Medienwirtschaft

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Zeitschriften, Fernsehen, Internet: Wie sich die Welt der Medien dreht

Vor Urteil zur „Tagesschau"-App: Zeitungsverlage attackieren Googles Algorithmus

Verlegerpräsident Helmut Heinen fordert ein umfangreicheres Leistungsschutzrecht, warnt vor „Quasimonopol" der Post und kritisiert die „Tagesschau-App". Die Zeitungen sieht er indes gut aufgestellt.

Verlegerpräsident Helmut Heinen fordert ein umfangreicheres Leistungsschutzrecht, warnt vor  „Quasimonopol” der Post und kritisiert die „Tagesschau”-App. Die Zeitungen sieht er indes gut aufgestellt.

Zur Lage der Zeitungen findet Helmut Heinen gute Worte. Er lobt, dass immer mehr Menschen in Deutschland die Inhalte der Verlage lesen. „Das Glas unserer Reichweite war noch nie so voll”, sagte der Präsident des deutschen Zeitungsverlegerverbandes BDZV auf dessen Zeitungskongress, den er am Montag in Berlin eröffnete. Damit meinte er jedoch weniger die gedruckten Zeitungen, sondern vor allem die digitalen Angebote, deren Reichweite stetig zulegt. Beide addierte Heinen für sein volles Glas zusammen. Das Eingeständnis, dass die Online-Reichweite noch in weiten Teilen nicht in Einnahmen umzumünzen sei, lässt das Glas allerdings nicht mehr ganz so voll erscheinen. Heinen sprach von einer „medienwirtschaftlichen Transformation, wie wir sie wohl noch nie erlebt haben” – mit steigenden Vertriebserlösen, aber sinkenden Anzeigengeschäften. Das ist die andere Seite des Wandels in der Branche, sie zeigt sich ganz konkret an den Sparvorhaben mancher Verlage wie dem Berliner Verlag und der WAZ-Gruppe.

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Verlegerpräsident Heinen bietet ARD und ZDF nach dem Urteil Gespräche an (Foto dpa)

In dieser Lage lehnt Heinen direkte Unterstützung von der Politik ab. „Wir Zeitungsverleger fordern keine Hilfe vom Staat”, sagte er am Montag. Stattdessen forderte er Rahmenbedingungen, die so fair wie möglich sein sollten. Daher treten er und andere Verlagsvertreter für das geplante Leistungsschutzrecht ein, das Suchmaschinen wie Google dazu bringen soll, für Inhalte von Verlagen zu zahlen. Der Gesetzentwurf der Regierung gehe in die richtige Richtung, sagte Heinen, sei aber bislang nur eine „sehr kleine Lösung”.

Warnung vor dem geplanten Leistungsschutzrecht

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der sich für seine Partei in der Medienpolitik engagiert, wies die Versammlung von Verlagsmanagern später darauf hin, dass sie schon jetzt gegen Suchmaschinenanbieter vorgehen könnten. „Jeder könnte verhindern, dass er bei Google oder woanders auftaucht”, sagt er. „Das macht aber keiner, weil er da vorkommen will.” Er zweifele daran, dass das Leistungsschutzrecht gerichtsfest sei, sagte Scholz. Er warnte die Verlage davor, zu viel zu wollen und am Ende nichts in der Hand zu haben. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte dagegen, dass das Vorhaben allen gerecht werde – auch privaten Nutzern und Zweitverwertern.

Heinen seinerseits nahm Google als „Quasimonopolisten” ausgiebig unter Beschuss: Der Algorithmus, auf den sich das Unternehmen für die Suchreihenfolge beruft, sei nicht neutral, sondern mache, was der Suchmaschinenanbieter wolle. Zudem forderte Heinen, die geplante Liberalisierung des Postgeschäfts bald zu verabschieden – sonst werde das „Quasimonopol” der Post konserviert. Er kritisierte auch die „Tagesschau-App”, da sie ein Schritt auf dem Weg zu einer öffentlich-rechtlichen Presse sei.

An diesem Donnerstag urteilt das Landgericht Köln über die Klage mehrerer Zeitungsverlage, unter ihnen auch der Verlag dieser Zeitung, gegen die „Tagesschau”-Anwendung für Smartphones und Tabletcomputer. Heinen sagte, er erwarte kein klares Zeichen in Richtung einer Partei, und zeigte sich offen für Gespräche mit ARD und ZDF, die in der Vergangenheit gescheitert waren. Trotz mancher Not sei er zuversichtlich, unterstrich Heinen, dass die Verlage ihr Geschäft behaupten könnten – sofern die europäische Schuldenkrise nicht alles noch schlimmer mache.

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