Auf dem Zeitungskongress des BDZV geht es um den Umgang mit Google und Facebook. Der neue Präsident Mathias Döpfner attackiert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine „Gratispresse“.

EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) rechnet mit Widerstand gegen seine Pläne für ein europäisches Leistungsschutzrecht. Die deutschen Zeitungsverlage warnt er davor, dass sein Vorschlag womöglich nicht umgesetzt wird. „Das Verlegerrecht ist für Sie viel wichtiger als die Erbschaftsteuer“, sagte er zu den Verlagsvertretern am Montag auf dem Zeitungskongress des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin. Er forderte die versammelten Eigentümer und Geschäftsführer der Zeitungsverlage auf, sich für das Leistungsschutzrecht einzusetzen und ihn zu unterstützen. „Wenn Sie als Geschäftsführer dafür nicht vor Ort kämpfen, haben Sie das Zeitfenster versäumt“, sagte er. Die EU-Kommission hat im September ein Leistungsschutzrecht vorgeschlagen, um europäische Zeitungsverlage gegenüber Internetunternehmen wie Google oder Facebook zu stärken.
Mit dem neuen Leistungsschutz sollen Unternehmen für die vollständige oder ausschnittweise Nutzung von im Internet veröffentlichten Artikeln zahlen – wenn etwa Google diese für seine Suchmaschine nutzt oder soziale Netzwerke diese verbreiten. Die Höhe einer möglichen Vergütung müssten beide Seiten aushandeln. Kritiker sehen in dem Vorhaben einen zu starken Eingriff in das Internet. Oettinger spricht von einer eigenständigen Rechtsposition, die Einnahmen nicht in Euro und Cent garantiert, aber einen Verständigung darüber auf Augenhöhe ermöglichen soll. „Wer bei uns digitale Dienste anbieten und Werbeeinnahmen bekommen will, ist gerne gesehen, wenn er unsere Spielregel akzeptiert“, sagte er.
Das Europaparlament und die Mitgliedstaaten der EU müssen den Regeln noch zustimmen. Hier zeigte sich Oettinger unsicher, ob dies geschieht. Er sprach von einer eigenartigen Hochzeit: „Die Piraten, die kostenlos an alles herankommen wollen, verbünden sich mit den Kapitalisten des Silicon Valley.“ Überhaupt macht sich Oettinger Sorgen um Europa und Deutschland als stärkste Volkswirtschaft. Er bemängelt die Mütterrente und die Rente mit 63 sowie die Ablehnung von Fracking oder Stromkabeln über der Erde. Er will dagegen über Innovationen und die Rente mit 70 sprechen. Doch der Zeitgeist wehe in die falsche Richtung. Auch hier forderte er die Hilfe der Vertreter der Zeitungsverlage ein.
Den Vorschlag eines Leistungsschutzrechts hatten BDZV und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) befürwortet. In Deutschland hat das eingeführte Leistungsschutzrecht den Verlagen bislang kaum Einnahmen eingebracht, da Google für „Google News“ Gratislizenzen der Verlage eingefordert hat und deren Online-Artikel andernfalls nicht mehr benutzt hätte. „Das deutsche Leistungsschutzrecht wurde durch die Marktmacht von Google ausgehebelt“, sagte BDZV-Präsident Mathias Döpfner auf dem Kongress.
Der Vorstandsvorsitzender des Berliner Medienkonzerns Axel Springer mit den Zeitungen „Bild“ und „Welt“ beklagte kostenlose Lieferungen der Verlage an Internetkonzerne wie Google und Facebook. „Der Staat steht in der Pflicht, der täglichen Enteignung von Verlagen ein Ende zu setzen.“ Staatliche Subventionen lehnte er ab und verlangte eine neue Medienpolitik in Europa. „Wenn der Schutz geistigen Eigentums nicht gesichert ist, haben die Verlage keine Perspektive.“ Auch fordert er, dass Distributoren wie Facebook nicht die Inhalte zensieren.
Neben dem Agieren der amerikanischen Internetkonzerne, mit denen Springer immer wieder auch zusammenarbeitet, attackierte Döpfner die Ausbreitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Trotz der Auseinandersetzung habe sich in den vergangenen fünf Jahren an den Apps der Sender nichts geändert, die weiter viele Texte und wenig Videos zeigen. „Das ist und bleibt öffentlich-rechtliche Gratispresse“, sagte er.
Döpfner berichtete von Gesprächen mit Intendanten der Sender, die zugesagt haben, dies zurückzubauen. Andernfalls müssten rechtliche Schritte der Verlage folgen. Sonst müsse auch die Frage gestellt werden, ob das Gebührensystem überhaupt eine Grundlage hat. An diesem Freitag soll das Oberlandesgericht Köln ein Urteil zur Tagesschau-App von NDR und ARD verkünden, gegen die mehrerer Zeitungsverlage, darunter der Verlag dieser Zeitung, geklagt hatten.
Im Juni wählten die Delegierten Döpfner an die Spitze des BDZV. Er, der einen Anteil von etwa 3 Prozent an Springer hält, folgt als Präsident auf den 16 Jahre amtierenden Helmut Heinen, dem Herausgeber der „Kölnischen/Bonner Rundschau“. Döpfner wollte indes die Erwartungshaltung an den Verband zurechtrücken. „Wir können nicht über Wasser gehen, wir können nur mit Wasser kochen“, sagte der neue Mann an der Verbandsspitze.
#Zeitungskongress in #Berlin und die Verlage schauen auf soziale Medien #ZK2016 #BDZV #Springer pic.twitter.com/L4T45mTzkG
— Jan Hauser (@jan_hauser) 27. September 2016
Mehr im Blog:
Axel Springer senkt Umsatzprognose
Mathias Döpfner im Präsidentenamt: Springer-Chef an Spitze der Zeitungsverleger gewählt
Neuer Partner für „Sport Bild“: Gruner + Jahr übernimmt Springers Zeitschriftenvertrieb
Fußball und Frauen: Zeitschriftenverlage setzen auf Sportereignisse und Frauentitel
Friede Springer ist schon unter die Stifter gegangen
Springer und die Milliardenübernahme
Zusammen gegen Google: Verleger probieren mehr Zeitschriften aus
Kanzlerin Merkel schaut mit den Zeitschriftenverlegern nach Amerika
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat das schönste Presseregal im Land?
Werbung mit Funke: Springers Zeitungsmann probt die Allianz mit der Konkurrenz
Anzeigenallianz freigegeben: Springer und Funke dürfen zusammen Werbung verkaufen
Vielfalt statt Diktat: Pressegroßhändler wehren sich gegen Bauer-Verlag
Kooperation gegen Google: Verlage arbeiten enger zusammen
_____________________________________________________________
F.A.Z.-Blog Medienwirtschaft
www.faz.net/medienwirtschaft
Twitter: www.twitter.com/jan_hauser
Snapchat: hauserhier
Ist dieses Zitat:
„Das deutsche Leistungsschutzrecht wurde durch die Marktmacht von Google ausgehebelt“
Wenn sich die großen deutschen Zeitungsverlage zusammengetan und gegenüber Google eine einheitliche Linie vertreten hätten, wer wäre dann wohl zuerst eingeknickt? Ohne Nachrichten und Artikel von Spiegel, Zeit, FAZ, Welt et al schrumpfen die deutschsprachigen Google News auf einen Clickbaitsammler für Buzzfeed und ein Sammelportal für deutsche Provinzzeitungen – bestenfalls. Früher oder später droht die Bedeutungslosigkeit – und das weiß auch Google.
Aber anstatt gemeinsam zu handeln und dabei auch etwas zu riskieren, rufen die Verlage nach dem großen Bruder Staat. Das ist weder sehr souverän noch sehr vernünftig. Staatliche Eingriffe in die Infrastruktur von Informationsverbreitung darf man begründet auch dann sehr skeptisch sehen, wenn man wie ich kein Freund der verbreiteten “kostenlos, sofort, alles” Kultur des Internets ist.
Gruß,
Thorsten Haupts