Stefan Raab, Peter Langenberg, Jörg Grabosch: Hinter den Fernsehkulissen läuft der Streit um Brainpool und Banijay heiß. Vor Gericht wird der Anteilsverkauf untersagt, aber anderes erlaubt. Doch das Verfahren zieht sich noch lange hin.
Wie viele Heliumballons braucht es wohl, um einen Lastwagen schweben zu lassen? Diese eher ungewöhnliche Frage zielt auf die neue Fernsehsendung „Alle gegen Einen“ ab. In der Livesendung geht es im Herbst auf dem Privatsender Pro Sieben um abstruse Schätzfragen und darum, ob der Kandidat oder der Durchschnitt der Zuschauer der richtigen Antwort näher kommt.
Das neue Format gibt gleichzeitig den Weg für die Kölner Produktionsgesellschaft Brainpool TV GmbH vor: Deren Gesellschafter zanken sich seit Monaten um die Unternehmensanteile des früheren Moderators Stefan Raab und um Posten in der Geschäftsführung. Auslöser war, dass die französische Banijay-Gruppe, der die Hälfte an Brainpool gehörte, mit dem Kauf des Raab-Anteils von 12,5 Prozent zum Mehrheitsgesellschafter avanciert. Dagegen stemmen sich die Mitgesellschafter Jörg Grabosch und Andreas Scheuermann, die rechtlich auch gegen ihre Abberufung aus der Geschäftsführung vorgehen.
Brainpool stellt „Alle gegen Einen“ hierzulande als Samstagabendsendung mit dem Moderator Elton her. Das Format stammt allerdings von der Banijay-Gruppe, die die Sendung in mehreren Ländern verbreitet und nun damit in den deutschen Markt kommt. Für Banijay dürfte es gerade um solche Sendungen aus ihrem internationalen Portfolio gehen, um diese auf dem hiesigen Fernsehmarkt unterzubringen. „Alle gegen Einen“ läuft in Frankreich, Norwegen, Dänemark und Finnland. „Da die Serie in Europa weiter Schwung aufnimmt, freuen wir uns darauf, ihr Potential auch in anderen Regionen zu nutzen“, sagt Banijay-Manager Peter Langenberg, der seit April ebenfalls in der Brainpool-Geschäftsführung sitzt.
Banjiay ist nach eigenen Angaben der größte unabhängige Produzent der Welt und mit mehr als 60 Fernsehformaten in 16 Ländern aktiv. Während das Unternehmen mehr von seinen Formaten in Deutschland unterbringt, kommt Banijay in der Auseinandersetzung um die Macht über Brainpool kaum voran. Nach einem Urteil des Landgerichts Köln vom 23. August darf Banijay Germany GmbH die Raab-Anteile nicht erwerben (AZ: 88 O 30/18). Laut einer Gerichtssprecherin gebiete es die Treuepflicht der Gesellschafter, nichts zu tun, was Mitgesellschafter schädigen könnte und Brainpool in Abhängigkeit eines Konkurrenzunternehmens bringe.
Gegen die Anteilsübernahme hatten Brainpool-Mitgründer Grabosch zuvor eine einstweilige Verfügung erwirkt. In einem anderen Punkt setzte sich Banijay durch: Nach einem weiteren Urteil des Landgerichts Köln muss Brainpool Grabosch und Scheuermann nicht als Geschäftsführer weiterbeschäftigen (AZ:88 O 33/18). Beide waren von der Gesellschafterversammlung im April abberufen worden und dagegen mit einer einstweilige Verfügung vorgegangen.
Damit nicht genug. Eine dritte einstweilige Verfügung verbot, die Brainpool-Tochtergesellschaft Raab TV-Produktion GmbH mit Raabs Unternehmensgesellschaft Entera zu verschmelzen. Dies bekräftigte das Landgericht, da nach einer Vorgabe für Raab TV der Geschäftsführer Scheuermann diesem zustimmen müsste (AZ: 88 O 35/18).
Nach Angaben des Landgerichts gab es noch eine vierte einstweilige Verfügung: Dies hat sich jedoch von selbst erledigt, da in dem genannten Termin die angegriffenen Beschlüsse nicht gefasst worden sind (Aktenzeichen 88 O 23/18). Daher sei dort lediglich eine Kostenentscheidung ergangen.
Zu erwarten ist, dass beide Parteien Berufung gegen verschiedene Punkte der rechtlichen Auseinandersetzung einlegen werden. Dann kommt das Verfahren vor das Oberlandesgericht Köln und dürfte bis zu einem Jahr bis zur Klärung dauern.
Im Impressum der Internetseite führt Brainpool derzeit sechs Mitglieder der Geschäftsführung: Hier stehen sowohl Grabosch und Scheuermann als auch Banijay-Vertreter Langenberg. Ob und wann sich das ändert, kann das Unternehmen auf Anfrage nicht sagen, sondern verweist für Erläuterungen auf das Landgericht Köln. Somit sind Grabosch und Scheuermann bisher noch nicht abberufen, das sollte dennoch demnächst geschehen. Banijay hatte nach dem Urteil Langenberg als alleinigen Geschäftsführer und Berufung angekündigt. „Leider haben wir es nicht geschafft, uns in diesem Zeitraum mit Andreas Scheuermann und Jörg Grabosch außergerichtlich zu einigen“, sagt der Banijay-Manager.
In Deutschland leitet das Geschäft von Banijay als Vorstandsvorsitzender seit diesem Monat Marcus Wolter, der auch Anteile an der hiesigen Gesellschaft hält. Zum Deutschlandgeschäft gehört neben Brainpool die im Februar gestartete Banijay Productions Germany, die für den Privatsender Sat 1 „Fort Boyard“ herstellt, in der von der kommenden Woche an Halbprominente an der französischen Atlantikküste auf eine Art Schatzsuche gehen. Für den Sender RTL und deren Onlinedienst TV Now produziert Banijay im kommenden Jahr die Reihe „Temptation Island“, in der Paare getrennt voneinander in einem südlichen Urlaubsparadies wohl ihre Treue in Privatfernsehmanier testen können.
Brainpool stieg mit den zahlreichen Sendungen von Stefan Raab wie „TV Total“ oder „Schlag den Raab“ im deutschen Fernsehgeschäft zu einer kreativen Größe in der Fernsehlandschaft auf. Im Jahr 2012 stieg der Umsatz auf fast 125 Millionen Euro an – auch durch die Produktion des „Eurovision Song Contest“ in Baku. Der Abgang Raabs von der Fernsehbühne zum Jahresende 2015 sorgte für Entlassungen und einen Umsatzrückgang. Im Jahr darauf kam das Unternehmen auf einen Umsatz von 35 Millionen Euro und erwirtschaftete einen Jahresüberschuss von 1,5 Millionen Euro. Mittlerweile hat sich Brainpool von dem Aus für zahlreiche Sendungen mit Raab erholt und stellt Sendungen von Luke Mockridge für den Sender Sat 1, von Carolin Kebekus in der ARD und von Bastian Pastewka für Amazon Prime Video her.
Raab wirbelt hinter den Fernsehkulissen und hat die Erfindersuche „Das Ding des Jahres“ für seinen einstigen Heimatsender Pro Sieben entwickelt. Trotz eines eher mauen Zuschauerinteresses für die erste Staffel folgt im kommenden Jahr die zweite Runde. Dazu lädt Brainpool gerade Erfinder ein, ihre Ideen vorzustellen. Auch für die Livesendung „Alle gegen Einen“ sucht Brainpool Kandidaten, die mindestens 18 Jahre alt sein und auf ihr gutes Bauchgefühl vertrauen sollen. Am Ende winken dem Gewinner bis zu 100.000 Euro. In dem Gesellschafterstreit von Brainpool geht es für die für die Beteiligten um viel mehr.
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