Die Insolvenz einer und das Ende einer anderen Zeitung rückt die wirtschaftliche Lage der Medien in den Fokus. Der Verleger der „Kölnischen Rundschau” fordert mittelfristig steuerliche Erleichterungen, um Zeitungen zu helfen.
Herr Heinen, die „Frankfurter Rundschau” hat Insolvenz angemeldet, die „Financial Times Deutschland” wird eingestellt. Wie steht es um das Mediengeschäft in Deutschland?
Das ist beides sicherlich äußerst bedauerlich, aber ich sehe darin keine Bedeutung für das Mediengeschäft insgesamt. Beide Titel haben lange Zeit rote Zahlen geschrieben, die „Financial Times Deutschland” sogar seit Bestehen. Konkurrenz und Anzeigensituation dürften dazu beigetragen haben, solche langfristigen Quersubventionierungen abzubrechen, wenn kein Silberstreifen am Horizont erkennbar ist.
Hätten die Verlage früher reagieren müssen?
Ich kann über die „Financial Times Deutschland” sehr wenig sagen. Da ist sicherlich mit viel Herzblut, Engagement und Ressourcen gearbeitet wurden, um eine stabile Marktposition zu erreichen. Zur „Frankfurter Rundschau” habe ich eine indirekte Nähe…
… Sie geben die „Kölnische Rundschau” in Zusammenarbeit mit DuMont Schauberg heraus, dem Mehrheitseigner der „Frankfurter Rundschau”…
… aber ich weiß nicht mehr als andere Beobachter. Unterschiedliche Eigentümer haben über ein Jahrzehnt sehr viel versucht, das Format geändert und Inhalte neu ausgerichtet – aber sie sind immer von einer schlechten Marktentwicklung überholt worden.
Helmut Heinen Foto BDZV
Für andere Zeitungen hat das keine Bedeutung?
Die Verlage konnten die optimistische Prognose für beide Titel nicht mehr am Leben halten. Das hat unmittelbar keine Bedeutung für andere. Es zeigt sich aber, dass Verlagshäuser schärfer darauf achten, defizitäre Titel nicht länger durchzuhalten. Das kann in dem einen oder anderen Fall zum Nachdenken, zur Zusammenlegung oder auch zur Schließung führen – aber immer nur von problematischen Objekten.
Welche Titel meinen Sie?
Dazu kann ich nichts sagen.
Es gibt vereinzelt Rufe, dass der Staat Medien und Recherchen fördern soll. Das würde diese doch in die Nähe einer Staatspresse rücken wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Genau. Die Entscheidung darüber, was gefördert wird, müssen immer irgendwelche Gremien treffen, die sich beim besten Willen von staatlicher Einflussnahme nicht freimachen können. Deswegen sehen wir das als freundlich gemeint, aber doch als problematisch an. Der Staat soll lieber die Mehrwertsteuer auf Zeitungen abschaffen. In Artikel 5 des Grundgesetzes wird die Ausübung von Meinungs- und Pressefreiheit nicht von der Umsatzsteuer abhängig gemacht. Das steht da nicht drin. Es ist ein wirkliches Problem, dass die Versorgung mit Informationen einer Umsatzsteuer unterworfen wird. Ich hielte das Gegenteil für richtig.
Zeitungen sollen keine Mehrwertsteuer mehr zahlen, damit sich ihr Geschäft besser lohnt?
Wenn die Umsatzsteuer auf Vertriebserlöse wegfällt, wäre das ein inhaltlich weitgehend neutrales Thema. Zeitungen könnten auch als haushaltsnahe Dienstleistungen im Sinne des Einkommenssteuerrechts gelten und damit bis zu einer gewissen Größenordnung von der Steuerschuld absetzbar sein. Wenn Sie einen Gärtner beschäftigen, können Sie vom Lohn eine gewisse Summe von der Steuerschuld abziehen. Die lohnintensive Zeitung ist sicher eine Dienstleistung, die auch haushaltsnah erbracht wird, auch wenn das im räumlichen Sinn nicht unbedingt stimmt. Wenn man den Zeitungen helfen will, ist eine steuerliche Erleichterung besser als Subventionen.
Wie wird sich die Lage in den nächsten Jahren entwickeln?
Ich setze darauf, dass wir im nächsten Jahr eine Konsolidierung oberhalb des jetzt ziemlich ungünstig verlaufenden Jahres 2012 bekommen. Die Entwicklungen im Anzeigenbereich werden sich nicht so massiv fortsetzen. Über 47 Millionen Menschen lesen uns täglich, unsere Internetangebote haben über 27 Millionen Unique User. Ich bin optimistisch, dass wir diese hohe Reichweite halten können und durch die vielen Maßnahmen der Verlage auch ordentliche Ergebnisse bekommen. Die Vertriebserlöse sind eine sehr starke Säule. Ich sehe keine dramatische Tendenz.
Welche Rolle muss das Digitalgeschäft spielen?
In Zukunft geht es darum, dass unsere Leser unsere digitalen Angebote ebenso schätzen wie die gedruckten und dass sie dafür bezahlen. Das gilt auch für die Digital Natives, die wir mit attraktiven Angeboten, von denen ich heute noch gar nicht weiß, wie sie aussehen werden, an unsere Marken binden müssen.
Mehrere Verlage (darunter derjenige dieser Zeitung) haben gegen die „Tagesschau”-App geklagt. Sie führen Verhandlungen mit ARD und ZDF. Wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mehr wie bisher im Netz expandieren?
Soweit das Konkurrenzfeld zu uns betroffen ist, hoffe ich darauf. Es gibt eine Ankündigung der ARD, die strittige App der „Tagesschau” zu modifizieren. Wir werden beobachten, ob das unseren Forderungen entgegenkommt.
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