Medienwirtschaft

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Zeitschriften, Fernsehen, Internet: Wie sich die Welt der Medien dreht

Ab in die Höhle der Löwen: Gründer lernen jetzt im Fernsehen Laufen

Ein Privatsender setzt auf die Spannung des Geschäftslebens. Vor der Kamera werben Gründer um Geld, die Investoren feilschen, und Millionen Menschen schauen zu.

Gründer müssen viel einstecken können. Auch harte Worte. „Das ist Blödsinn“, hält Internetinvestor Frank Thelen den Jungunternehmern entgegen. „Ihr überschätzt euch“, findet Vural Öger, dessen gleichnamige Reisegruppe 250 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht. „Sehen Sie das Feuer da?“, fragt Jochen Schweizer, der als Erlebnisunternehmer Fallschirmsprünge und Bungeejumping anbietet: Ob er den Jungunternehmern die geforderten 200 000 Euro gibt oder ins Feuer schmeißt, macht keinen Unterschied, sagt er. Die Gründer wollen einen digitalen Assistenten im Smartphone erschaffen und haben sich dafür in „Die Höhle des Löwen“, eine Fernsehsendung, getraut. Kapital für ihr Startup kriegen sie hier aber nicht.

Hinfallen und wieder aufstehen: Frank Thelen (rechts) fährt durch die "Höhle der Löwen"© Vox/Bernd-Michael MaurerLernen fürs Leben: Frank Thelen (rechts) fährt durch die “Höhle der Löwen”

Am Anfang eines Unternehmens steht die Idee, kurz darauf kommt schon bald die Frage nach dem Geld. Wie finanziere ich meinen Betrieb, meine Dienstleistung, die Herstellung meines Produktes? Wer nicht eigenes Vermögen aufbringt oder einen Kredit von der Bank bekommt, klappert Investoren ab. Normalerweise läuft das hinter verschlossenen Türen ab. Einen Einblick in diese Welt verspricht die Fernsehsendung „Die Höhle des Löwen“. Dort sollen die Gründer in aller Kürze der Sendezeit fünf Investoren für ihre Idee begeistern, um ihnen eine Unternehmensbeteiligung zu verkaufen. Gerade hat der Kölner Privatsender Vox die zweite Staffel am Dienstagabend zur Hauptsendezeit um 20.15 Uhr gestartet. Zum Auftakt präsentierten Jungunternehmen Chips aus Wirsingkohl, ein Parfüm für die Toilette und einen Verschluss für Plastiksäcke mit Haltegriff. Der Sender ist damit erfolgreich und erreicht fast zwei Millionen Menschen, wenn Gründer um die Gunst und das Geld der fünf Investoren werben.

Manchmal hagelt es Kritik, oft kommt kein Geschäft zustande. „Das ist nicht immer alles perfekt, und Kenner haben berechtigte Kritikpunkte, aber es ist eine einmalige Chance, das Gründungsthema voranzubringen“, sagt der 39 Jahre alte Thelen. Sein jüngster Erfolg: Der amerikanische Internetkonzern Microsoft kaufte das Berliner Unternehmen 6Wunderkinder jüngst für einen dreistelligen Millionenbetrag, das Wunderlist, einen Internetdienst zur Verwaltung von Aufgaben, entwickelt hat und an dem auch Thelen beteiligt war.

Thelen investiert technologiegetrieben. Durch die Fernsehsendung geht er auch in andere Geschäftsfelder, in denen er sich weniger auskennt. Mit 18 Jahren gründete er sein erstes Unternehmen, das Software herstellte. Seither hat er sich immer an zahlreichen Technikunternehmen wie Kaufda oder Mytaxi beteiligt. Mit der zweiten Staffel hat er wieder fast eine Million Euro investiert. „Die erste Staffel hatte nicht die Qualität, die ich mir gewünscht hatte“, sagt Thelen. Jetzt wissen alle Seiten, worum es geht. Die Gründer sind besser vorbereitet und bieten spannendere Produkte. „Mir ist wichtig, dass wir Substanz liefern und echte Unternehmen aufbauen.“ Thelen will sich daran messen lassen, ob nennenswert Arbeitsplätze entstehen.

Lencke Steiner und Jochen Schweizer überlegen sich eine Investition.© Vox/Frank W. HempelLencke Steiner und Jochen Schweizer überlegen sich eine Investition.

Die Gründerzeit ist nur im Fernsehen angebrochen. In Deutschland halten sich angesichts der hohen Beschäftigung die Gründer zurück. Von einer Gründungsmisere spricht DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Um zum Kern der Sendung vorzudringen, muss der Zuschauer die Inszenierung der Fernsehmacher aushalten. Im Vorspann sehen die Investoren aus wie Darsteller einer Vorabendserie. Die Aufmachung vernebelt die Ernsthaftigkeit der Sendung, in der die Investoren echt sind und ihr persönliches Vermögen einsetzen. „Die Show dient der Unterhaltung und ist doch erstaunlich nah an der Wirklichkeit“, sagt der 58 Jahre alte Jochen Schweizer. Der frühere Stuntman hat sich mit Fallschirmsprüngen und Bungeejumping eine Unternehmensgruppe aufgebaut, die Erlebnisse zum Verschenken verkauft. Er hat sich an den Wirsingchips beteiligt und in der zweiten Staffel einen siebenstelligen Betrag ausgegeben, aber investiert auch abseits der Sendung. „Bei der ,Höhle der Löwen‘ bekommen die Gründer die Möglichkeit, dass ich mich persönlich mit ihnen auseinandersetze, sonst bekommen dies nur drei Prozent der Bewerber.“

Gern erzählt er die Geschichte, als Vural Öger die Geschäftspläne eines Reiseveranstalters auseinandernahm. Schweizer investierte dann in die beiden Gründer, weil er sie mochte. In der Sendung spricht er von der Hummel, die fliegt, obwohl sie es nach allen bekannten Regeln gar nicht könnte. „Ich investiere jetzt und bringe euch in die Luft“, sagte er zu den zwei Gründern. Öger sagte ihm danach, dass er das Geld auch in die Tonne treten könne. Nein, findet Schweizer, schlimmstenfalls hat er das Geld ausgegeben, um zwei tolle Gründer in seine Mannschaft zu holen. Nachher wird ihm klar: Der Reisekenner Öger hatte recht. Schweizer bastelte mit den Gründern am Geschäftsmodell herum, bis diese Geld verdienen. „Ich investiere in Menschen“, sagt er.

Frank Thelen© Vox/Bernd-Michael MaurerFrank Thelen

Doch nicht jedes Geschäft aus der Sendung kommt tatsächlich zustande. Erst nach dem ersten Treffen vor den Kameras folgt eine Prüfung des Unternehmens. Wenn Angaben nicht stimmen, wird nachverhandelt, oder die Investition kommt nicht. Von Jochen Schweizer haben vier von sieben Investitionen in der ersten Staffel funktioniert. Auch Thelen zog sich von Vereinbarungen zurück.

Die Sendung lohnt sich für alle. Die Investoren erhalten Öffentlichkeit. Die Gründer bekommen im Erfolgsfall neues Geld und neue Partner. In jedem Fall präsentieren sie ihrem Geschäft einem großem Publikum. Nach der Sendung steigen die Zugriffszahlen auf deren Angebote. Ein Erfinder scharfer Soßen, der mit den Investoren keine Beteiligung verabredete, verkaufte so nach dem Fernsehauftritt wesentlich mehr.

Neben Thelen, Öger und Schweizer sitzen Teleshopping-Verkäuferin Judith Williams und Unternehmerin Lencke Steiner in der Investorenrunde. Die 29 Jahre alte Steiner ist Geschäftsführerin im Familienunternehmen W-Pack Kunststoffe, wurde vor drei Jahren Vorsitzende der Verbandes der Jungen Unternehmer und kürzlich zur FDP-Fraktionsvorsitzenden in Bremen gewählt. Ihr wird manchmal vorgeworfen, selten zu investieren. „Ich bin oft vorsichtig gewesen“, sagt sie. „Die Gründer müssen mich mit ihrer Geschäftsidee komplett überzeugen.“ Steiner fordert ein bessere Gründungsklima und ein Schulfach Wirtschaft. „Was deutlich herüberkommt, ist, dass eine gute Idee alleine nicht ausreicht“, sagt sie. „Die vielen kritischen Fragen von uns Löwen zeigen, dass hinter einen Vision auch ein sehr gut durchdachtes Geschäftskonzept stehen muss.“

Lencke Steiner© VoxLencke Steiner

Spannend wird die Sendung immer, wenn mehrere Investoren einsteigen und sich das Spiel umdreht: Dann werben Finanziers im Jagdfieber um den Gründer. Sie wollen das Geschäft zu ihren Konditionen und ärgern sich über die Konkurrenz. Verlieren mag keiner, sagt Steiner. Am Ende der ersten Folge werben Schweizer und Thelen um einen Hersteller von Skateboards. Investor Thelen setzt sich durch. In seiner Jugend war er selbst Skater. Das hat ihn auch das gelehrt, worauf es als Gründer ankommt und wie Kinder das Laufen lernen: hinfallen und wieder aufstehen.

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