Medienwirtschaft

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Zeitschriften, Fernsehen, Internet: Wie sich die Welt der Medien dreht

VDZ-Präsident Stephan Holthoff-Pförtner: Blumenverkäufer, Anwalt, Verleger

Stephan Holthoff-Pförtner ist Gesellschafter der Funke-Mediengruppe. Als Anwalt vertritt er immer wieder prominente Angeklagte. Jetzt steht er den Zeitschriftenverlegern vor.

Aufregend hört sich vieles an, was Stephan Holthoff-Pförtner aus seinem Leben berichtet. Doch was war wohl der spannendste Fall? Der 68 Jahre alte Rechtsanwalt und Notar muss nicht lange überlegen, während er in seiner Heimatstadt Essen zur Mittagszeit in seinem Restaurant sitzt, dem Jagdhaus Schellenberg mit Blick auf den Baldeneysee und das Ruhrtal. Die Antwort ist klar: Helmut Kohl. Der frühere Bundeskanzler rief ihn im Strudel der Parteispendenaffäre an. Er rechne damit ,anwaltliche Hilfe zu benötigen, ob man sich treffen könne. Holthoff-Pförtner verteidigt Kohl seither und setzt sich auch als Freund in abendliche Diskussionsrunden im Fernsehen für ihn ein.

Seine Anwaltskanzlei gründete er 1980 in Essen. Von hier aus berät Holthoff-Pförtner Mandanten in der gesamten Republik. In den Medien kommt er vor, wenn er den Schiedsrichter Robert Hoyzer im Wettskandal vertritt, den früheren Oberbürgermeister Duisburgs, Adolf Sauerland, nach dem Loveparade-Unglück oder den ehemaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Stefan Mappus, in der ENBW-Affäre. Am Sonntag wurde er einstimmig zum neuen Präsidenten des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) gewählt. Er folgt damit auf den Münchner Verleger Hubert Burda („Focus“, „Bunte“), der nach 20 Jahren von dem Amt zurücktrat und als Ehrenpräsident gewählt wurde.

Neben der Kanzlei und dem Restaurantbetrieb ist Holthoff-Pförtner auch einer der Gesellschafter der Funke-Mediengruppe, deren Zentrale mit der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ) in Essen liegt. Auch wenn er nur ein Sechstel an dem Unternehmen hält, brachte ihm diese Beteiligung im Laufe der Jahre eine erhebliche Summe ein. Seitdem das Medienhaus vor ein paar Jahren für 920 Millionen Euro Zeitungen wie „Berliner Morgenpost“ und „Hamburger Abendblatt“ sowie Zeitschriften wie „Hörzu“ und „Bild der Frau“ von Axel Springer kaufte, achtet Funke mit einem Umsatz von mehr als 1 Milliarde Euro und Titeln wie „Thüringer Allgemeine“, „Neue Welt“ und „Gong“ öfter auf die Wahrnehmung in ganz Deutschland. Auch schaut sich das Unternehmen weiter nach Zukäufen und Kooperationsmöglichkeiten um. „Die Finanzierung von Übernahmen macht in diesen Zinszeiten keine Schwierigkeit mehr“, sagt Holthoff-Pförtner.

In die Wiege wurde ihm das nicht gelegt. Er wächst als Stephan Pförtner in Essen auf, geht zum Studium der Rechtswissenschaften nach Freiburg und trifft dort einen Kommilitonen aus der Heimat: Frank Holthoff. Dessen 2011 verstorbene Mutter Gisela Holthoff war eine Tochter des WAZ-Mitgründers Jakob Funke, nach dem sich das Unternehmen vor drei Jahren umbenannte. Sie werden zu Studienfreunden, Stephan Pförtner lernt die Familie kennen; bald weiß man einander zu schätzen. Gisela Holthoff adoptiert ihn, und seither trägt er den Nachnamen Holthoff-Pförtner.

Allerdings war es nicht so, dass ihn die Unternehmerfamilie mit gänzlich offenen Armen empfangen hat. Früher gab es viele Klagen aus dem Kreis der Familienstämme: Ob er als Adoptivsohn die gleichen Rechte wie leibliche Kinder hat? Ob eine Abmachung mit anderen Anteilseignern rechtmäßig ist? Mittlerweile spielen die Gerichtsstreitigkeiten keine Rolle mehr. „Wir arbeiten vertrauensvoll zusammen“, sagt Holthoff-Pförtner. Seitdem sein Bruder Frank ausgezahlt wurde, ist er der einzige Holthoff-Vertreter im Gesellschafterkreis, zu denen die Funke-Töchter Petra Grotkamp als Mehrheitsgesellschafterin und Renate Schubries gehören.

Er ist ein Kind des Ruhrgebiets und erfährt den Wandel der Region. „Als Willy Brandt vom weißen Himmel über der Ruhr sprach, dachten wir, der hat getrunken“, sagt er. Holthoff-Pförtner mag die Menschen hier, schätzt ihre Direktheit und kann davon manche Anekdote erzählen. Zur Region gehört neben der Kohle auch die Leidenschaft für den Fußball. Holthoff-Pförtner hängt an Rot-Weiß Essen und geht mit Dauerkarte zu den Spielen von Borussia Dortmund. „Das eine ist Heimat, das andere Fußball“, sagt er, der sich überdies für Tennis begeistert. Sein Fachwerkhaus, in dem er in sechster Generation wohnt, liegt in Essen nicht weit vom Restaurant entfernt. Mit dem Fahrrad fährt der Anwalt hier gern vormittags an der Ruhr entlang.

Holthoff-Pförtner liest die Zeitungen aus der eigenen Mediengruppe wie auch andere Titel und verfolgt Nachrichten immer öfter auch digital. Dazu zählen besonders auch Mitteilungen im sozialen Netzwerk Facebook. Manche Berichte reichen ihm allerdings nicht. „Die Fernsehnachrichten informieren den Zuschauer nicht genug“, sagt er. Schwer vorstellbar, dass ihn die Illustrierten mit ihrem Fokus auf vermeintliche Prominenten-Nachrichten ansprechen, mit denen auf Funke Geld verdient.

In den achtziger Jahren saß er im Essener Stadtparlament für die CDU. Über die Junge Union lernt er Ronald Pofalla und holte ihn 1993 als jungen Anwalt in seine Kanzlei; er wird später CDU-Generalsekretär und Kanzleramtsminister unter Angela Merkel und arbeitet nun im Vorstand der Deutschen Bahn. Heute ist Holthoff-Pförtner Königlich-Thailändischer Generalkonsul in Essen, Vorsitzender des Politischen Forums Ruhr und Schatzmeister der nordrhein-westfälischen CDU. Er hat viele Ämter, ist vielseitig interessiert und tauscht sich gern aus – auch mit Politikern anderer Parteien. Mit dem langjährigen FDP-Vorsitzenden und früheren Bundesaußenminister Guido Westerwelle war er befreundet. Westerwelle und Kohl bezeugten vor drei Jahren seine Lebenspartnerschaft mit dem Kanzleikollegen Klaus Sälzer.

Seine geschäftlichen Aktivitäten neben Medien und Restaurant bestehen aus der Hopf Holding GmbH & Co. und deren Immobilien. Aus anderen Unternehmungen wie dem Betrieb von Hotels in Köln und in Frankreich, hat er sich zurückgezogen. Vor Gericht war er schon länger nicht mehr tätig. Er bekommt Aufträge für die Kanzlei, anfangs ist er involviert, dann übergibt er an die jüngeren Kollegen. „Die sind alle besser“, sagt er. „Ich würde heute nicht einmal mehr ein Vorstellungsgespräch bei uns bekommen.“

Als Helmut Kohl einen Anwalt sucht, zweifelt Holthoff-Pförtner zunächst. Er bittet sich drei Tage Bedenkzeit aus und ruft dann doch vor Ablauf der Frist an. „Herr Kohl, entschuldigen Sie, was ich gesagt habe. Ich mache das gern, und es wäre mir eine Ehre“, sagt der Anwalt. Daraus ist eine enge, freundschaftliche Verbindung geworden. Sonntags telefonieren sie. Auf seinem Smartphone zeigt er ein Foto vom Geburtstag des Altkanzlers.

Gemeinsam machten sie im Dezember 2004 Urlaub in Sri Lanka, als verheerende Tsunami-Flugwellen hunderttausende Menschen umbrachten. Die unteren Etagen ihres Hotels spülte das Meer aus, doch ihnen passierte nichts. „Ich verstehe nicht, wie ein Tourist nach dieser Katastrophe dann am Frühstücksbüffet fragen kann, warum es heute keinen Karottensalat gibt“, erinnert er sich an die Tage danach.

Vor fünf Jahren hat Holthoff-Pförtner selbst einen Sohn adoptiert: Der 45 Jahre alte Georg Scheid ist Rechtsanwalt und seit 2000 in der Kanzlei von Holthoff-Pförtner tätig. Im Jagdhaus Schellenberg sitzt dieser gerade an einem anderen Tisch, später kommen dessen Kinder vorbei. „Das sind meine Enkel“, sagt Holthoff-Pförtner. Die Nachfolge ist geregelt.

Auf dem Weg in die Stadt zeigt er den kleinen Garten vor dem Restaurant, wo auch Rhabarber wächst. „Manche Kinder kennen das gar nicht“, sagt er. Das grüne Feld zeigt auch auf seine Herkunft: Seine Eltern hatten eine Gärtnerei. Als Kind hat er Blumen verkauft.

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