Medienwirtschaft

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Zeitschriften, Fernsehen, Internet: Wie sich die Welt der Medien dreht

„Huffington Post“ greift bald in Deutschland an

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Die „Huffington Post“ kommt nach Deutschland und startet am 10. Oktober eine deutsche Version des digitalen Mitmachportals. Was diese in den nächsten Jahren erreichen soll, klingt ehrgeizig.

Am 10. Oktober beginnt der Angriff des amerikanischen Internetportals „Huffington Post“ auf das deutsche digitale Nachrichtengeschäft. Die deutsche Ausgabe startet dann mit einem ehrgeizigen Plan: Schon in fünf Jahren will sie zu den fünf größten Nachrichtenportalen hierzulande gehören und einen operativen Gewinn im Millionenbereich machen. „Aufgrund der Erfolge in den Vereinigten Staaten und Ländern wie Frankreich, wo ,Le Monde‘ und ,HuffPost‘ ein Joint-Venture gestartet haben, fühlen wir uns bestens gerüstet, um diesen wirtschaftlichen Fahrplan einzuhalten“, sagte Christoph Schuh, Vorstand der Tomorrow Focus AG, im Gespräch mit dieser Zeitung.

Das Unternehmen wird die hiesige Ausgabe der „Huffington Post“ betreiben und gehört mehrheitlich dem Münchner Verlag Hubert Burda Media („Focus“, „Bunte“). Es geht mit dem neuen Nachrichtenangebot ins Risiko. „Mit der ,Huffington Post‘ starten wir jetzt einen komplett neuen Ansatz“, sagte Oliver Eckert, Geschäftsführer der Tomorrow Focus Media GmbH. „Die HuffPost ist kein Nachrichtenportal, sondern eine Plattform zur Interaktion.“ Das Prinzip basiert darauf, dass Tausende Autoren kostenlos für das Portal schreiben. In den Vereinigten Staaten ist Gründerin und Chefredakteurin Arianna Huffington damit sehr erfolgreich und hat Ableger in Großbritannien, Frankreich, Kanada, Spanien und Italien gestartet. Ob auch die Deutschen die Möglichkeit dieser Verbreitung ihrer Gedanken suchen oder ob es dafür schon genügend Möglichkeiten wie Blogs gibt, wird Tomorrow Focus herausfinden.

Das Ziel: Operativer Gewinn im Millionenbereich

Tomorrow Focus betreibt Internetportale wie „Holidaycheck“ für Reisen oder „Elitepartner“ zur Partnervermittlung, Nachrichtenseiten wie „Focus Online“ und vermarktet auch andere Internetauftritte. Wenn die Internetprojekte einmal funktionieren, hat jedes in der Regel eine Umsatzrendite von 15 Prozent. Das erwarten die Münchner auch vom der amerikanischen Adaption.  „Wir wollen im fünften Jahr auf der Reiseflughöhe sein, wo sich Focus Online heute befindet und dann zu den Top 5 Newsportalen in Deutschland gehören“, sagte Schuh.

Das sind die Zielmarken: „Focus Online“ macht einen Nettoumsatz von 10 bis 15 Millionen Euro im Jahr, hat eine zweistellige Umsatzrendite und neun Millionen einzelne Besucher im Monat. Innerhalb von zwei Jahren soll der deutsche Ableger profitabel sein. Investieren will Tomorrow Focus nicht mehr als drei Millionen Euro. „Focus Online“ machte selbst vor drei Jahren noch einen Verlust. Gedreht hat sich dies vor allem durch eine höhere Reichweite und die dadurch steigenden Anzeigeneinnahmen.

Die Journalisten: Sie kommen von klassischen Medien

Chefredakteur der deutschen „Huffington Post“ wird Sebastian Matthes, bisher Ressortleiter des Magazins „Wirtschaftswoche“. Insgesamt sollen für die deutsche Ausgabe in München 15 Redakteure arbeiten, 12 davon werden gleich zu Beginn an Bord sein. Die Mitarbeiter kommen von Zeitungen, Magazinen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, unter anderem „Die Welt“, ZDF, WDR und „Focus“.

Für die Redaktion entsteht derzeit ein großer, offener Arbeitsraum in München, direkt Tür an Tür mit der Mannschaft von „Focus Online“. Zu den Kollegen sollen die Neuen einen kurzen Draht haben und von diesen Schützenhilfe erhalten. „Focus Online“ wird die deutsche „Huffington Post“ unterstützen und zu deren Beiträge auf ihrer Internetseite prominent verweisen. Damit sollen die digitalen „Focus“-Leser gleich zum Neuankömmling herübergezogen werden. Dies war zuvor schon der Börsenseite „Finanzen100“ gut bekommen, die ebenfalls zum Unternehmen gehört.

Mit dem Start der deutschen „Huffington Post“ will Tomorrow Focus das Internetgeschäft mit journalistischen Inhalten ausbauen. Daneben plant das Unternehmen in den nächsten 18 Monaten drei Portale für Spezialthemen zu kaufen oder auch aufzubauen, etwa im Bereich Mode, Auto und Finanzen. „Aktuelle Studien zeigen, dass die Internetnutzer heute deutlich stärker ihre Lieblingsseiten für bestimmte Kategorien suchen und ansteuern“, sagte Schuh. An Themenseiten betreibt das Unternehmen „Netmoms“ für Eltern und das Börsenportal „Finanzen100“, die inzwischen beide mit Gewinn arbeiten.

Jeder soll mitmachen

„Journalismus hat eine große Zukunft in der digitalen Welt, aber er wird sich weiter ändern müssen: weg von der Frontalbeschallung und hin zu Plattformen des Austausches, auf der Journalisten schreiben, aber auch Leser als thematische Experten Beiträge veröffentlichen und mit Journalisten debattieren können“, sagte Oliver Eckert. Neben dem Nachrichtenjournalismus prägen die Internetseite Beiträge von zahlreichen Gastautoren und Bloggern sowie der Austausch mit den Lesern auf der Seite selbst auch als über soziale Medien. So sei die „Huffington Post“ die am meisten weitergeleitete Nachrichtenseite im sozialen Netzwerk Facebook. In New York arbeiten für die „Huffington Post“ 300 Redakteure.

Der Vertrag mit der „Huffington Post“ geht über mindestens zehn Jahre. „Wenn es für alle planmäßig läuft, verlängert er sich auch automatisch um weitere Jahre“, sagte Schuh. Während in anderen Länder Gemeinschaftsunternehmen existieren, gibt Tommorow Focus die deutsche „Huffington Post“ selbst heraus und zahlt dafür Lizenzgebühren an die Amerikaner. So können die Münchner die Umsätze komplett ausweisen und haben Redaktion und Vermarktung in ihren Händen. Dennoch sei es eine Partnerschaft unter gleichen.

München plant mit den Amerikanern im ständigen Austausch zu stehen und kann auf deren Inhalte zugreifen. Jeder internationale Ableger kann auch sehen, wie die Zugriffe insgesamt oder auf einzelne Beiträge sowie die Deckungsbeiträge in anderen Ländern aussehen. „Das Grundprinzip der Huffington Post ist volle Transparenz zwischen den Ländern“, sagte Eckert. Engen Austausch soll es auch für das Anzeigengeschäft oder Suchmaschinenoptimierung geben. Bis Ende 2014 will die „Huffington Post“ in 14 Ländern präsent sein. Große Unternehmen sollen dann mit einem Ansprechpartner auf allen Portalen gleichzeitig Anzeigen buchenund damit vereinfacht international werben können.

Das mobile Internet kommt

Tomorrow Focus setzt klar auf den Aufstieg des mobilen Internets. „Schon in wenigen Jahren wird die mobile Internetnutzung deutlich stärker als die stationäre sein“, sagt Eckert. „Wir haben bei Focus Online vor zwei Jahren den Kurs auf Mobile First eingeschlagen.“ Das Problem des noch geringen Anzeigenvolumens im mobilen Bereich wird sich auflösen, wenn dies immer stärker genutzt wird, ist er sich sicher. Mit der Zeit wird das Geld der Reichweite folgen. Für die „Huffington Post“ wird es von Beginn an neben dem normalen Internetauftritt Anwendungen für Smartphones und Tabletcomputer geben sowie auch einen angepasste Seite für die mobile Internetnutzung.

Den Start der deutschen „Huffington Post“ und die Zusammenarbeit dafür hatte Jimmy Maymann, Vorstandsvorsitzender der zum Internetkonzern AOL gehörenden „Huffington Post“, gemeinsam mit Eckert und Schuh im Gespräch mit dieser Zeitung im April angekündigt. Ursprünglich war der Beginn der deutschen Ausgabe für die Bundestagswahl angedacht. Nun wird Gründerin und amerikanische Chefredakteurin Arianna Huffington am 10. Oktober den Startschuss in München geben und auch den Herausgeber für Deutschland bekannt geben, der eine bekannte Medienpersönlichkeit sein soll.

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7 Lesermeinungen

  1. […] Die Huffington Post ist eine mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnete Nachrichtenplattform, die ab Oktober auch in Deutschland in das Nachrichtengeschäft einsteigen will. Und das mit ehrgeizigen Plänen, denn bereits in 5 Jahren will sie zu den fünf größten Nachrichtenportalen in Deutschland gehören, berichtet faz.net in diesem Artikel. […]

  2. khaproperty sagt:

    HuffPost ist schon jetzt Legende.
    Schön, wenn sie nun auch auf Deutsch und mit vergleichbarem Anspruch kommt.

    Weil Redakteure regelmäßig an Oberflächen operieren, kann die Qualität per Externe nur besser werden, denn wer möchte sich schon mehr als einmal öffentlich blamieren – sofern man nicht grad Redakteur ist.

  3. c.mar sagt:

    Neues Geschäftsmodell?
    Focus will jetzt also auch in Nachrichten machen? Na dann viel Glück.

  4. Antonymus sagt:

    Good news
    Good news für deutsche Nachrichten Konsumenten; bad news für deutsche Nachrichtenportale.

  5. hhhpppfff sagt:

    Als einen "Angriff auf Deutschland" würde ich es nicht bezeichnen...
    Manch’ deutsches Medium mag sich bedroht fühlen. Es ist nun einmal so, dass sich aus den USA
    stammende “digitale” Ideen auf den Märkten durchsetzen.

  6. hhhpppfff sagt:

    "Deutschland" wird sicher nicht "angegriffen". Die hiesigen Print-Medien haben aber dennoch
    Grund zur Sorge, denn die “Huffington Post” ist beweglich, kundenorientiert und sie weiss, wie’s geht. Sie kommt aus einer offenen Gesellschaft.

    In Deutschland dagegen: vorindustrielle Schockstarre.

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