Nach der Auseinandersetzung mit der Regierung stellt RTL in Ungarn eine neue Geschäftsführung zusammen. Die Werbesteuer wird in Kürze deutlich gesenkt.
In Ungarn lief das Geschäft der RTL Group zuletzt schlecht. Eine neue Werbesteuer der Regierung Orbán belastete die Bilanz der größten privaten Fernsehkette Europas mit 95 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Jetzt stellt sich RTL in Ungarn neu auf und installiert eine Geschäftsführung aus einheimischen Kräften. Vorstandsvorsitzender von RTL Ungarn ist ab sofort Gabriella Vidus, die dort bislang das zur Gruppe gehörende Werbeunternehmen R-Time geleitet hat. Stellvertretender Vorstandsvorsitzender ist nun der bisherige Programmdirektor Péter Kolosi. Das gab die Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Luxemburg am Mittwochabend bekannt. Im März hatte RTL den bisherige Vorstandsvorsitzenden in Ungarn, Dirk Gerkens, von dessen Amt entbunden, der inzwischen nicht mehr für das Unternehmen tätig ist, und vorübergehend Andreas Rudas eingesetzt, der für die Tätigkeiten in Südosteuropa und Asien der RTL Group zuständig ist und sich darum weiter kümmert.
Rudas nannte seine Nachfolger an der Spitze von RTL Ungarn ein „junges und dynamisches Führungsduo“. Die 39 Jahre alte Vidus wurde im Jahr 2002 Verkaufsleiterin des Privatsenders RTL Klub und zwei Jahre später Geschäftsführerin der Tochtergesellschaft R-Time, der die Werbung vermarktet und dies auch für andere Sender wie Discovery erledigt. Der 43 Jahre alte Kolosi arbeitet seit dem Start von RTL Klub im Jahr 1997 für die Unternehmensgruppe. Er war zunächst Chefredakteur und Moderator eines täglichen Fernsehmagazins und ist seit 2001 Programmdirektor. Er bleibt weiter für die Programme von acht RTL-Sendern in Ungarn verantwortlich.
Die Werbesteuer belastete am stärksten den Luxemburger Medienkonzern, der mit RTL Klub den größten Privatsender Ungarns betreibt. Beobachter werteten das Regierungsvorgehen als Angriff auf den unliebsamen Fernsehkanal. RTL gab jedoch nicht nach, sondern brachte kritische Berichte über aufwendiger Lebensstil und Geschäfte von Regierungspolitikern. Die Unternehmensgruppe beklagte die neue Werbesteuer in Höhe von bis zu 50 Prozent als schlechtes Zeichen für ausländische Investoren und legte dagegen Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein.
In Gesprächen kamen sich beide Seiten näher. RTL hatte nach Informationen dieser Zeitung signalisiert, die Geschäftsführung in Ungarn wieder zu lokalisieren. Die Regierung wiederum kündigte eine geringere Werbesteuer an. Im Mai stimmte das Parlament in Budapest dafür, dass auf Werbeerlöse künftig nur noch eine Abgabe von 5,3 Prozent fällig wird, wenn die Einnahmen etwa einen Wert von 325.000 Euro übersteigen.
Mit einer geringeren Werbesteuer dürfte RTL in Ungarn wieder einen Gewinn erreichen. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen in dem Land jedoch einen operativen Verlust von 1 Millionen Euro (Ebita) nach einem Gewinn von 15 Millionen Euro im Jahr 2013. Das lag vor allem an der neuen Werbesteuer. Dadurch kam es zu Abschreibungen auf Firmenwerte von 77 Millionen Euro, die das Nettoergebnis um diesen Wert senkte. Insgesamt wurde die Bilanz der Gruppe durch das Ungarn-Geschäft mit 95 Millionen Euro im Jahr 2014 belastet. Der Buchwertverlust wird sich nach Angaben von RTL jedoch auch mit einer anderen Werbesteuer in Ungarn nicht mehr ändern lassen.
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