Viele Unternehmer bauen auf eine Stiftung, um ihr Erbe zu sichern. Folgt das Modell auch im Medienkonzern Axel Springer? Die Vorbereitungen laufen.

Friede Springer, Verlegerwitwe und Gesellschafterin des Medienkonzerns Axel Springer SE, bereitet ein Stiftungsmodell vor, um ihre Unternehmensanteile als Erbe in einer Stiftung zu bewahren. Sie geht damit einen Weg, den schon häufiger Unternehmer beschritten haben, damit ihr Unternehmen nach dem Ableben bestehen bleibt. Dadurch stellt sich die Frage, wer eines Tages im Konzern mit einem Umsatz von drei Milliarden Euro und den Marken „Bild“, „Welt“ und „N24“ das Sagen haben wird, das an diesem Donnerstag die Geschäftszahlen für das Jahr 2015 vorlegen wird. Wie funktioniert ein Zusammenspiel zwischen Unternehmen und Stiftungen, und was bringt es?
Die Vorteile einer Stiftung kennt Hans Fleisch. Der Geschäftsführer der Ludwigshafener Lipoid-Stiftung berät Unternehmer in diesen Fragen. „Unternehmen in Stiftungshand sind sehr stabil“, sagt er. Dann zählt er Pluspunkte auf: Die Perspektive der Stiftung ist langfristig, daher werden Gewinne überproportional ins Unternehmen und dessen Zukunft reinvestiert. Es gibt keine Schädigung durch einen Erbenstreit. Die Bindung an den Standort ist enger, weil die Stiftung ihren Sitz kaum ins Ausland verlagern könne.
Als Friede Springer vor fünf Jahren die Friede-Springer-Stiftung einrichtete und mit 80 Millionen Euro ausstattete, sprach sie darüber, wie es mit ihren Anteilen am Medienkonzern weitergeht. Ob sie vorhabe, nach ihrem Tod ihr gesamtes Vermögen in die Stiftung fließen zu lassen, auch die Aktien des Springer-Konzerns? „Das habe ich bewusst noch nicht entschieden“, sagte die fünfte Frau und Erbin des Verlagsgründers Axel Springer im Jahr 2011 der hauseigenen „Welt am Sonntag“. „Die Stiftung ist mir sehr wichtig. Viel mehr aber liegt mir das Wohl des Verlages am Herzen. Mein größter Wunsch ist, dass alles so bleibt wie bisher. Dafür werde ich kämpfen. Ich werde sicherstellen, dass es auch nach meinem Tod bei der Mehrheit am Hause bleibt.“
Für die 73 Jahre alte Erbin geht es um ihre Nachfolge. Ihr Ziel ist der Erhalt des Unternehmens und der Konzernmehrheit. Der Stiftungsplan, den derzeit Anwälte prüfen, sorgt für Unruhe: Der Vorstand befürchtet, dass die Berliner Rechtsanwältin Karin Arnold, eine Vertraute der kinderlosen Friede Springer, als Stiftungschefin die Möglichkeiten zu Eingriffen hätte – bis hin zur Besetzung einzelner Vorstandsposten, wie diese Zeitung exklusiv berichtet hatte.
Für das Unternehmen entsteht mit der Stiftung zunächst eine neue Instanz, die nicht zwingend an eine Person gebunden ist, sondern auch aus einem Kreis mehrerer Familienangehöriger oder ehemaliger Führungskräfte in Form eines Stiftungskuratoriums bestehen kann. „Ein Topmanager muss dann die Interessen einer anderen Instanz berücksichtigen“, sagt Marc Eulerich, Juniorprofessor an der Universität Duisburg-Essen. Er hat einen Stiftungslehrstuhl zur „Internen Revision und Corporate Governance“ und forscht zu unternehmensverbundenen Stiftungen. „Der neue Spieler, der durch die Stiftung hineinkommt, hat andere Interessen als ein Aktionär oder eine Bank als Kreditgeber.“
Die Stiftung ist an das Unternehmen gebunden und versucht den Absichten des Gründers treu zu bleiben. „Das ist für einen Vorstand nicht leicht zu planen. Es kann sein, dass er damit Macht verliert“, sagt Eulerich. Die Unternehmensführung müsste sich auf die neue Konstellation erst einstellen. „Wenn ich als Vorstand weiß, was die Stiftung von mir möchte, kann ich das Unternehmen daran gut ausrichten. Ich habe nicht den großen Kapitalmarktdruck und entziehe mich der Gefahr durch eine feindliche Übernahme.“

Zu den Absichten von Friede Springer passt das Ziel, das der Industrielle Alfried Krupp von Bohlen und Halbach seiner gleichnamigen Stiftung mit auf den Weg gab: Sie und ihre Organe sollen „bei Entscheidungen, die sich auf ihre Beteiligung an der das Unternehmen Fried. Krupp fortführenden Kapitalgesellschaft beziehen, im Geiste des Stifters und seiner Vorfahren darauf achten, dass die Einheit dieses Unternehmens möglichst gewahrt und seine weitere Entwicklung gefördert wird“. Mit seinem Tod im Jahr 1967 übertrug sich sein Vermögen auf die von ihm errichtete Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Sein einziger Sohn hatte auf das Erbe verzichtet.
Zugeschnitten war die Konstruktion auf Krupps Generalbevollmächtigten und Testamentsvollstrecker Berthold Beitz, der die Machtfülle zu nutzen wusste. Er lenkte von 1968 an bis zu seinem Tod im Jahr 2013 die Stiftung und damit auch das Stahlunternehmen, das sich 1999 mit dem Wettbewerber Thyssen zusammenschloss. „Die Krupp-Stiftung war ein Sonderfall, weil diese mit Berthold Beitz eine sehr dominante Person hatte“, sagt Eulerich. Als Vorsitzende im Stiftungskuratorium amtiert inzwischen Ursula Gather, Mathematik-Professorin und Rektorin der Technischen Universität Dortmund, die den Konzern nicht von innen kennt. Zudem hält die Stiftung nach einer Kapitalerhöhung nur noch etwa 23 Prozent an der Thyssen-Krupp AG und hat dadurch die Sperrminorität von mehr als 25 Prozent verloren. Im Jahr 2015 hat die Stiftung Fördervorhaben für 13 Millionen Euro bewilligt.
Hans Fleisch sieht die Stellung von Beitz als einzigartig an. „Er hat noch selbst dafür gesorgt, dass diese Kulmination von Macht nach seinem Tod nicht bleibt“, sagt er. Der Stiftungskenner hält es für fraglich, ob andere diese frühere einzigartige Krupp-Variante als Blaupause wählen sollten. „Wenn man die spezielle Beitz-Lösung aus guten Gründen nicht mag, spricht das aber nicht generell gegen die Stiftungslösung.“ Fleisch hat die Stiftung Weltbevölkerung aufgebaut, für die Volkswagenstiftung und die Allianz-Lebensversicherung gearbeitet und war 11 Jahre als Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen tätig. „Die Stiftungslösung ist eine chancenreiche Nachfolgelösung mit besonderen Gestaltungsmöglichkeiten, und das ist der wesentliche Grund für die Wahl dieser Lösung“, sagt er. Nachkommen oder Verwandte kommen dann in der Regel nicht mehr aufgrund ihrer Verwandtschaft in der Leitung des Unternehmens, aber können aufgrund von Kompetenz berufen werden. „Beziehungsfragen in der Familie schlagen nicht mehr unmittelbar auf die Besetzung und Beziehungen in der Unternehmensleitung oder deren Sachentscheidungen durch.“
In der deutschen Unternehmerlandschaft finden sich zahlreiche Stiftungen als Anteilseigner wie bei Fresenius, Bertelsmann und Bosch. Die genaue Gestaltung variiert von Fall zu Fall. Wie das Zusammenspiel funktioniert und wie weit der Einfluss reicht, hängt an der Konstruktion und den Personen. „Es ist ein Machtspiel zwischen dem Vorstandsvorsitzenden und dem Stiftungschef“, sagt Eulerich. Je nach Konstrukt kann nicht der Aufsichtsrat den Vorstand wählen, sondern die Stiftung oder das Kuratorium entscheidet darüber. Kontrollvorgaben können durch ein geschicktes Stiftungskonstrukt aufgeweicht werden. Im Zweifelsfall wird der Stiftungsvertreter als Gesellschafter – je nach Höhe des Anteils am Unternehmen – in Konflikten die besseren Karten haben. „Wie das Stiftungsmodell am besten aufgebaut ist, hängt generell vom Stiftungszweck ab: Soll die Familie mit Finanzmittel versorgt werden, oder soll das Unternehmen langfristig erhalten bleiben?“ Entsprechend danach sollten möglichst viele Familienangehörige in die Kontrollgremien oder Fachleute wie ehemalige Vorstandsvorsitzende.

Aktionäre können sich daran stören, dass die Stiftung nicht nur auf die Rendite schaut, sondern auch das Unternehmen im Sinne des Stifters erhalten will und zum Beispiel an bisherigen Standorten hängt. Andererseits ist die Stiftung an das Unternehmen gebunden und hat ein langfristiges Interesse an dem Erhalt. „Die Sicht auf das Stiftungsmodell hat mit der zeitlichen Perspektive des Investors zu tun“, sagt Eulerich. Als gute Beispiele nennt er zwei Automobilzulieferer aus Stuttgart. „Die Unternehmen im Besitz der Bosch-Stiftung und der Mahle-Stiftung weisen überdurchschnittliche Leistungen auf.“ Bosch habe sich kontinuierlich weiterentwickelt und über viele Jahre Geld investiert – und liege daher nun über dem Durchschnitt. „In der Kontrollinstanz sitzen häufig ehemalige Manager, die das Unternehmen kennen und deswegen Entscheidungen gut bewerten können.“
Vorsitzende der Friede-Springer-Stiftung ist Friede Springer selbst. Ihre Stellvertreterin ist Karin Arnold. Vorsitzender des Kuratoriums ist Eric Schweitzer, Vorstandsvorsitzender des Abfallentsorgers Alba, und stellvertretende Vorsitzende Marianne Birthler, ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen der DDR. Dem Siebener Gremium gehören ferner der Dresdener Medizin-Professor Manfred Gahr an, der frühere Bundespräsident Horst Köhler, Christoph Markschies, Professor für Ältere Kirchengeschichte, der Chemie-Professor Joachim Sauer, Mann von Bundeskanzlerin Angela Merkel, sowie Friede Springer.
Die Friede-Springer-Stiftung soll unter anderem die Wissenschaft unterstützen. Daneben besteht die Friede-Springer-Herz-Stiftung mit den Ärzten Roland Hetzer, Steffen Behrens und Verena Stangl im Kuratorium. Die Axel-Springer-Stiftung fördert junge Wissenschaftler, wenn diese unter anderem zur deutsch-jüdischen Geschichte forschen. Ihrem Vorstand gehören neben der Vorsitzenden Friede Springer der Rechtsanwalt Gerhard Menzel und der frühere ZDF-Intendant Dieter Stolte an.
Wie es in ihrer Stiftung abläuft, stellt Friede Springer zur Gründung im Jahr 2011 klar. „Die letzte Entscheidungsmacht behalte ich mir vor, das Kuratorium hat eine beratende Funktion“, sagte sie. Daran dürfte sich seither nichts geändert haben.
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