Medienwirtschaft

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Tauziehen um Brainpool: Stefan Raab spielt seine Rolle im Kampf um das Fernsehunternehmen

Mockridge, Kebekus, Pastewka: Der Kölner Fernsehproduzent Brainpool streitet sich um die Geschäftsführung. Dazu trägt auch Stefan Raab bei.

© DPAStefan Raab hat sich von der großen Fernsehbühne verabschiedet.

Im Fernsehgeschäft zählt der Mensch. Entscheidend sind zwar immer diejenigen, die zusehen, doch kommt es auch auf die Personen vor der Kamera an. Der Abgang des Moderators Stefan Raab von der Fernsehbühne sorgte unter dem Beinamen „Raabschied“ im Dezember 2015 nicht nur für Wehmut unter den Anhängern seiner Albereien und Spielereien. Jetzt sorgt seine Rolle im Hintergrund für einen Wandel an der Spitze der Kölner Fernsehproduktionsgesellschaft Brainpool.

Das Unternehmen und deren Mitarbeiter spürten schon die Folgen seines Abtritts vor mehr als zwei Jahren auch wirtschaftlich. Durch den Verlust der Sendungen von und mit Raab wie der spätabendlichen Unterhaltungsreihe „TV Total“ sanken die Sendeminuten deutlich, der Umsatz ging wesentlich zurück, und gleich 80 Beschäftigte sollten entlassen werden. Raab blieb dennoch an Brainpool weiter beteiligt – bis jetzt. Mit dem Verkauf seines Anteils von 12,5 Prozent an die Pariser Fernsehproduktionsgruppe Banijay, die bisher die Hälfte an Brainpool besitzen, sorgt das einstige Aushängeschild der Kölner Fernsehschmiede für einen Machtkampf und Streit hinter den bunten Fernsehkulissen.

Banijay ist mit mehr als 60 Fernsehformaten in 16 Länder aktiv und benennt sich selbst als größten unabhängigen Produzenten für Fernsehsender und Multimediaplattformen. Die französische Gruppe versucht sich im deutschen Fernsehmarkt auszubreiten und mit Hilfe Raabs die Kontrolle über Brainpool zu erhalten. Dafür sollen Mitgesellschafter und Brainpool-Gründer Jörg Grabosch sowie Gesellschafter Andreas Scheuermann aus der Geschäftsführung weichen. Grabosch wehrt sich dagegen vor Gericht. Ein Tauziehen um das Kölner Unternehmen ist zu beobachten, das fast 25 Jahre lang mit viel Klamauk groß geworden ist und nun selbst für Unterhaltung sorgt.

Für den 51 Jahre alten Stefan Raab war Brainpool früh die Spielwiese seiner Fernsehmachenschaften: Hier startete er im März 1999 „TV Total“ auf dem Privatsender Pro Sieben. In 16 Jahren baute er die Sendung zur Grundlage für seine zahlreichen Showideen von „Schlag den Raab“ oder dem „Bundesvision Song Contest“ bis zum „TV total Turmspringen“ auf. Er nahm selbst am europäischen Gesangswettstreit „Eurovision Song Contest“ teil („Wadde hadde dudde da?“), unterstützte andere Sänger dabei und entdeckte so auch Lena Meyer-Landrut. Später schickte ihn die Sendergruppe Pro Sieben Sat 1 zum Fernsehduell zur Bundestagswahl zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Geld hat Raab im Fernsehgeschäft auch verdient: So soll der Sender ihm für die Produktion aller seiner Sendungen innerhalb von fünf Jahren nach Medienberichten 185 Millionen Euro überwiesen haben.

Von Harald Schmidt zu Anke Engelke und Luke Mockridge

Auch wenn Raab das Zugpferd war, produzierte Brainpool stets zahlreiche andere Unterhaltungssendungen und arbeitete für fast allen deutschen Fernsehsender. Nach der Gründung im Jahr 1994 fing es an mit der Late-Night-Sendung „Nachtshow“ mit Thomas Koschwitz (für den Privatsender RTL), der „Harald Schmidt Show“ sowie der „Wochenshow“ (beide Sat 1). Später folgten Formate wie „Ladykracher“, „Stromberg“ und „Pastewka“, dessen neue Staffel auf dem Internetvideodienst von Amazon zu sehen ist. Brainpool betreut Künstler wie Anke Engelke, Bastian Pastewka, Luke Mockridge und Carolin Kebekus. Dazu gründete es immer wieder Gemeinschaftsunternehmen mit den Moderatoren, damit diese geschäftlich aneinander gebunden waren. Harald Schmidt hatte sich einst von Brainpool verabschiedet, um seine Sendung mit einem eigenen Unternehmen zu produzieren. Grabosch lernt daraus, seine Moderatoren an sich zu binden.

© DPAMacht Spaß: Luke Mockridge

Grabosch stemmt sich gegen seinen Abgang aus der Geschäftsführung, den Banijay betreibt. Vor dem Landgericht Köln setzt er durch, dass seine Abberufung bis zu einer abschließenden gerichtlichen Klärung des Vorgangs nicht erfolgen darf. Dafür kam es zunächst für eine Gesellschafterversammlung am 29. März zu einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln im Verfahren zwischen Jörg Grabosch und der Brainpool Beteiligungsgesellschaft mbH (Az. 88 O 23/18).

Die einstweilige Verfügung umfasst die Unterlassung, eine auf der Gesellschafterversammlung „beschlossene Zustimmung zur Abtretung des Geschäftsanteils von Herrn Stefan R. an die M. Group GmbH im Wege der Kundgabe gegenüber Herrn Stefan R. oder der M. Group GmbH zu vollziehen, bevor die Rechtmäßigkeit des Beschlusses abschließend gerichtlich geklärt wurde“, wie das Landgericht mitteilt. Andernfalls droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro oder ersatzweise Ordnungshaft. Auch wurde der Antragsgegnerin untersagt, ihrer Geschäftsführung bestimmte Weisungen zur Durchführung weiterer geschäftlicher Vorgänge zu erteilen, bevor die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse über die Erteilung der Weisung abschließend gerichtlich geklärt werde.

Der Abschied von Raab lässt den Umsatz sinken

Das hat nicht verhindert, dass Banijay und Raab auf einer Gesellschafterversammlung am 20. April dafür stimmten, Banijay-Manager Peter Langenberg in die Geschäftsführung zu berufen und Grabosch sowie Scheuermann als Geschäftsführer abzuberufen. Eine einstweilige Verfügung untersagt allerdings die beiden Abberufungen bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit des Antrags auf ihre sofortige Abberufung: Demnach verbleiben Grabosch und Scheuermann auf ihren Posten und müssen alle Entscheidungen mit Langenberg gemeinsam treffen, wie zuerst der Mediendienst DWDL.de berichtete und Brainpool bestätigte. Vor Gericht geht der Streit um die Macht über den Fernsehproduzenten weiter.

Für das Produktionsgeschäft von Brainpool macht sich der „Raabschied“ immer noch bemerkbar. Im Jahr 2013 erzielte Brainpool einen Umsatz von 90,7 Millionen Euro laut der Bilanz im Bundesanzeiger. Ein Jahr zuvor waren es sogar 124,7 Millionen Euro – auch durch den 2012 produzierten „Eurovision Song Contest“ in Baku. Nach Steuern und Minderheitenanteilen verblieb 2013 ein Jahresüberschuss von 10,5 Millionen Euro nach zuvor 16 Millionen Euro. Im Jahr 2015, das letzte Jahre mit den Sendungen von Raab, betrug der Umsatz 80 Millionen Euro und der Jahresüberschuss 6,5 Millionen Euro. Nach der jüngsten verfügbaren Bilanz kam Brainpool im Jahr 2016 noch auf einen Umsatz von 35 Millionen Euro und erwirtschaftete einen Jahresüberschuss von 1,5 Millionen Euro.

Im Geschäft mit den Fernsehsender baut Brainpool auf ein Lizenzmodell: Statt als Auftragsproduktion für einen Sender tätig zu sein, verkauft das Kölner Produktionsunternehmen die Nutzungsrechte für die Sendung und kann anschließend selbst über künftige Ausstrahlungen entscheiden. Mitschnitte älterer „TV Total“-Sendungen sind weiter im Internet unter der Marke „My Spass“ zu finden, die zu Brainpool gehört. Der Kanal erreicht auf Youtube mehr als 1 Million Abonnenten. Auch erleichtert das Lizenzmodell dem Produzenten, Fernsehformate selbst ins Ausland zu verkaufen.

Mitarbeiter von Raab

Für das Deutschlandgeschäft setzt die Banijay-Gruppe neben der Zusammenarbeit mit Raab auch auf ehemalige Mitarbeiter von Brainpool und frühere Mitstreiter von Grabosch. Marcus Wolter soll im August die neugeschaffene Position des Vorstandsvorsitzenden für Deutschland übernehmen und zudem an der hiesigen Gesellschaft beteiligt werden. Er führte zuletzt die Geschäfte des Wettbewerbers Endemol Shine Germany, der mit den Moderatoren Jörg Pilawa für die ARD sowie Joachim „Joko“ Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf für Pro Sieben zusammenarbeitet.

Die Aktivitäten von Banijay in Deutschland umfassen Brainpool und den neuen Zweig Banijay Productions Germany, den Arno Schneppenheim gerade aufbaut und der ebenfalls zuvor für Endemol arbeitete. Wolter und Schneppenheim waren einst auch für Brainpool tätig. Schneppenheim gehörte zur Mannschaft von Raabs Sendung „TV Total“.

© Brainpool / Ralf Jürgens Jörg Grabosch

Hinter der Kamera wurde Raab mit der Zeit allerdings umtriebiger. Im Jahr 2007 beteiligten sich Stefan Raab sowie Jörg Grabosch, Ralf Günther und Andreas Scheuermann zu gleichen Teilen an der Brainpool TV GmbH und übernahmen das Geschäft wieder im Rahmen eines Management-Buyouts. Zuvor hatte die Produktionsgesellschaft zum Medienunternehmen Viacom gehört. Dies änderte sich erst wieder durch den Einstieg der französischen Banijay-Gruppe, die zunächst die Hälfte an Brainpool erwirbt und durch die Raab-Anteile zum Hauptgesellschafter aufsteigt.

Stefan Raab erfindet Erfindershow

Raab wendet sich trotzdem nicht vom Fernsehgeschäft ab: Der Musiker, Moderator und Metzger steigt als Hauptgesellschafter wieder in die Raab TV- Produktion GmbH ein. Diese war zuvor noch vollständig im Besitz von Brainpool, wie aus dem Konzernabschluss des Unternehmens für das Jahr 2016 hervorgeht. Nach der Mitteilung von Banijay, mit der diese den Kauf verkündete, bleibt Raab TV langfristig unter dem Dach von Brainpool. Damit dürfte Brainpool und dadurch auch Banijay weiter an Raab TV beteiligt sein und die Zusammenarbeit hier weiterlaufen können.

Gerade produzierte Raab die Show „Das Ding des Jahres“ für seinen einstigen Heimatsender Pro Sieben: Erfinder stellen ihre Produkte vor, die eine Jury aus Moderatoren Lena Gercke und Joko Winterscheidt sowie Hans-Jürgen Moog, Einkaufschef des Handelskonzerns Rewe, begutachtet. Ein Wettstreit darf dabei für Raab nicht fehlen: Am Ende entschied der Zuschauer, was „Ding des Jahres“ wird und dazu ein Werbegeschäft mit der Privatfernsehgruppe Pro Sieben Sat 1 erhält. Allzu viele Zuschauer interessierte das letztendlich allerdings nicht. Im Fernsehgeschäft bleibt Stefan Raab präsent – allerdings vornehmlich hinter den Kulissen.

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