Der neue Präsident an der Spitze der Zeitschriftenverleger macht sich Sorgen. Es geht um die Beschneidung der bürgerlichen Freiheiten. Stephan Holthoff-Pförtner stellt sich der der Kritik an seiner Wahl: „Ich war in keinem Hinterzimmer.“
Den Amtsantritt an der Spitze der Zeitschriftenverleger hätte mancher sich schöner vorstellen können. Stephan Holthoff-Pförtner ist dennoch die Freude über das Ehrenamt anzumerken, das ihn zumindest in der Medienpolitik auf die Bundesbühne schiebt. Kurz nach der Wahl zum Präsidenten des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) verabschiedeten sich jedoch mehrere Verlage von der bisherigen Zusammenarbeit.
Nach seiner Auskunft fehlt dadurch zwar Geld, aber diese Schwierigkeit sei lösbar. „Der immaterielle Schaden ärgert mich mehr: Wir brauchen die Kraft der Geschlossenheit und die Mitarbeit der geschätzten Kollegen aus den Häusern, um weiterhin erfolgreich die Herausforderungen unserer Branche zu meistern“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. „Außerdem soll nicht der Eindruck entstehen, dass die Guten nicht mit den Schmuddelkindern zusammen sein wollen.“ Nach seiner Wahl zum VDZ-Präsidenten hatten die Verlage Gruner + Jahr sowie der „Spiegel“-Verlag, der „Zeit“-Verlag und Medweth angekündigt, aus dem Arbeitskreis der Publikumszeitschriften im VDZ auszutreten.
Wer ist da das Schmuddelkind? „Das Ruhrgebiet hat leider immer noch dieses Bild, und ein Ruhrgebietsverlag hat es in der Welt der schönen und reichen Hamburger und Münchner gar nicht so leicht“, sagt Holthoff-Pförtner, der Gesellschafter Essener Funke-Mediengruppe ist. „Im Ernst: Die Gefahr besteht darin, Journalismus zu qualifizieren. Hier der Qualitätsjournalismus und dort die anderen. Journalismus ist unteilbar, ob unterhaltend, belehrend oder fortbildend, ob Publikumspresse oder Fachzeitschriften. Ich will die einzigartige Zeitschriftenkultur erhalten, das Zusammenspiel von Großen und Kleinen, von Publikums-, Fach- und konfessioneller Presse. Dafür trete ich ein.“
Sorgen macht er sich um die Freiheit in Europa. Die Beschneidung der bürgerlichen Freiheit beginnt immer bei der Pressefreiheit: „In der Türkei erleben wir das gerade in bestürzender Weise“, sagt Holthoff-Pförtner. „Wir leben in Deutschland in einer pluralen Gesellschaft, die ich genieße und auf die ich stolz bin. Ich hätte mir 1969, als ich die Schule verließ, nicht vorstellen können, dass ich im Jahr 2016 verpartnert sein würde und mit einem Adoptivsohn, seiner Frau und deren Kindern in einer Gesellschaft frei leben kann – und akzeptiert werde.“
Der Präsident der Zeitschriftenverleger erkennt mehrere Faktoren, die Pressefreiheit einschränken: Der Terror wie beim Angriff auf „Charlie Hebdo“ richtet sich gegen freies Denken und Schreiben und das Lügenpresse-Geschrei gegen das Publizieren unbequemer Wahrheiten. In Koppelung mit einer weitverbreiteten Gleichgültigkeit und dem Rückzug in die Welt sozialer Medien, die für jede Zielgruppe eine eigene Wahrheit bereithält, hält er diese Tendenz für höchst gefährlich. Zudem gefährden stets staatliche Repressionen auch die Pressefreiheit. „Denken Sie nur daran, was in Russland, in Polen oder Ungarn geschieht“, sagt er. „Europa ist nicht auf dem Vormarsch zu einer freien Bürgergesellschaft.“
Der 68 Jahre alte Holthoff-Pförtner besitzt 16,7 Prozent an der Essener Funke-Mediengruppe. Das Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 1 Milliarde Euro gibt Regionalzeitungen wie die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ) und Zeitschriften wie „Gong“ heraus. Vor zwei Jahren kaufte es die „Berliner Morgenpost“, das „Hamburger Abendblatt“, „Hörzu“ und andere Titel für 920 Millionen Euro von Axel Springer.
Zum Gesellschafterkreis gehören Petra Grotkamp als Mehrheitsgesellschafterin und Renate Schubries. Sie sind Töchter des WAZ-Mitgründers Jakob Funke – wie auch die verstorbene Gisela Holthoff, deren Adoptivsohn Holthoff-Pförtner ist. Ihren leiblichen Sohn Frank Holthoff hat er ausgezahlt. Holthoff-Pförtner arbeitet als Rechtsanwalt in der eigenen Kanzlei in Essen und hat als Mandanten Politiker vertreten, darunter auch den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl in der Parteispendenaffäre.
Im November wurde er zum Präsidenten des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) gewählt. Seine Kritiker hatten die Umstände der Wahl bemängelt und von einem intransparenten Verfahren nach Art von Hinterzimmerbünden gesprochen. „Ich war in keinem Hinterzimmer. Und das war auch nicht nötig“, sagte Holthoff-Pförtner. Er spricht davon, auch erst kurzfristig von der Wahl eines neuen VDZ-Präsidenten erfahren zu haben „Bis zu meiner Nominierung vergingen einige Tage, weil ich das Okay der anderen Funke-Gesellschafter brauchte. In den Wochen bis zur Wahl hat niemand sonst seinen Hut in den Ring geworfen“, sagte er. „Die anderen Verlage können jetzt bis zur nächsten Wahl im Juni 2018 schauen und mich nachher wiederwählen – oder wir finden eine andere oder einen anderen.“
Das vollständige Gespräch mit Stephan Holthoff-Pförtner erscheint am Dienstag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und am Vorabend in der digitalen Ausgabe.
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