Der Streit um Krankenkassen bedroht die geplanten Erleichterungen für Pressefusionen und Großhandel. Verlage und Grossisten waren vor den Folgen, wenn sich Bundesrat und Bundestag nicht auf das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen einigen.
Deutschlands Verlage drängen auf eine rasche Einigung zur Wettbewerbsnovelle. Sonst befürchten sie, dass durch den Streit um die Krankenkassen auch Erleichterungen für Pressefusionen und -vertrieb aufgehalten werden. „Es scheint, dass die nötige Wettbewerbsnovelle noch am Tropf der Krankenkassen hängt”, sagte Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, dieser Zeitung. „Es wäre grotesk, wenn der Krankenkassenstreit auch über die Sicherung der Pressevielfalt bestimmt.”
Die Koalitionsfraktionen wollen mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auch Krankenkassen unter die Aufsicht des Kartellamtes stellen, während rot-grüne Bundesländer dies ablehnen. Am Mittwoch berät darüber eine Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag, die sich bisher nicht einigen konnten. Am 26. Februar kommt der Vermittlungsausschuss abermals zusammen.
„Eine ganz entscheidende Voraussetzung für den neutralen Pressevertrieb”
Die achte GWB-Novelle sieht vor, dass Zusammenschlüsse von Verlagen seltener beim Kartellamt angemeldet werden müssen. Zur Kontrolle käme es erst ab einem gemeinsamen internationalen Umsatz von mehr als 62,5 Millionen Euro statt bisher 25 Millionen Euro. Zudem soll das Wettbewerbsgesetz das bestehende Pressevertriebssystem absichern und Absprachen zwischen Großhändlern und Verlagen vom Kartellverbot ausnehmen. „Die vorgesehene gesetzliche Absicherung freiwilliger Branchenvereinbarungen zwischen Verlagen und dem Grosso-Verband ist eine ganz entscheidende Voraussetzung für den neutralen Pressevertrieb zum Einzelhandel”, teilt der Zeitschriftenverlegerverband VDZ mit. Diese Regelung müsse dringend beschlossen werden.
Als neutrale Händler liefern die 64 Pressegrossisten die Publikationen der Verlage an die 120.000 Einzelhändler in Deutschland. Die Konditionen darüber hat seit Jahrzehnten der Bundesverband Presse-Grosso zentral mit den Verlagen ausgehandelt. Dagegen hat der Hamburger Bauer-Verlag geklagt und in erster Instanz recht bekommen; der Grosso-Verband hat Widerspruch eingelegt. Im Herbst wird das Oberlandesgericht Düsseldorf verhandeln.
SPD: Sonst käme eigenes Gesetzgebung für Presse-Grosso in Frage
Alle Bundestagsfraktionen wollen mit dem Gesetz verhindern, dass Bauer das bewährte Großhandelsystem sprengt und die Pressevielfalt bedroht wird. „Verlage und Presse-Grosso sind dringend auf die Reform der Pressefusionskontrolle und die Freistellung der Branchenvereinbarungen im Pressevertrieb angewiesen”, sagte Kai-Christian Albrecht, Geschäftsführer des Grosso-Verbandes. „Alle Parteien sind sich über diese wichtigen Punkte einig. Die Länder und der Bund müssen diese jetzt auch durchsetzen.”
Sollten Bundesrat und Bundestag nicht bald die Novelle verabschieden, könnte ein eigenes Verfahren für den Pressegroßhandel folgen. „Für den Fall, dass man sich nicht einigt, käme ein eigenes Gesetzgebungsverfahren für das Presse-Grosso in Frage”, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete und medienpolitische Fraktionssprecher Martin Dörmann dieser Zeitung. Noch hoffen und drängen aber Medienpolitiker wie Verlage darauf, dass der Vermittlungsausschuss möglichst bald die GWB-Novelle verabschiedet.
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