Die amerikanische Internetseite „Huffington Post“ kommt nach Deutschland. Gemeinsam mit der deutschen Tomorrow Focus AG, die mehrheitlich dem Münchner Verlag Hubert Burda Media („Focus“, „Bunte“) gehört, will sie mit einer deutschsprachigen Ausgabe in zwei Jahren Gewinne machen und spätestens in fünf Jahren zu den fünf größten Nachrichtenseiten gehören. „Wenn wir nicht denken würden, dass das möglich ist, würden wir nicht anfangen“, sagte Jimmy Maymann, Vorstandsvorsitzender der zum Internetkonzern AOL gehörenden „Huffington Post“, im Gespräch mit dieser Zeitung.

In der Regel starten die internationalen Ausgaben des amerikanischen Nachrichtenportals drei bis sechs Monate nach der Ankündigung. Im Herbst soll es schließlich hierzulande soweit sein: Spätestens zur Bundestagswahl wollen die Partner die Internetseite sichtbar werden lassen – eventuell auch nur in einer vorläufigen Beta-Version. An diesem Montag wollen die beiden Unternehmen ihre Kooperation bekannt geben. Die Investitionen in Millionenhöhe werden sie sich gleichmäßig teilen – wie auch den später erhofften Gewinn.
Damit drängt eine Internetseite in den deutschen Nachrichtenmarkt, die nicht aus einem traditionellen Medium hervorgeht. Bislang konnten sich Nachrichtenseiten ohne gedrucktes oder gesendetes Pendant – wie beispielsweise die „Netzzeitung“ – nicht durchsetzen. Aber ganz kommt auch die deutsche „Huffington Post“ nicht ohne traditionelle Rückendeckung aus, zumindest nicht am Anfang. Tomorrow Focus bringt den Internetauftritt des Magazins „Focus“, für den das Unternehmen und nicht Burda direkt zuständig ist, mit in die Ehe ein.
Die „Huffington Post“ wird zu Beginn direkt auf „Focus Online“ auftauchen. Deren Beiträge sollen dort verlinkt werden, auch wird „Focus“ ins hiesige Logo der „Huffington Post“ integriert. Ebenfalls ist eine redaktionelle Zusammenarbeit etwa in der Themenauswahl geplant. „Wir machen die Huffington Post mit Hilfe von Focus Online bekannt und groß – so wie wir das schon bei vielen anderen Portalen erfolgreich gezeigt haben“, sagte Oliver Eckert, Geschäftsführer der Tomorrow Focus Media GmbH, unter der der Ableger der „Huffington Post“ als Tochtergesellschaft erscheinen wird. Die Rückendeckung mit Links habe etwa auch Internetangeboten wie der Börsenseite „Finanzen100“ und dem Arztempfehlungsportal „Jameda“ Nutzer zugeführt. Tomorrow Focus betreibt unter anderem das Hotelbewertungsportal „Holidaycheck“ und die Partnerbörse „Elitepartner“.

Seit 2011 war die „Huffington Post“ auf der Suche nach einem Partner in Deutschland und nach eigenen Angaben in Gesprächen mit allen wichtigen Beteiligten auf dem hiesigen Markt. Darunter sollen das Hamburger Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr („Stern“, „Geo“) und die Berliner Axel Springer AG („Bild“, „Welt“) gewesen sein. „Es bestand viel Interesse“, sagte Maymann. „Wir mussten jemanden enttäuschen, als wir uns entschieden, mit Tomorrow Focus zusammenzuarbeiten.“ Als Grund dafür, dass es so lange gedauert hat, einen Partner in Deutschland zu finden, nennt er die deutsche Gründlichkeit.
Geld will die „Huffington Post“ ausschließlich mit Anzeigen verdienen. Dies ist auch die Stoßrichtung von Tomorrow Focus. „Für reine Nachrichtenportale glauben wir nicht an den Erfolg von weitreichenden Paid-Content-Modellen“, sagte Christoph Schuh, Vorstand von Tomorrow Focus. „Wir haben mit Focus Online bewiesen, dass signifikanter Umsatz und Profit rein werbefinanziert möglich ist.“
Tomorrow Focus übernimmt die Vermarktung der deutschen „Huffington Post“, während die Amerikaner die Technologie und das redaktionelle Konzept einbringen. „Das Geschäftsmodell ist so interessant, weil es auf Anzeigen und einem innovationem Redaktionsmodell basiert und damit zu uns passt“, sagte Schuh.

Andere Nachrichtenseiten beabsichtigen dagegen, auch Inhalte gegen Bezahlung anzubieten. Vor vier Monaten hat Axel Springer für „Welt.de“ einen Bezahlmodus für regelmäßige Leser eingeführt. Der Onlinemarkt wächst enorm. Von den großen Nachrichtenseiten gelten „Spiegel Online“ und „Focus Online“ als profitabel. Der Umsatz der Internetauftritte ist trotz einer hohen Reichweite jedoch geringer als der ihrer gedruckten Ausgaben.
„Das Konzept der Huffington Post funktioniert als Mix aus Redaktion, Bloggern und Social Media anders als unsere Nachrichtenseiten“, erläuterte Christoph Schuh. Neben dem Angebot von Nachrichten gehe es darum, Nutzer zu involvieren, die selbst Blogs und Kommentare schreiben. Die amerikanische „Huffington Post“ hat einen hohen Anteil an solchen Bloggern und an Videos. In den Vereinigten Staaten schreiben 40000 Blogger auf der Seite, ohne dafür Geld zu erhalten. Sie sorgen mit dafür, dass dort jeden Tag 1500 Geschichten erscheinen. Überproportional viele Leser kommen über soziale Medien wie Facebook oder Twitter. Mit einer möglichst riesigen Menge an Inhalten, die wenig kosten, versucht die „Huffington Post“ eine große Reichweite aufzubauen, die sie über Werbung monetarisiert.
„Unser Ziel ist es, frische journalistische Stimmen in die deutsche Medienlandschaft zu bringen“, sagte Eckert. „Wenn wir das schaffen, erreichen wir unsere geschäftlichen Ziele.“ Die deutsche Ausgabe soll schon in drei bis vier Jahren 10 Millionen Besucher erreichen. Das wäre dann ein Wert, den derzeit die größten Nachrichtenseiten vorweisen können: “Bild.de” und “Spiegel Online” kommen auf mehr als 12 Millionen einzelne Besucher (Unique Visitors), während die monatliche Besuche (Visits) weitaus höher ausfallen (siehe Grafik).
„Wir brauchen Menschen, die auf unserer Seite schreiben, die sich in einem Fachgebiet auskennen und ihr Wissen teilen wollen“, sagte Maymann. „Als wir in Großbritannien anfingen, sagten alle, dass keiner für uns bloggen wird. Nun haben wir 3000 Blogger dort.“ Sie erhalten statt Geld eine hohe Reichweite und damit ein Publikum für ihre Gedanken. Es gehe darum, Menschen zu beteiligen. „Wenn es nur ein weitere Nachrichtenseite wäre, würde ich nicht daran glauben.“
Bislang hat die „Huffington Post“ Ableger in Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien sowie in Kanada. In Frankreich arbeiten sie mit „Le Monde“ zusammen, in Italien mit dem Verlag Gruppo Espresso („La Repubblica“). Im Mai soll Japan folgen. Mit der deutschsprachigen Seite will die „Huffington Post“ gleichzeitig auch nach Österreich und in die Schweiz expandieren.
Zwölf bis 15 Redakteure sollen zu Beginn die Mannschaft der deutschen Internetseite in München bilden. Namen nennen wollen die beiden Unternehmen erst im Juli. Dann kommt auch Gründerin und Chefredakteurin Arianna Huffington nach Deutschland, um den deutschen Chefredakteur, weitere Blogger und das Konzept vorzustellen. Ansonsten wird sie in der deutschsprachigen Ausgabe nicht direkt eingebunden sein. Ziel ist es allerdings, der amerikanischen „Huffington Post“ zu folgen. Dort arbeiten in der Redaktion in New York 300 Redakteure. „Ein für deutsche Verhältnisse ähnlich großer Newsroom ist unsere Vision“, sagte Oliver Eckert. Bis dahin wird es aber noch eine Weile dauern.
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Verdächtige Autoren
Kein Zweifel – die “Huffington Post” wird auch in Deutschland Autoren finden, die umsonst für sie schreiben. Das Problem dabei ist jedoch, daß die Autoren natürlich eine Motivation haben. Und diese Motivation ist in diesem Fall nicht: “Geld”. Es besteht also die Gefahr, daß ganz gezielt Propaganda (von wem auch immer) unter dem Deckmäntelchen journalistischer Unabhängigkeit betrieben wird. Denn irgendeine Motivation benötigt jeder Autor. Niemand setzt sich hin und schreibt einen längeren Artikel, bearbeitet ihn einige Male und überlässt ihn dann kostenlos der Öffentlichkeit. Wer kostenlos für die “Huffington Post” schreibt, macht sich meiner Meinung nach automatisch verdächtig.