Die Bundeskanzlerin stellt den Zeitschriftenverlagen Hilfe in Aussicht und wirbt dazu auch für das Freihandelsabkommen mit Amerika.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Hilfe für eine verstärkte Zusammenarbeit von Verlagen zugesagt. Die Bundesregierung prüft eine Regelung, die den gemeinsamen Verkauf von Werbung erleichtern und das Kartellrecht einschränken soll. Auch tritt sie für einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf digitale Verlagsangebote ein. Das sagte Merkel auf dem Jahreskongress des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) am Montag in Berlin. Sie wies gleichzeitig darauf hin, dass Deutschland in vielen rechtlichen Fragen auf Europa angewiesen ist. Auch stößt die Regierung für eine verbesserte Kooperationen zwischen den Verlagen auf europarechtliche Regelungen, die diesem im Weg stehen.
Von den Klagen über das Kartellrecht berichtete Hubert Burda, VDZ-Präsident und Verleger der Hubert Burda Media Holding („Focus“, „Bunte“): Zu häufig fällt es den Zeitschriftenverlagen schwer, wenn diese im Vertriebsgeschäft oder im Anzeigenverkauf zusammenarbeiten wollen. Allerdings genehmigte das Bundeskartellamt im Juni die Anzeigenallianz zwischen Axel Springer SE („Bild“, „Welt“) und der Funke Mediengruppe („Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, „Hamburger Abendblatt“), die ein Gemeinschaftsunternehmen für den Werbeverkauf betreiben.
Verleger Burda forderte gleiche Rahmenbedingungen im digitalen Wettstreit mit den amerikanischen Internetunternehmen. Neben dem Wettbewerbsrecht nannte er dabei das Urheberrecht und den Datenschutz. „Es geht nicht um Protektionismus, wir wollen nur die gleichen Möglichkeiten mit den Daten umzugehen“, sagte er. „Das wird die Zukunft sein.“
Bundeskanzlerin Merkel warb daher um das Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der EU (TTIP), da in Verhandlungen eben gerade gleiche Regeln für die Unternehmen entstehen und den Verlagen so helfen können. Die Chance sei es, in einem großen Wirtschaftsraum Standards zu definieren, an denen andere nicht vorbeikommen. „Das Handelsabkommen kann Geschichte schreiben“, sagte sie. „Wir würden einen Riesenfehler machen als Europäer, wenn wir blocken und nicht bereit sind.“
Merkel verwies auch auf die geplante Datenschutzverordnung in der Europäischen Union: In den Schlussverhandlungen müsse aufgepasst werden, dass Datenschutz nicht die Oberhand über die wirtschaftliche Datenverarbeitung gewönne. „Daten sind die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts“, sagte Merkel. „Das wird unsere Welt erheblich verändern.“
Kanzlerin #Merkel verspricht Hilfe für Zusammenarbeit von Verlagen und ermäßigte Steuer für Digitales #VDZPS15 pic.twitter.com/eK4PiVSuN6
— Jan Hauser (@jan_hauser) 2. November 2015
Merkel versprach abermals einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für digitale Zeitungen und Zeitschriften, der für gedruckte Ausgaben gilt. „Es kann nicht das entscheidende Kriterium sein, ob ein Text nun gedruckt oder digital sein muss“, sagte sie. Sie werbe in Brüssel dafür. Dies hatte sie auch vor einem Jahr auf der Tagung des Zeitungsverlegerverbandes gesagt. Nun fügte sie hinzu, dass EU-Kommissionspräsident Juncker auch dazu bereit sei. Bislang ist zwar auf gedruckte Zeitungen der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent zu zahlen, auf digitale Produkte fällt jedoch der normale Satz von 19 Prozent an.
Kanzlerin Merkel sprach in ihrer Eröffnungsrede nicht von der Flüchtlingskrise, die sie am Vortag noch mit dem Koalitionstreffen beschäftigt hatte. Hingegen redete Verleger Burda darüber und lobte Merkel: „Es sind Bilder um die Welt gegangen, die uns Deutsche in so schöne Hilfsbereitschaft zeigen.“ Für eine Nation sei es wichtig, dass sie von den anderen als hilfsbereit wahrgenommen werde.
Mehr im Blog:
Bauer-Verlag erleidet Niederlage: Gericht weist Klage gegen Pressegroßhandel ab
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat das schönste Presseregal im Land?
Zeitungen bauen digital an: 120 Titel mit Bezahlangeboten im Internet
Vielfalt statt Diktat: Pressegroßhändler wehren sich gegen Bauer-Verlag
Bezahlen im Netz: Zeitungsverlage steigern ihr Digitalgeschäft
Verlegerverband bemängelt Aufsicht von ARD und ZDF: „So funktioniert doch keine effektive Kontrolle“
Anzeigenallianz freigegeben: Springer und Funke dürfen zusammen Werbung verkaufen
Funke-Mediengruppe macht weniger Umsatz und weist Konzernverlust aus
Der Mindestlohn trifft die Zeitungszusteller
Kooperation gegen Google: Verlage arbeiten enger zusammen
Zeitschriftenverleger setzen auf digitale Bezahlkultur
Verleger Alfred Neven DuMont mäkelt an der Bundeskanzlerin herum
Kanzlerin Merkel hält Zeitungen für unverzichtbar
Bundespräsident macht Mut: Verlage wollen Digitalgeschäft an sich reißen
________________________________________________________
F.A.Z.-Blog Medienwirtschaft www.faz.net/medienwirtschaft
Twitter: www.twitter.com/jan_hauser
Wo ist Herrn Burdas Realitätssinn?
Ich kann zwar nur für meine niederländischen Landsleute sprechen. Die jedenfalls sind keineswegs von Frau Merkels Hilfsbereitschaft beeindruckt. Je nach Temperament finden sie die Selfies der Kanzlerin mit Flüchtling und ihre Politik der letzten Monate bizarre, dumm oder gar gefährlich.
Merkel und der Datenschutz
Mich hat es noch nie interessiert, ob z.B. Italien als hilfsbereit gilt. Mich interessiert eher, was mit meinen Daten geschieht, die Merkel ja schon bei der Eröffnung des Bosch-Campus zur Disposition stellte:
„Unser Verhältnis zu Daten ist in vielen Fällen zu stark vom Schutzgedanken geprägt (…) und vielleicht noch nicht ausreichend von dem Gedanken, dass man mithilfe von Daten interessante Produkte entwickeln kann. Mit einer falschen Gewichtung entsteht aber auch die Sorge, dass durch Digitalisierung einerseits Arbeitsplätze wegfallen und auf der anderen Seite nicht genügend neue Arbeitsplätze entstehen. Deshalb muss das ‚Data Mining’ (…) die Erhebung und der Umgang mit großen Datenmengen, etwas werden, das sozusagen ein Hoffnungssignal sendet.“
Und heute „Daten sind die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts“, sagte Merkel. „Das wird unsere Welt erheblich verändern.“
Und das führt zu keinem Aufschrei in der Presse oder in diesem Blog? Ich fasse es wirklich nicht mehr.