Der Hamburger Bauer-Verlag schießt scharf gegen die deutsche Politik, um einen Rechtsstreit gegen Pressegroßhändler zu gewinnen. Das Zeitschriftenhaus wirft ausdrücklich allen Parteien eine „fehlende Funktionsfähigkeit der politischen Institutionen in eindrucksvoller Weise“ vor. Das schreiben die Anwälte des Verlages an das Oberlandesgericht Düsseldorf. Das Urteil in dem seit zwei Jahren laufenden Prozess soll am kommenden Mittwoch verkündet werden.
Bauer will dort erreichen, direkt mit den einzelnen Pressegroßhändlern zu verhandeln. Bislang vereinbart der Grosso-Verband zentral die Konditionen mit den Verlagen, damit alle Zeitschriften in Deutschland zu gleichen Bedingungen an den Kiosk kommen können. In erster Instanz hat Bauer Recht bekommen.

Jetzt ärgert den Großverlag das Verhalten der Politik: Die Abgeordneten haben sich parteiübergreifend vor das deutsche Pressevertriebsnetz gestellt. Um das System mitsamt Überallerhältlichkeit der Publikationen und den neutralen Pressegroßhändlern zu erhalten, haben Bundestag und Bundesrat nach dem ersten Urteil den Pressevertrieb gesetzlich gestärkt.
Das provoziert den Widerstand von Bauer. In dem Schreiben an das Gericht, das dieser Zeitung vorliegt, gipfeln die Anschuldigungen von Bauer in einem Angriff auf den Bundestag und den Bundesrat. Nach Rechtsprechung der Europäischen Gerichte liege hier ein „eindeutiger Fall des Rechtsmissbrauchs“ vor, heißt es darin. Die Regelung brandmarkt der Verlag als „erkennbar willkürlich“, ein allgemeines wirtschaftliches Interesse könne rechtlich nicht angenommen werden, die Großhändler seien nicht „betraute“ Unternehmen im Sinne des Gesetzes.
Bauer konnte sich nicht durchsetzen
Allerdings ist Bauers rechtliche Argumentation in dem Schriftsatz widersprüchlich: Einerseits beklagen sie das Handeln der Politik, andererseits versucht Bauer darzulegen, dass das Gesetz gar nicht für den Rechtsstreit zum Tragen kommt – dann müsste sich Bauer aber auch nicht darüber so vehement beklagen.
In der achten Novelle des Wettbewerbsgesetzes (GWB) sind die Verbände der Verlage und des Pressegroßhandels vom Verbot der Preis- und Konditionen-Absprache freigestellt. Zuvor gab es viele Gespräche zwischen Bauer, Pressegroßhändlern, anderen Verlagen und Medienpolitikern, um eine Lösung ohne Gesetz zu finden. Das gelang jedoch nicht und Bauer konnte sich in den Treffen nicht durchsetzen.
Leiden die kleineren Zeitschriften darunter?
Bauer wirft in dem Schreiben an das Gericht der Politik vor, auf die Wünsche der anderen Verlage und der Großhändler reagiert zu haben. „Der Gesetzgeber hat also genau das getan, was ihm der Beklagte vorgeschrieben hat“, schreiben die Anwälte des Zeitschriftenverlages. „Es ist mithin unstreitig, dass die Gesetzesänderung einzig und allein dazu dienen soll, der vorliegenden Klage den Boden zu entziehen.“
Offen ist, wie das Oberlandesgericht reagiert. Sollte Bauer Recht erhalten, fürchten Branchenkenner zunehmend ungleiche Wettbewerbsbedingungen für Verlage im Einzelhandel. Besonders Titel von kleinen und mittelständischen Verlagen dürften darunter leiden.
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