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Zeitschriften, Fernsehen, Internet: Wie sich die Welt der Medien dreht

Kalter Krieg? Nein, danke

RTL hat eine hochgelobte Serie aus Deutschland in mehr als 20 Länder verkauft. Doch ausgerechnet deutsche Zuschauer schalten kaum noch ein. Der Produzent von „Deutschland 83“ sieht Werbung als Hürde.

Neue Serie: "Deutschland" läuft allerdings erst im Herbst an.© RTLSpion in geheimer Mission

Jeden Morgen erwarten die deutschen Fernsehmacher gespannt auf die Einschaltquoten des Vortags. Für die Verantwortlichen des privaten Fernsehsenders RTL war dies am Freitag kein Vergnügen. Die mit großen Hoffnungen gestartete Serie „Deutschland 83“ um einen ostdeutschen Spion in einer westdeutschen Kaserne zog im Laufe von vier Doppelfolgen immer weniger Zuschauer an.

Die erste Folge erreichte zumindestens noch 3,2 Millionen Menschen, doch zum Finale am Donnerstag schauten nur noch 1,6 bis 1,7 Millionen Menschen zu. Dabei sollte die Sendung zu einem Fernsehereignis werden und zur neuen Strategie des Fernsehsenders beitragen, der verstärkt auf Eigenproduktionen setzen will, um ein breites Publikum zu erreichen. Jetzt läuft die Auswertung in der RTL Group, Europas größer privater Fernsehkette mit Sitz in Luxemburg, woran dies gelegen hat und was es für das Fernsehgeschäft bedeutet.

Der Produzent Jörg Winger hat die Serie zusammen mit seiner Frau Anna Winger, der Autorin, erschaffen. „Wir sind an einer Zeitenwende im Fernsehen“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Winger arbeitet für das Potsdamer Produktionsunternehmen Ufa Fiction, die „Deutschland 83“ für RTL hergestellt hat. Das Unternehmen ist die deutsche Tochtergesellschaft von Fremantle Media, die ebenfalls zur RTL Group gehört und sich um den internationalen Verkauf der Serie kümmert. Die deutsche Serie ist damit gleichzeitig auf vielen Geschäftsfeldern für RTL wichtig. Für das M-Dax-Unternehmen, an dem Bertelsmann die Mehrheit hält, trägt das Deutschlandgeschäft einen Großteil zum operativen Gewinn bei und steigerte diesen zuletzt. So zeigte Anke Schäferkordt, die Co-Vorstandsvorsitzende der RTL Group, auf der Jahrespressekonferenz auch vorab Filmausschnitte von „Deutschland 83“.

Produzent Winger vermutet, dass sich ein Wandel im Fernsehkonsum bemerkbar macht. „Wir können uns auch vorstellen, dass begeisterte Zuschauer sich nach zwei Folgen sagen: Ich schaue weiter, aber das mache ich, wann und wo ich will“, sagt er. Zu diesen Zuschauerströmen zu anderen Anbietern ins Internet kennt er noch keine Details. Ähnlich hatte sich auch RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann im Gespräch mit dieser Zeitung geäußert: Wenn Zuschauer nach der ersten Folge eine Serie sehen wollen, holen sie sich diese oft selbst im Netz, hat er beobachtet.

Nach Angaben des Senders erhielt die Serie auf der Internetplattform „RTL Now“ zusammen etwa 1 Millionen Videoabrufe. Das werten die Kölner als nicht wenig, aber auch als nicht berauschend. Der Sender will an der Ausrichtung auf Eigenproduktionen festhalten und setzt auf neue Filme wie die gerade abgedrehte Neuverfilmung von „Winnetou“.

„Deutschland 83“ lief zuerst in den Vereinigten Staaten und dort zur Zufriedenheit der Beteiligten an, dann sammelte die Serie Preise und erhielt gerade vier Nominierungen für den Deutschen Fernsehpreis. Sie verkaufte sich schon in mehr als 20 Länder – doch die deutschen Zuschauer zog das nicht an. „Für viele Zuschauer, die diese Art von Serie lieben, sind Werbeunterbrechungen eine größere Hürde, als ich vorher vermutet hätte“, sagt Wenger. Vielleicht sei es auch eine Art Eskapismus angesichts der Terroranschläge in Paris, dass viele Zuschauer sich nicht mit dem Kalten Krieg der achtziger Jahre in einer Serie beschäftigen wollen.

Auch amerikanische Serien wie „House of Cards“ oder „Homeland“ bekommen oft zwar viel Anerkennung, erreichen dafür dann aber nicht die Masse hierzulande. „Der amerikanische und andere Fernsehmärkte sind nicht mehr so sehr an der Quote selbst interessiert“, berichtet Winger. Es geht vielmehr darum, am Anfang eine Debatte zu starten, um ins Gespräch zu kommen. Und eine lebendige Debatte ist das beste Zeichen für einen langfristigen Erfolg beim Zuschauer. So veröffentlicht der amerikanische Internetfilmdienst „Netflix“ seine Zuschauerzahlen nicht.

Allerdings lobt Winger auch RTL dafür, dass der Sender die Serie überhaupt ermöglicht hat und den Mut dazu hatte. Denn international scheint „Deutschland 83“ gefragt und läuft im Januar auf guten Sendeplätzen in England und Frankreich. Dann wird innerhalb der Unternehmen der RTL Group die Entscheidung über eine Fortsetzung getroffen. Ausschlagend soll die Auswertung auf der Welt sein. Der Erfolg der deutschen Serie hängt damit vom Abschneiden im Ausland ab.

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