VDZ im November. “Falls gerichtliche Auseinandersetzungen dazu führen, dass das Grosso-System gefährdet ist, sage ich Ihnen zu, dass wir entsprechend handeln werden”, sagte sie. Der Medienpolitische Expertenkreis der CDU unter Vorsitz des Bundestagsabgeordneten Franz Josef Jung führte zudem gegebenenfalls gesetzliche Regelungen im Presse-Grosso an, als er diese Woche forderte, dass alle Beteiligten für eine Gleichbehandlung der Verlage sorgen und den freien Zugang zu Printprodukten in Deutschland sicherstellen sollen. “Nur dadurch ist gewährleistet, dass man an der Ladentheke nicht nur die Publikationen weniger großer Verlagshäuser, sondern auch die Erzeugnisse kleinerer Verlage sowie neue Titel kaufen kann”, heißt es in dem Beschluss.
Insofern kommt die Verlagsforderung nach einem Gesetz der Politik gelegen. “Wir lösen das ein, was die Politik von uns erwartet”, sagt Brandt und betont den Konsens zwischen Großhandel und Verlegerverbänden. “Wenn die Politik spürt, dass wir uns als Verbände einig sind, kann ich mir vorstellen, dass das goutiert wird.” Bis zur Rettung dürfte es noch dauern. Die Beratungen über die GWB-Novelle sollen bis Sommer abgeschlossen sein, das Gesetz bis Anfang 2013 in Kraft treten. Die Gerichtsentscheidung steht dagegen schon am Dienstag an.
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