Medienwirtschaft

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Zeitschriften, Fernsehen, Internet: Wie sich die Welt der Medien dreht

Verleger Alfred Neven DuMont mäkelt an der Bundeskanzlerin herum

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Alfred Neven DuMont macht zwei Gegner aus und sieht, dass sich viele Politiker über Zeitungen ärgern.

In zehn Jahren kann viel passieren. In zehn Jahren ist auch viel passiert, wenn man Alfred Neven DuMont glaubt, dem Kölner Zeitungspatriarchen und Aufsichtsratsvorsitzenden von M. DuMont Schauberg. Vor zehn Jahren waren die Auflagen der deutschen Zeitungen und ihre Werbeeinnahmen noch höher. „Seitdem bröckelt es. Sie können machen, was Sie wollen“, ruft der 87 Jahre alte Neven DuMont den versammelten Zeitungsverlegern zu.

500 Verlagsmitarbeiter sind am Dienstag in Berlin zum Jahreskongress des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) gekommen. Mit 22 Millionen verkauften Zeitungsexemplaren, 44,5 Millionen Lesern der gedruckten Ausgaben und 31 Millionen regelmäßigen Besuchern der Internetseiten ist Deutschland laut BDZV der größte Zeitungsmarkt in Europa und der fünftgrößte der Welt. Neven DuMonts Verlag gibt den „Kölner Stadt-Anzeiger“, die „Berliner Zeitung“ und die „Hamburger Morgenpost“ heraus und hat nach einem Verlust von 112 Millionen Euro gerade wieder einen leichten Gewinn vorzuweisen. Im Saal sitzt Neven DuMont vorne auf der Bühne und erklärt, wie sich die Zeiten geändert haben. Die Zeitungen seien untereinander nicht mehr Wettbewerber, stattdessen macht er andere Gegner aus: Zum einem greift er die öffentlich-rechtlichen Sender mitsamt ihrer Nähe zur Politik an. „Die Streicheleinheiten werden dort verteilt“, sagt er. Zum anderen nennt er die Internetkonzerne Facebook, Google, Ebay und Twitter. „Alle nagen an unserem Topf.“ Doch das Kartellamt urteile noch nach einer alten Lehre, die es den Zeitungen erschwere, miteinander zu kooperieren und fortzubestehen. Er fordert Gespräche mit dem Kartellamt und der Politik, um dies zu ändern.

Für die Zeitungen bemängelt Alfred Neven DuMont mangelnde Unterstützung. Viele Politiker seien über Zeitungen verärgert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in seinen Augen zum Auftakt am Vortag eine „Sonntagsrede“ gehalten. Ihm missfällt es, dass sie am Mindestlohn von 8,50 Euro festhält, der schrittweise für Zeitungszusteller gelten soll, aber aus Sicht des Verlegerverbandes viele Arbeitsplätze kostet. Neven DuMont will nicht nachgeben. Er regt an, dass jeder Verleger mit jedem Bundestagsabgeordneten in seinem Gebiet Mittagessen geht und ihm seine Lage darlegt, so dass „wir damit im Parlament eine Stimmung erzeugen, die positiv ist“.

An noch länger zurückliegende Zeiten erinnert Alfred Neven DuMont, als er von den Anfängen der Zeitungen nach dem zweiten Weltkrieg berichtet. 1953 trat er ins Familienunternehmen in Köln ein und formte es zu einem der größeren Regionalzeitungshäuser in Deutschland. Damals habe es zwei Arten von Verlegern gegeben: Einerseits die jüngeren Verleger, die nach dem Krieg von den Allierten eine Zeitungslizenz erhalten hatten, und andererseits die Altverleger, die im Nationalsozialismus mindestens Mitläufer waren und später wieder ins Geschäft einstiegen. Zunächst habe es daher zwei Zeitungsverlegerverbände für die beiden Gruppierungen gegeben. Erst 1954 entstand der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger durch den Zusammenschluss der zwei Verbände, berichtet Neven DuMont. Die Verleger merkten, dass „wir nur durch eine geschlossene Vertretung unseres Berufstandes auf Dauer überleben würden können.“

Dirk Ippen, Verleger des Münchner Zeitungs-Verlags, stimmt Neven DuMont nicht ganz zu. Er hat sich nach und nach Lokalzeitungen zugekauft und gehört heute zu den größeren Verleger Deutschlands mit 22 Tageszeitungen von „Münchner Merkur“ bis „Fehmarnsches Tagblatt“. Das Kartellrecht war auf seiner Seite. „Ich hätte nie eine der Zeitungen kaufen können, wenn das Kartellamt nicht den mächtigeren Nachbarn dies verboten hätte“, sagt er auf dem Kongress. „Wir werden uns nicht dadurch uns retten, dass wir immer größer werden.“ Für ihn besteht Zeitung vor allem darin, eine menschliche Verbindung zum Leser zu erzeugen. „Viele sprechen von ihrer Zeitung, aber niemand spricht von meinem Internet oder meinem Radio“, sagt er. Subventionen des Staates lehnt er ab. „Die Staatsferne und Staatsdistanz müssen wir uns wirklich erhalten.“

Einen Blick in die Zukunft wirft Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE. Der Medienkonzern („Bild“, „Welt“) hat jüngst Regionalzeitungen und Zeitschriften für 920 Millionen Euro verkauft, um digital zu wachsen. Döpfner glaubt an elektronisches Papier, an sehr dünne, rollbare Bildschirme. Er berichtet auf dem Kongress vom einem Treffen mit dem Elektronikkonzern Samsung, auf dem er Prototypen eines solchen elektronischen Papiers gezeigt habe. Ihm gehe es nur noch darum, ob es ihm gelingt, den Zeitungsjournalismus vom analogen Papier zu emanzipieren.

Die Auflagen von vor zehn Jahren werden nicht mehr erreicht, sagt Neven DuMont. „Wir werden uns bei niedrigeren Auflagen einpendeln und höhere Preise verlangen müssen.“ Was er im Internet an Geld verdienen werde, wisse er nicht. „Wir sagen, wir wollen überleben“, sagt er und fügt in Richtung seiner im Saal sitzenden Tochter hinzu: „Nicht wahr, Bella?“ Da stimmt Isabella Neven DuMont dem Vater öffentlich zu. „Ich bin froh, dass ich sie habe“, sagt er. Sie sitzt seit 2011 im Vorstand des Unternehmens, nachdem sich ihr Vater mit ihrem Bruder, Konstantin Neven DuMont, öffentlich überworfen hatte. „Sie haben ja die Vergangenheit erlebt. Jetzt hat es auch ein gutes Ende gefunden“, sagt der Vater, […]. Zum Wichtigsten aber erklärt der Verleger, dass die Zeitungsverleger an ihr Geschäft glauben. „Wir möchten überleben“, endet er. Die versammelten Verleger stehen auf und applaudieren.

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2 Lesermeinungen

  1. E_Staack sagt:

    Jeder will überleben. Das kann man niemandem vorwerfen.
    In diesem Zusammenhang aber die Überlebensstrategie derjenigen, die keine ordentlich bezahlte Stelle bekommen, herabwürdigen? 8,50 Euro in der Stunde sind kein langfristig tragfähiges Einkommen für deutsche Kostenstrukturen. Das eigentliche Problem sind die mangelnden Einkommen der potentiellen Kunden. Die werden sich dann billigere Informationsquellen suchen um ihre Informationsbedürfnisse zu befriedigen.

  2. rossdorn sagt:

    Erfreuliche Entwicklung
    Wenn Döpfners und DuMonts so in die Zukunft blicken, dann freut einen das. Wer solche Produkte anbietet, wird vom Markt gefegt.

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