Netzwirtschaft

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Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche. Wie sie sich auf Menschen und Märkte auswirkt, beleuchtet das Netzwirtschaft-Blog auf FAZ.NET.

Die neue Strategie von StudiVZ

| 2 Lesermeinungen

Ein weiteres Netzwerk oberhalb von StudiVZ, die Öffnung für externe Entwickler, der mögliche Beitritt zu Open Social, der Stopp der Entwicklung im Ausland, die Verdoppelung der Mitgliederzahl auf mindestens 14 Millionen bis Jahresende und eine Verdrei- bis Vervierfachung des Umsatzes sind die Eckpfeiler der neuen Strategie von StudiVZ, die der CEO Marcus Riecke im Interview erläutert.

Ein weiteres Netzwerk oberhalb von StudiVZ, die Öffnung für externe Entwickler, der mögliche Beitritt zu Open Social, der Stopp der Entwicklung im Ausland, die Verdoppelung der Mitgliederzahl auf mindestens 14 Millionen bis Jahresende und eine Verdrei- bis Vervierfachung des Umsatzes sind die Eckpfeiler der neuen Strategie von StudiVZ, die der CEO Marcus Riecke im Interview erläutert. Damit will sich StudiVZ auf das Duell des Jahres im deutschen Internet rüsten – gegen Facebook.


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Herr Riecke, stimmen die Gerüchte, dass StudiVZ das Auslandsgeschäft auf Eis gelegt hat?

Wir konzentrieren uns jetzt voll auf den deutschsprachigen Raum. Hier haben wir die Marktführerschaft und wollen diese Position auszubauen. Das internationale Geschäft spielt im Augenblick eine Nebenrolle für uns.

Was passiert mit den Seiten im Ausland?

Wir werden die Seiten natürlich behalten, aber im Moment nicht weiterentwickeln.

Auch die Seite in Polen nicht? Das war doch der einzige Auslandsmarkt, auf dem StudiVZ Erfolg hatte?

Polen funktioniert gut, aber der deutsche Markt funktioniert um ein Vielfaches besser. In einer Welt begrenzter Ressourcen haben wir uns entschieden, auch Polen nur minimal zu besetzen.

Und was passiert in Deutschland?

Wir haben in den vergangenen sechs Monaten unsere gesamte Softwarearchitektur komplett umgeschrieben. Die neue Software wird im ersten Quartal zum Einsatz kommen. Dann können wir neue Funktionen viel schneller entwickeln als bisher und auch Schnittstellen für externe Entwickler anbieten. Dazu gehört zum Beispiel eine proprietäre API-Schnittstelle für externe Entwickler. Oder das Angebot einer Open-Social-Schnittstelle.

Wir werden auch in der Lage sein, ganz neue Optionen zum Schutz der Privatsphäre anbieten. Zum Beispiel haben uns viele Mitglieder gesagt, sie möchten nicht, dass ein Personalleiter ihre Partyfotos sehen kann. Die neuen Optionen geben den Nutzern filigrane Einstellungsmöglichkeiten, wer ihre Seiten anschauen und war andere Nutzer dort sehen können.

Tritt StudiVZ Open Social bei?

Wir haben die Entscheidung noch nicht endgültig getroffen, aber wir denken sehr ernsthaft darüber nach. Die Chancen stehen sehr gut.

Können jetzt alle externen Entwickler für StudiVZ Applikationen entwickeln?

Wir planen, diese Schnittstelle auf Anfrage freizugeben. Wenn ein Entwickler auf uns zukommt, wollen wir vorab prüfen, ob diese Applikation zu unserer Produktstrategie passt.

Wie passt das zu Ihren Plänen eines Beitritts zu Open Social?

Open Social ist ja nicht wirklich offen. Die meisten teilnehmenden Netzwerke geben ihre Schnittstellen erst auf Anfrage frei.

Der große Vorteil von Open Social ist doch der universelle Einsatz einer Applikation in verschiedenen Netzwerken, um die mühsame Anpassung an die Spezifika jedes einzelnen Netzwerkes zu vermeiden. Warum geht StudiVZ jetzt den Weg, doch wieder eine proprietäre Schnittstelle anzubieten, so dass die Apllikationen nur auf StudiVZ laufen?

Es kann durchaus sein, dass wir Applikationen, die wir mit einem externen Entwickler erarbeiten, für uns behalten wollen. Wenn wir eine tolle Idee haben, macht es Sinn, wenn diese Idee in einem anderen Netzwerk nicht funktioniert. Die Applikationen sind ein Weg zur Differenzierung im Wettbewerb. Das Vorgehen hält uns alle Möglichkeiten offen: Wir können Anwendungen komplett allein entwicklen, wir können Anwendungen über die proprietäre Schnittstelle mit einem ausgewählten Entwickler erarbeiten oder wie bieten eine offene Schnittstelle an. Dann sollen alle Entwickler mal programmieren und die beste Anwendung soll sich auf der Plattform durchsetzen. Dieser letzte Punkt war der ursprüngliche Facebook-Weg. Das hat zu einer Vielzahl von Applikationen geführt. Wir sind nicht überzeugt, dass die Nutzer sie alle haben wollen.

Gibt es schon Anwendungen, die bald live gehen? Diese Anwendungen sind ja bisher der große Vorteil von Facebook gegenüber StudiVZ?

Unsere Nutzer wünschen sich vor allem eine Verbesserung bestehender Funktionen. Wir werden zunächst unsere Gruppenfunktionen verbessern, die Fotofunktion ebenso wie den Nachrichtendienst. Diese Dinge sind in der Pipeline. Und natürlich planen wir auch komplett neue Funktionen.

Auch einen News-Feed?

Der News-Feed ist noch nicht konkret in der Planung, aber das prüfen wir sehr gründlich.

Führen Sie schon Gespräche mit externen Entwicklern?

Ja. Die Entwickler finden das toll, aber wichtig ist für uns, ob die Nutzer das auch toll finden. Rein eine hohe Zahl an Applikationen bietet keinen Mehrwert. Der iPod ist nicht deshalb ein so überwältigender Erfolg, weil er viele Funktionen hat, sondern weil er ganz einfach zu nutzen ist. Die einfache, intuitive Nutzung ist einer der Kernerfolgsfaktoren von StudiVZ und SchülerVZ.

Hängen diese Planungen nicht zufällig mit dem Facebook-Start in Deutschland zusammen?

Das hat mit Facebook gar nichts zu tun. Das sind unsere eigenen Planungen.

Es gab immer wieder Gerüchte um ein weiteres Netzwerk. Stimmen die?

Ja. Wir werden unmittelbar nach dem Übergang auf die neue Softwarearchitektur unsere VZ-Markenfamilie in dem Segment oberhalb von StudiVZ erweitern. Die neue Marke richtet sich an alle Freunde unserer StudiVZ-Nutzer, die nicht mehr studieren oder gar nicht studiert haben. Wir haben inzwischen 4,8 Millionen Mitglieder auf StudiVZ, aber in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es nur 3,5 Millionen Studenten. Wir bedienen also schon heute ein Segment mit einer Marke, die eigentlich gar nicht für diese Nutzer vorgesehen ist. Das korrigieren wir jetzt. Wir werden dann bestehenden Nutzern die neue VZ-Marke anbieten. Diese neue Marke wird es auf Deutsch und auf Englisch geben.

Wie heißt diese Marke? FreundeVZ? DeutschlandVZ?

Nein, so heißt sie nicht. Den genauen Namen werde ich jetzt noch nicht verraten.

Warum kommt die neue Marke in englischer Sprache, wenn Sie im Ausland alles auf Eis gelegt haben?

Wir haben gesehen, dass viele Studenten, die einmal im Ausland waren, englischsprachige Freunde haben. Die Seite bleibt auf Deutschland fixiert, aber sie soll die Kommunikaiton mit den Freunden im Ausland ermöglichen. Wir wollen aber damit nicht in die Vereinigten Staaten expandieren.

Wollen Sie damit für Sortenreinheit sorgen: Nicht-Studenten raus aus StudiVZ und rein in das neue Netzwerk?

Nein. Es wird eine große Durchlässigkeit zwischen StudiVZ und der neuen Marke geben. Wir wollen den Nutzern keineswegs vorschreiben, ob sie bei StudiVZ bleiben oder zur neuen Marke wechseln. Wir erwarten, dass viele ehemalige Studenten die neue Marke bevorzugen. Auf der neuen Plattform können die Nutzer auch ihre Arbeitgeber-Kontaktdaten sehr viel ausführlicher angeben.

Das klingt etwas nach Business-Netzwerk für ehemalige Studenten, die bisher zu Xing gewechselt sind?

Nein. Im Fokus steht die private Kommunikation. Eine Business-Netzwerk ist es nicht.

Wie eng sind die beiden Netzwerke verzahnt?

Natürlich kann ein Mitglied des neuen Netzwerkes dem StudiVZ-Mitglied Nachrichten senden, wenn dieser es erlaubt. Wer auf die neue Plattform migriert, kann natürlich Dinge wie seine Gruppen oder Fotos mitnehmen. Ein StudiVZ-Mitglied kann dann auch einstellen, ob und mit welchen Informationen er auf der neuen Marke sichtbar ist. StudiVZ-Mitglieder können sich vor ungewollter Kontaktaufnahme von Mitgliedern der neuen Marke schützen, wenn sie es wollen.

Führen Sie öffentliche Profile ein, die von Suchmaschinen gefunden werden können?

Nein, auf keinen Fall.

Was bedeutet die neue Marke für die Entwicklung ihrer Mitgliederzahl?

Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir die Zahl der Mitglieder von heute 7,5 Millionen in diesem Jahr verdoppeln werden. Unser Wachstum ist so stark und wird mit der neuen Marke nochmals beschleunigt, dass wir Ende 2008 bei mindestens 14 Millionen Mitgliedern sein wollen. Das bedeutet auch einen Quantensprung in der Monetarisierung. Wir wollen unseren Umsatz mindestens verdreifachen, wenn nicht vervierfachen in diesem Jahr.

14 Millionen Mitglieder bis Ende 2008: Ist dann das neue Netzwerk das größte der Markenfamilie?

Es kann auch sein, dass SchülerVZ angesichts des großem Wachstums das größte Netzwerk wird. Es gibt in Deutschland acht Millionen Schüler, davon haben sich 2,7 Millionen schon angemeldet. Wir erwarten, dass nicht mehr StudiVZ, sondern SchülerVZ oder die neue Marke das größte Netzwerk sein werden.

Stichwort Monetarisierung. Man spricht von Schwierigkeiten ihrer Vermarkters GWP, die enorme Klickfreunde der Schüler und Studenten in Werbeerlöse umzuwandeln. Wie sehen die Umsätze konkret aus?

Für das deutsche StudiVZ-Kerngeschäft haben wir den Break-even 2007 erreicht. Mit SchülerVZ und dem Auslandsgeschäft haben wir das noch nicht erreicht. Insgesamt haben wir den Break-even noch nicht geschafft.

Wie hoch ist der Umsatz denn nun?

Wir haben einen einstelligen Millionenbetrag erreicht. Mehr darf ich nicht sagen. Wir werden diese Zahl aber mindestens verdrei- oder vervierfachen.

StudiVZ hat einen Wettbewerb unter den Online-Vermarktern ausgeschreiben, den aber wieder der Hausvermarkter GWP gewonnen hat. Hatten Sie überhaupt eine Wahl, GWP den Rücken zu kehren, zumal viele große Vermarkter Interesse gezeigt haben?

Wir hatten völlig freie Hand bei der Wahl des Vermarkters. Wir haben uns mit eigenen großen Vermarktern unterhalten und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass GWP die beste Wahl ist.

Es gibt das Gerücht, dass GWP für den Netzwerk Ihrer Größe nicht gut genug aufgestellt ist und nicht die nötige Technik hat. Stimmt das?

Die GWP wird jetzt sehr stark in Kompetenzen investieren.

Facebook hat eine StudiVZ-Übernahme als mögliche Option bezeichnet. Wie wahrscheinlich ist das?

Unser Gesellschafter hat ein ganz klares Commitment abgegeben, StudiVZ erfolgreich weiter zu betreiben. Ich kann nicht für den Gesellschafter sprechen, aber es gibt meines Wissens keine Pläne, sich von StudiVZ zu trennen. Im Gegenteil: Es wird nochmals sehr stark investiert.

Die Zahl der Seitenaufrufe auf der StudiVZ-Plattform hat im Dezember erstmals stagniert. War das die Auswirkung des Wirbels um ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen?

Mittlerweile haben wir auf den beiden Plattformen StudiVZ und SchülerVZ 7,5 Millionen Mitglieder. Das teilt sich auf in 4,8 Millionen StudiVZ-Mitglieder und 2,7 Millionen Mitglieder auf SchülerVZ. 50 Prozent aller StudiVZ-Mitglieder besuchen die Seite täglich, bei SchülerVZ sind es sogar 60 Prozent. Die Stagnation war vor allem auf Weihnachten zurück zu führen. Das haben wir im vergangenen Jahr auch beobachtet. Inzwischen wächst StudiVZ – über alle Seiten hinweg – wieder um 20000 bis 25000 Mitglieder täglich. Auch das Wachstum der Seitenaufrufe hat wieder das Niveau wie vor Weihnachten erreicht.

Wie viele Mitglieder stimmen der Neufassung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu?

Mehr als 95 Prozent der Mitglieder, die sich jetzt neu registrieren, stimmen den AGB zu. Der Zustimmungsprozess der alten Mitglieder läuft ja noch bis Ende März. Wer dann nicht zugestimmt hat, dessen Profil werden wir löschen, da wir davon ausgehen, dass diese Menschen dann keine Mitglieder sein wollen. Bisher haben aber schon 90 Prozent der Mitglieder haben die neuen AGB akzeptiert. 10 Prozent haben die AGB noch nicht akzeptiert.

Das klingt, als wären Sie mit dem Verlauf der AGB-Umstellung zufrieden?

Mit diesen Werten sind wir sehr zufrieden. Natürlich nicht zufrieden sind wir damit, wie missverständlich die Darstellung in der Öffentlichkeit ist. Das war ein Kommunikationsfehler und dafür möchten wir uns ausdrücklich entschuldigen.

Machen Sie es sich damit nicht zu einfach? Wenn es nur ein Kommunikationsfehler gewesen wäre, hätten Sie die AGB doch nicht nachträglich ändern müssen?

Die Behauptung, StudiVZ würde Nutzerdaten verkaufen, bezog sich auf eine Formulierung, die falsch interpretiert wurde. Die Formulierung, dass wir Nutzerdaten für Ermittlungszwecke der Strafverfolgungsbehörden weitergeben, stand und steht in den AGB, weil wir dem Telemediengesetz und nicht dem Telekommunikationsgesetz unterliegen. Daher müssen wir die Daten speichern und dafür widerum müssen wir unsere Nutzer um Erlaubnis bitten. Die Weitergabe der Daten zu kommerziellen Zwecken war niemals geplant. Das haben wir nicht sauber genug formuliert. Juristisch waren die Texte einwandfrei.

Warum haben Sie dann ihre Anwälte gefeuert, wenn die Texte einwandfrei waren?

Wir haben diese Konsequenz gezogen, weil die Texte nicht so klar wie nötig waren. Einige Formulierungen fehlten, die wir jetzt ergänzt haben. Juristisch waren die Formulierungen korrekt, in der öffentlichen Wahrnehmung missverständlich.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Kritik?

Wir werden als größtes deutsches soziales Netzwerk gemeinsam mit Mitbewerbern und Vertretern aus Politik, dem Datenschutz, dem Jugendschutz und allen interessierten Parteien einen runden Tisch ins Leben rufen, um das Thema zu besetzen. Wir sind schon in Gesprächen mit dem Datenschutzbeauftragten von Berlin und rufen zur Teilnahme an diesem runden Tisch auf, um das neue Phänomen sozialer Netzwerke aus jeder gesellschaftlichen Perspektive zu beleuchten.

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Key messages:

  • StudiVZ, the leading social network in Germany and largest competitor of Facebook and MySpace, plans to launch a new network for former students.
  • StudiVZ will launch a new software platform in the first quarter und open the platform für 3rd party developers.
  • StudiVZ considers to join Open Social. „The possibility to join Open Social is very high”, said StudiVZ-CEO Marcus Riecke.
  • StudiVZ stops the developement of the sites in foreign markets like France, Italy oder Poland. „Full concentration on the german market”, said Riecke.
  • The user-base of the three VZ-networks should double by the end of 2008 to 14 million – at least.

 


2 Lesermeinungen

  1. Marco sagt:

    Tritt man mit dem alumniVZ...
    Tritt man mit dem alumniVZ nicht in den direkten Wettbewerb zu Xing ? :-)

  2. Durch meine Recherche über...
    Durch meine Recherche über StudiVZ bin ich auf dieses Interview gestoßen. Es ist wirklich genial zu lesen, vor allem wenn man 3 Jahre später sieht, dass Facebook StudiVZ so gut wie aus dem Markt gedrängt hat. Auch die angepeilten 14 Millionen User sind aktuell eher nur 1,4 Millionen. Schade eigentlich, dass aus den guten Ansätzen in dem Interview in Wirklichkeit nichts geworden ist.

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