Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnt die Zeitungsverlage vor zu großen Einsparungen in den Redaktionen und verbindet dies mit der Einschätzung, dass für hochwertige Medieninhalte auch im Internet bezahlt werden wird. „Die Medienbranche ist nicht irgendein Gewerbe, sondern sie erfüllt in und für unsere Demokratie eine unverzichtbare Aufgabe“, sagte sie auf dem diesjährigen Zeitungskongress des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) am Montag in Berlin.
„Ich bin 60 Jahre alt, bei mir ist die Zeitung seit der Kindheit bekannt und seit der Einheit noch mehr beliebt.“ Zeitungen haben sich durch Qualitätsjournalismus ein hohes Vertrauen erarbeitet, sagte sie. Dieses müsse mit Investitionen in Journalismus erhalten bleiben. Die Digitalisierung habe für die Medien eine hohe Bedeutung, da sich immer mehr Menschen im Internet informieren. „Wenn sie hier die Qualität der klassischen gedruckten Zeitungen vorfinden, werden sie auch bereit sein, hierfür zu zahlen“, sagte die Kanzlerin. Durch das Internet steige die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Zeitungen noch weiter. „Bei der unendlichen Flut von Informationen wird die Einordnung noch wichtiger.“
Merkel verteidigte den gesetzlichen Mindestlohn gegen die Sorgen der Verleger. Helmut Heinen, Präsident des Zeitungsverlegerverbandes und Herausgeber der „Kölnischen Rundschau“, hatte zuvor den geplanten Mindestlohn von 8,50 Euro für Zeitungszusteller beklagt. Dies führe zwangsläufig zum Abbau von Arbeitsplätzen in der Zustellung. „Alle wohlmeinende Medienpolitik wird durch diesen arbeitsrechtlichen Kahlschlag im Zuverdienstjob Zeitungszustellung konterkariert“, sagte er. Merkel erwiderte, dass die Zeitungsbranche eine der wenigen Ausnahmen erhalten habe, da für Zeitungszusteller der Lohn nur stufenweise steigt. „Wir haben auf die Besonderheiten der Zeitungen Rücksicht genommen“, sagte sie.
Merkel versprach, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass der reduzierte Mehrwertsteuersatz in Deutschland auch für digitale Bücher, Zeitungen und andere elektronische Informationsmedien gilt. Bislang ist zwar auf gedruckte Zeitungen der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent zu zahlen, auf digitale Produkte fällt jedoch der normale Satz von 19 Prozent an. Verbandspräsident Heinen fordert den reduzierten Satz auch für digitale Zeitungen.
Die Kanzlerin lobte das deutsche Pressevertriebssystem, mit dem neutrale Pressegroßhändler Zeitungen und Zeitschriften für die Verlage an den Kiosk liefern. Der Hamburger Bauer-Verlag geht rechtlich gegen den Verband der Pressegroßhändler vor und könnte das System nach Ansicht von Beobachtern zum Wanken bringen. Um das zu verhindern, hatte die Regierung dem Wettbewerbsgesetz in der vergangenen Legislaturperiode eine Ausnahme hinzugefügt. Nun sagte Merkel, sie werde abwarten, ob diese Sicherung ausreicht oder ob es eine gesetzgeberische Flankierung braucht.
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Merkel schließt von sich auf andere - einer Kanzlerin sollte so ein Fehler nicht passieren.
Oder – am Ende gar kein Fehler, sondern langfristiges “vom Ende her denken”?
Sie „sei 60 Jahre und bei ihr sei die Zeitung seit der Kindheit bekannt und seit der Einheit noch mehr beliebt“. Mag ja alles stimmen, aber wen interessiert das? Die versammelten Zeitungsleute vernahmen solche Botschaft wohl nicht viel weniger gelangweilt, als die nicht anwesende Jugend. Die irrt inzwischen lieber gesenkten Kopfes durch die Straßen, den Blick auf die Smartphones geheftet, und hockt genauso gesenkten Kopfes simsend und twitternd in der Kneipe, anstatt angeregt miteinander zu diskutieren oder einfach Spaß zu haben. “Hab doch den Spaß mit meinem FB-Freund” ist dann die verständnislos gegebene Antwort, wenn man sich über solches Verhalten wundert.
Merkel fand es für notwendig, den Zeitungsleuten ein paar nette Worte hinzuwerfen. Wie eine Rentnerin den Tauben im Park ein paar Brosamen vor die Schnäbel wirft. Nichts anderes ist diese angedachte Mehrwertsteuerreduktion von 19 Prozent auf 7 Prozent für digitale Produkte. Eine nette Geste, mehr nicht.
Wenn es so weiter geht mit den Zeitungen, wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem die Zeitungen Subvention benötigen, um zu überleben. Wie Kohle und so vieles andere. Vielleicht hofft Merkel, dass diese Entscheidung nicht mehr in ihre Amtszeit fällt – obwohl das nicht so sicher ist. Denn – anders wie bei Kohle, die nur teuren Kohlenstaub aufwirbelt – produzieren Zeitungen Meinungen. Und Merkel – oder eine(r) ihrer Nachfolger könnte auf den Gedanken kommen: Wer zahlt, schafft an.
Bei Kohle führte das „Anschaffen“ zum Aus. Die letzte Zeche wird 2018 dicht gemacht. Bei Zeitungen könnte das umgekehrt laufen. Nicht schwer vorstellbar, dass der Politik bereits das Wasser im Mund zusammenläuft, bei dem Gedanken an das eine oder andere gebratene Täubchen aus Merkels Park…. Immerhin suchen dann 1,1 Milliarden Euro jährlich eine Neuverwendung. Die Lernkurve hat begonnen.
Den Jungen wird es nach wie vor ziemlich egal sein, die laufen weiter gesenkten Kopfes durch die Welt. Aber auch die werden eines Tages älter und können die winzigen Buchstaben auf den Displays nicht mehr entziffern. Und dann genau sind sie in der für Wahlerfolge immer wichtigeren Gruppe: Rentner und „ausgemusterte“ 50+ Hartzer! Die werden dann zwar kein Geld mehr für Abonnements haben, aber als Teil der staatlichen Aufstockung auf die Grundsicherung (so wie jetzt zu Wohnung und Heizen) wäre so ein Zeitungsabonnement ein ganz wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Demokratie. Natürlich einer „Demokratie“, wie sie derjenige versteht, der zahlt – und damit anschafft. Wie gesagt, die Lernkurve hat begonnen.
Doch Lernkurven betreffen immer ALLE Beteiligten einer Neuentwicklung. So ist zu hoffen, dass auch die Herausgeber von Zeitungen ihre Lektion lernen und den Stier namens „staatliche Subvention“ (so es denn dazu kommen sollte) wie geschickte Torreros durch die Arenen „leiten“.
Denn in Wahrheit kommen ja alle Gelder für Subventionen von den Steuerzahlern. Aber daran denkt schon heute kaum noch jemand. Und wenn es für die Zeitungen so weit sein sollte, haben die dann verrenteten oder hartzenden Ex-Simser, Ex-Googler und Ex-FBuckler dieses kleine Detail längst vergessen. Wäre somit eine Chance für gedruckte Zeitungen, den dann im “Dritten Lebensabschnitt” stehenden, einen “Dritten Bildungsweg” zu bieten.
Da bin ich aber beruhigt ... und wenn Sie Zeitungen für verzichtbar halten würde ?
Gäbe es dann morgen keine Presse mehr? Damit will ich zum Ausdruck bringen, wie nichtssagend diese Aussage “Kanzlerin Merkel hält Zeitungen für unverzichtbar” ist.