Die RTL-Mediengruppe startet das neue Digitalangebot „TV Now“ für sechs Sender. Für mehr Inhalte und Funktionen soll der Nutzer dabei zahlen. Besonders wirkt sich das auf die tägliche Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ aus.

Der Zuschauer wird für das Internetprogramm der RTL-Mediengruppe hierzulande künftig mehr zahlen müssen, um eine bessere Bildqualität, mehr Inhalte und mobile Möglichkeiten zu erhalten. An diesem Dienstag startet das Kölner Fernsehunternehmen im Laufe des Tages das gemeinsame Internetangebot „TV Now“ für die sechs Privatsender RTL, Vox, RTL II, RTL Nitro, Super RTL und N-TV. In der Grundvariante ist der Abruf der Fernsehinhalte werbefinanziert und kostenlos, aber in der Plus-Version zahlt der Zuschauer mehr als bisher. „Wir brauchen eine größere Produktdifferenzierung, damit der Zuschauer für mehr Funktionen auch zu zahlen bereit ist“, sagt Marc Schröder, Geschäftsführer RTL Interactive, der die strategische Unternehmensentwicklung der Mediengruppe verantwortet, im Gespräch mit dieser Zeitung.
RTL erhofft sich eine größere Reichweite, dadurch steigende Werbeerlöse und mehr Einnahmen auch von den Zuschauern selbst. Die Plus-Variante für 2,99 Euro im Monat umfasst eine höhere Bildauflösung, ein Archiv, weniger Werbung und eine mobile Nutzung. Manche Sendung darf der Zuschauer zudem schon vor der Ausstrahlung sehen.
RTL macht Schluss mit den einzelnen Angeboten für jeden Sender und wird auch einzelne Anwendungen für Smartphone und Tabletcomputer streichen, die mit den Apps „RTL Now“, „Vox Now“ und „RTL II Now“ jeweils 1,79 Euro im Monat kosten. Wer alle drei Sender abonniert hatte, zahlt mit dem neuen Angebot weniger als bisher. Dieser Kreis dürfte jedoch überschaubar sein. Wer hingegen von „RTL Now“ auf „TV Now Plus“ umsteigt, erhält künftig zwar mehr Inhalte, aber wird auch deutlich mehr als bisher zahlen müssen. Zu den Nutzerzahlen macht RTL keine Angaben. Den digitalen Neustart wird die Mediengruppe am Dienstag verkünden.
Das Angebot ist zwar weiter auf die Sender und deren Liveprogramm ausgerichtet, aber durch das Archiv in der kostenpflichtigen Version bedeutet dies auch eine Annäherung an digitale Mediatheken wie „Netflix“ (mindestens 7,99 Euro im Monat), „Watchever“ (8,99 im Monat) oder „Amazon Instant Video“ (49 Euro im Jahr), die ebenfalls Filme und Serien auf Abruf anbieten. Im RTL-Archiv finden sich die Autoexplosionen der Actionserie „Alarm für Cobra 11“ von der vierten Staffel an sowie auch alle Folgen von „Der Lehrer“ und „Doctor’s Diary“.

Eine besondere Rolle im RTL-Universum spielt die Vorabendserie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (GZSZ), die seit 1992 wochentags läuft und die rund drei Millionen Menschen einschalten. Bisher war die Sendung in den Internetangeboten von RTL nicht enthalten, sondern kostete 99 Cent je Folge extra. Diese Zeiten ändern sich jetzt: Mit „TV Now“ dürfen auch Online-Zuschauer die täglichen Dramen ohne Zusatzentgelt sehen. „Anfangs waren wir sicher noch vorsichtig und fürchteten die mögliche Substitution der linearen Nutzung“, sagt Schröder. Jetzt erwartet RTL mit dem breiteren Online-Angebot einen Nutzeranstieg, damit höhere Werbeeinnahmen und in der Summe eher einen Gewinn. „Wir sind davon überzeugt, dass sich das jetzt rechnet, weil wir nicht nur GZSZ-Fans, sondern insgesamt mehr Kunden ansprechen.“ Wer noch für die Plus-Version zahlt, kann die Folgen der Serie sogar einen Tag vor der Ausstrahlung sehen.
Peilt RTL im Internet mehr Einnahmen durch Werbung oder durch zahlende Zuschauer an? „Wir erwarten nicht von einem mehr, sondern versuchen beide Erlösströme auszubalancieren“, sagt Schröder. Das traditionelle Geschäftsmodell sieht er durch die digitalen Kanäle nicht gefährdet: Die Fernsehnutzung verlaufe weiter stabil, und die Internetangebote kommen obendrauf. „Eine Nutzungsminute in unserem Internetangebot ist genauso gut wie eine Minute im klassischen Fernsehen.“ Im Internet ergeben sich sowohl Einnahmen durch Werbung als auch von den Zuschauern direkt, und somit erweitert sich für RTL der Fernsehmarkt durch den digitalen Ausbau. „Für uns ist jeder zahlende Kunde ein Gewinn“, sagt Schröder. Er spricht von einem technischen Zugangsentgelt, um Übertragungskosten, Betrieb und Entwicklung zu bezahlen. Lizenzrechte seien in erster Linie durch Werbung finanziert, die auch in der kostenpflichtigen Version sichtbar sein wird. Im vergangenen Jahr erzielte die RTL-Mediengruppe in Deutschland ihre 1,14 Milliarden Videoabrufe zur Hälfte durch die Internetangebote unter dem „Now“-Titel.

Innerhalb der RTL Group, Europas größter privater Fernsehkette, zu dem die deutsche Mediengruppe gehört, sind die Zahlungen für Inhalte zuletzt angestiegen: Die Einnahmen aus Abonnements und Übertragungsgebühren haben sich im Jahr 2014 um 19 Prozent auf 220 Millionen Euro erhöht. So zahlen Fernsehzuschauer unter anderem extra für hochauflösendes Fernsehen an ihre Kabelnetz- oder Satellitenbetreiber, die dafür wiederum Gebühren an die Sender weiterreichen. Bei einigen Kabelnetzbetreibern sind zudem Sendungen von RTL auch auf Abruf nach der Ausstrahlung abrufbar. Die Luxemburger RTL Group, die zu 75,1 Prozent im Besitz des Gütersloher Medienkonzerns Bertelsmann sind, wird am 10. März die Zahlen für das vergangene Jahr vorlegen. Neben der hiesigen RTL-Mediengruppe, die wesentlich zum Gewinn des Gesamtkonzerns beiträgt, gehören Fernsehsender in Frankreich, Belgien, Niederlande, Spanien und Ungarn sowie Produktionsgesellschaften wie Fremantle Media und Ufa in Potsdam zum im M-Dax notierten Konzern.
Die Zusammenfassung der Fernsehinhalte in einem gemeinsamen digitalen Gewand geht einen Schritt auf den Wandel der Sehgewohnheiten zu. Jeder kann überall Fernsehen schauen und sich sein eigenes Programm zusammenstellen. Reicht das? Weitere Inhalte wird es dort nicht geben. Neuerscheinungen sind bislang nicht angedacht und Programme der ausländischen Sender der RTL Group tauchen nicht auf. „Der Fernsehgeschmack ist von Land zu Land sehr unterschiedlich“, sagt Schröder. Auch ist dies eine rechtliche Frage, da die Lizenzen für einzelne Länder vergeben werden.
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