Vor Gericht hatte sich Bauer stets durchgesetzt. Doch nun stellt sich der Bundesgerichtshof auf die Seite der Vielfalt. Zum Schluss behalten die Pressegroßhändler Recht.

Der Hamburger Bauer-Verlag hat es auf dem Rechtsweg nicht geschafft, den deutschen Pressevertrieb umzubauen. Der Bundesgerichtshof wies am Dienstag die Klage von Bauer gegen den Bundesverband Presse-Grosso ab, mit der dieser statt zentralen Verhandlungen einzelne Absprachen mit jedem Pressegroßhändler einforderte. Andere Verlage, die Großhändler und die Politik befürchteten, dass ein Erfolg für Bauer die Pressevielfalt gefährdet.
Das zentrale Verhandlungsmandat ist geeignet, einen flächendeckenden und diskriminierungsfreien Pressevertrieb zu gewährleisten, teilte nun das Gericht in Karlsruhe mit. Bei seinem Wegfall liegt es nicht fern, dass große Verlage bessere Preise und Konditionen durchsetzen können, so dass die Vertriebskosten kleinerer Verlage steigen. „In der Folge könnten sich für kleinere Verlage und unrentable Verkaufspunkte, vor allem in ländlichen Gebieten, schlechtere Vertriebskonditionen ergeben, so dass der Vertrieb von Nischenprodukten oder die Belieferung unrentabler Verkaufspunkte längerfristig gefährdet wird“, urteilt das Gericht. Daher sei die Ausnahmevorschrift im Wettbewerbsgesetz (GWB) nicht zu beanstanden – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Bedeutung einer pluralistischen und möglichst umfassend vertriebenen Presse. Um den neutralen Vertrieb und die Pressevielfalt zu sichern, hatte 2013 alle Bundestagsparteien die zentralen Verhandlungen im Pressegroßhandel mit dem GWB befürwortet.
Der Grosso-Verband zeigt sich mehr als froh über die Entscheidung. „Das Urteil ist ein Meilenstein für unsere bunte deutsche Medienlandschaft“, sagte Verbandspräsident Frank Nolte direkt nach der Verkündung. „Es sichert den freien Marktzutritt für alle Verlage zu vergleichbaren Bedingungen.“ Er hob hervor, dass Rechtssicherheit für alle geschaffen sei.
Bauer will die Konsequenzen in den nächsten Tagen prüfen. „Wir sehen das Urteil als eine Fehlentscheidung an“, sagte Andreas Schoo, Konzerngeschäftsleiter der Bauer Media Group. Bauer („Bravo“, „Tina“, „Closer“) hatte sich in den Vorinstanzen noch durchgesetzt: Das Landgericht Köln gab im Februar 2012 der Klage statt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies zwei Jahre später die Berufung dagegen ab. Doch das Oberlandesgericht sah dies aufgrund europäischer Bestimmungen nicht als bindend an. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshof in Karlsruhe hob nun das Urteil des Oberlandesgerichts auf und änderte das Urteil des Landgerichts (Az.: KZR 17/14). Bauer trägt als Klägerin die Kosten des Rechtsstreits.
Im Pressevertrieb sorgte das Verfahren für Auseinandersetzungen bis ins Blickfeld der Politiker hinein. Der Bundestag stellte sich nach erfolglosen Vermittlungsversuchen auf die Seite der Pressegroßhändler und der anderen Verlage. Nun stärkt der Bundesgerichtshof das zentrale Verhandlungsmandat des Bundesverbandes. Der Bundesverband kann damit weiter für die 60 Pressegroßhändler mit den Verlagen über die Bedingungen verhandeln, unter denen die Großhändler als neutrale Instanz die Zeitungen und Zeitschriften an die 113.000 Einzelhändler in Deutschland ausliefern. Der Endverkäufer und der Großhändler erhalten für jede Zeitschrift einen festen Teil des Verkaufspreises, der sich nach der verkauften Auflage und dem Erscheinungsintervall des Titels richtet. Durch das zentrale Verhandlungsmandat des Verbandes sollen alle Beteiligten die gleichen Konditionen bekommen und jede Publikation den Marktzugang ins Presseregal erhalten können.
Kleinere und mittelständische Verlage befürchten, dass sich ein Großverlag wie Bauer, wenn dieser einzeln mit den Großhändler verhandelt, für seine Publikationen bessere Preise und vor allem bessere Platzierungen am Kiosk erhalten könnte. Das würde den Wettbewerb um den Leser am Presseregal einschränken. Kleinere und mittlere Titel hätten es dann schwerer, ins Blickfeld der Kunden zu kommen.
Der Pressegroßhandel verkauft etwa 2 Milliarden Exemplare von Zeitungen und Zeitschriften im Jahr, steht aber durch sinkende Zeitschriftenauflagen unter Kostendruck. In den vergangenen Jahren haben sich daher zahlreiche Großhändler zusammengeschlossen. Im vergangenen Jahr sank der Umsatz um 4,1 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro (Presse zu Abgabepreisen ohne Mehrwertsteuer). Der Bauer-Verlag spürt den Rückgang: Der Gesamtumsatz der Bauer Media Group ging im vergangenen Jahr um etwa 2,5 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro zurück. Der Vertriebsumsatz mit Auslandsgeschäften sank um mehr als 5 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro.
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