Direkt vor ihr ging der schwergewichtige Hüne in die Knie – um sie zu ehren. Das hatte Anke Schäferkordt nicht erwartet: Der Boxweltmeister Wladimir Klitschko übergab ihr im vergangenen November in New York den „International Emmy Directorate Award“ und kniete dabei auf der Bühne nieder.
Jetzt kämpfen die Klitschko-Brüder in der Ukraine und nicht mehr auf dem Fernsehschirm; Vitali Klitschko will bei den Präsidentschaftswahlen antreteten. Aber auch damit helfen sie Schäferkordt, der Vorstandsvorsitzenden von Europas größter privater Fernsehsendergruppe RTL – durch ihre Abwesenheit. Der Fernsehsender vermisst zwar die Kämpfe im Boxring, die RTL live überträgt, aber er spart sich dadurch Ausgaben und macht mehr Gewinn. „Das war der größte Kostensenker in der Produktion“, sagte Anke Schäferkordt am Donnerstag in Frankfurt, als sie gemeinsam mit Guillaume de Posch, dem anderen Vorstandsvorsitzenden von RTL, das Jahr 2013 bilanzierte. Statt fünf Boxkämpfen im Vorjahr zeigte RTL im vergangenen Jahr nur zwei. Mit ihrer Kostendisziplin und höheren Werbeeinnahmen retteten die deutschen Sender das Geschäft der gesamten Gruppe.

Kostendisziplin. Ein Wort, auf das sich die 51 Jahre alte Schäferkordt versteht. Als Controllerin stieg sie bei RTL Plus ein – und danach schnell auf. 1995 ging sie als Finanzvorstand zum kleineren Sender Vox, der auch zur RTL-Gruppe gehört. Von 1999 an leitete sie diesen und verhalf ihm zu größerer Reichweite. 2005 folgte der Wechsel zurück zum Muttersender RTL, nun als Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzende der deutschen Senderkette.
2012 stieg sie dann an die Spitze der Luxemburger RTL-Gruppe auf. Über die deutsche Sendergruppe hält sie weiter ihre Hand, da sie im Vorstand der Gruppe das Geschäft verantwortet, das für die besten Ergebnisse sorgt und mehr als die Hälfte zum operativen Gewinn der Gesamtgruppe beiträgt.
Ihr Kollege Guillaume de Posch, der früher für die Konkurrenz Pro Sieben Sat 1 gearbeitet hat, kümmert sich um die durchwachsenen Auslandsgeschäfte und die Produktionsgesellschaft Fremantle. Zusammen mit dem Finanzvorstand Elmar Heggen leiten sie zu dritt die Sendergruppe, deren Umsatz leicht auf rund 6 Milliarden Euro gesunken ist.
Das Geld geht an Bertelsmann
Mit der Leistung des Vorstands und der Dividende des Unternehmens scheint der Mehrheitseigner Bertelsmann zufrieden zu sein. Jedenfalls verlängerte er gerade Schäferkordts Vertrag im Bertelsmann-Vorstand bis 2019. De Posch sitzt dort nur im erweiterten Führungskreis.
Bertelsmann hält nach dem Verkauf von 17 Prozent für 1,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr noch etwas mehr als drei Viertel der Anteile an der RTL-Gruppe. Der Rest ist in Streubesitz. Die zum Anteilsverkauf gehörende Investorenbesuche haben Schäferkordt, de Posch und Heggen stets zusammen bestritten. Seitdem ist RTL auch an der Frankfurter Börse notiert.
Die Zukunft des Fernsehens
Wie andere Fernsehmacher wartet Schäferkordt jetzt darauf, wann und wie Netflix in den deutschen Markt kommt. In den Vereinigten Staaten hat die Internetvideothek für Furore gesorgt und mit der Serie „House of Cards“ mit Kevin Spacey Kritikerherzen gewonnen. Das Prinzip: Alle Folgen sind online verfügbar und können dann gesehen werden, wenn der Zuschauer will – also ganz anders als im linearen Fernsehen mit festen Sendezeiten, mit dem RTL Millionen verdient.
Der amerikanische Konkurrent dürfte dieses Jahr auf den deutschen Markt drängen, aber offiziell ist noch nichts bekannt. Schäferkordt erwartet nach eigener Aussage einen starken Wettbewerber, der vor allem Bezahlangebote treffen wird. Kurzfristig werde sich am linearen Fernsehen aber nichts ändern, gibt sie sich sicher. Sie wolle sich alles genau ansehen, wenn es soweit sei. Bis dahin aber plädiert sie fürs Abwarten – und beklagt, dass das Kartellamt ein gemeinsame Mediathek mit Pro Sieben Sat 1 im Internet gestoppt hat.
Doch auch ohne Netflix kommen ihre Sender unter Druck. Die Jungen schauen mehr Fernsehen im Internet. Nicht umsonst hat RTL die Altersgruppe für die Messung seiner Marktanteile von 14 bis 49 Jahre auf 14 bis 59 Jahre verändert. Doch selbst in diesem Rahmen fällt der Marktanteil in Deutschland seit zwei Jahren. Schäferkordt verweist zwar auf den Erfolg des neuen Senders RTL Nitro, für den sie allerdings nur einen geringen Marktanteil von 0,9 Prozent im vergangenen Jahr ausweist. Die Fernsehlandschaft zersplittert, die großen Sender verlieren Marktanteile.
Dass die Produktionskosten von RTL noch einmal wie im vergangenen Jahr dank der Klitschkos sinken, erwartet Schäferkordt für 2014 nicht. RTL hat teure Sportrechte eingekauft und wird die Qualifikationsspiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für die Europameisterschaft 2016 zeigen, die in der zweiten Jahreshälfte beginnen. Ein gute Quote ist sicher, ein schlechtes Geschäft auch. Denn Geld verdient RTL wegen der hohen Kosten damit nicht. Für Schäferkordt ist das ein Einzahlen auf die Marke RTL. Fehlt nur noch, dass für den nächsten Preis auch Bundestrainer Joachim Löw vor ihr niederkniet.
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