Je eine Chodorkowski-Schokoladetafel und ein Filzfäustling, wie er in russischen Gefängnissen hergestellt wird, steckten in den Päckchen, die die Moskauer Künstlerin Jekaterina Beljawskaja an tausend namhafte Adressaten versandte, um die Erinnerung an den prominentesten Häftling des Landes wachzuhalten, dem derzeit in der Hauptstadt der zweite Prozeß gemacht wird. „Dies ist eine einzigartige Geschenkgarnitur mit Chodorkowski-Superhandschuh und der weltweit ersten Schokolade mit politischem Geschmack“, heißt es in dem beigelegten Brief, der aus Zeitungsschnipseln und Comiczeichnungen des Ex-Oligarchen und seinem Partner und Mitangeklagten Platon Lebedjew zusammengestückelt ist, wie man auf dem Foto von Igor Tabakow sieht. Sie habe die Päckchen vorzugsweise an Sympathisanten verschickt, bekannte Frau Beljawskaja, an Journalisten, den Schriftsteller Boris Akunin, der mit dem Yukos-Gründer ein langes Interview für den „Esquire“ führte, und den Filmregisseur Sergej Solowjow, der die Petition an Präsident Medwedjew mit unterzeichnete, die ehemalige Yukos-Juristin Swetlana Bachmina aus der Haft zu entlassen. Doch auch der neuerdings vorsichtig Putin-kritische Föderationsratsvorsitzende Sergej Mironow und sogar Dmitri Medwedjew selbst sollen bedacht worden sein.
Ihre Aktion sei ein rein künstlerisches Projekt, ohne politische Bedeutung, sagte Jekaterina Beljawskaja diplomatisch. Sie interessiert sich, wie immer mehr Künstler und Intellektuelle, für Chodorkowski, seit sie im vergangenen Jahr an dem Zeichenwettbewerb im Gerichtssaal teilnahm. „Wir appellieren nicht an Sie, Ihre Meinung über diese Personen zu ändern“, heißt es in ihrem Rundschreiben. „Wir wollen nur, daß Sie sie nicht vergessen.“
Chodorkowski kam nach seiner ersten Verurteilung 2005 in ein sibirisches Arbeitslager mit einer Näherei. Darauf spielt der Fäustling an, den Frau Beljawskaja mit einem Designer-Label mit Chodorkowski-Autogramm versehen hat. Die Schokoladentafel, auf der das nachdenkliche Comic-Antlitz des Sträflings vor vereister Landschaft abgebildet ist, trägt den Schriftzug einer traditionellen sowjetischen Süßigkeit, „Mischka im Norden“ (Mischka na sewere). Das meint eigentlich Meister Petz im hohen Norden, klingt mit der Illustration aber, zumal Mischka die Koseform von Chodorkowskis Vornamen ist, nach dem GULag heute. Was auch die Aufschrift daneben bekräftigt, die mitteilt, dies sei die „allerbitterste Schokolade“.