Torsten Ahlers hat AOL nun auch offiziell verlassen. Ahlers war nach dem Verkauf des Zugangsgeschäfts an Hansenet vom Verkaufschef für Online-Werbung an die Spitze des Unternehmens gerückt, um den Umbau vom Online-Dienst mit rund 1500 Beschäftigten zu einem Portal mit etwa 100 Beschäftigten zu managen. Von Anfang an war klar gewesen, dass Ahlers den Posten nur bis zum Abschluss des Umbaus inne haben wird. Ein Nachfolger für den Schleudersitz an der AOL-Spitze ist offenbar noch nicht gefunden. Nach Andreas Schmidt, Uwe Heddendorp, Stan Laurent und Charles Fränkl verlässt mit Ahlers der fünfte Geschäftsführer in diesem Jahrzehnt das Unternehmen.
Hansenet-Chef Harald Rösch (links) und Torsten Ahlers feiern die Vereinigung von Alice und AOL
AOL hatte sich nach dem Verkauf des Zugangsgeschäfts in Europa zunächst darauf konzentriert, ein Portal zu werden. Aber schon kurze Zeit verordete die Konzernspitze in Amerika den nächsten Strategiewechsel: AOL sollte ein Werbenetzwerk werden – verbunden mit erhöhten Renditezielen. Dafür wurden viele neue Portale in Europa gegründet und die Vermarktung fremder Seiten übernommen – auch um den Bedeutungsverlust der eigenen AOL-Seiten in Deutschland, Frankreich und Großbritannien nach den Verkäufen der Zugangsgeschäfte zu kompensieren. Allerdings wird in der Branche bezweifelt, dass es AOL noch einmal gelingen wird, Portale in relevanter Größenordnung aufzubauen. Die Marke besitzt bei den älteren Internetnutzern zwar noch Zugkraft, aber nicht mehr bei den jüngeren Nutzern, wie das nach Altersgruppen gestaffelte Reichweiten-Ranking (Millionen Nutzer je Monat) auf Basis der AGOF-Daten zeigt.
AGOF-Reichweite nach Altersgruppen: AOL verliert bei den Jüngeren an Popularität
In das neue Geschäft hat die AOL-Muttergesellschaft Time Warner sogar kräftig investiert: Der deutsche Adserving-Spezialist Adtech wurde ebenso übernommen wie das soziale Netzwerk Bebo, das in Großbritannien die Nummer 2 hinter Facebook ist, in Deutschland aber keine Rolle spielt.
AOL gehört trotz des Ausstiegs aus dem Zugangsgeschäft noch zu den großen Werbevermarktern. Denn neben den eigenen Seiten betreibt AOL das Werbenetzwerk Adverstising.com, das Werbung auf sehr vielen kleinen Seiten schaltet. Nur die großen Internetunternehmen wie Google, Yahoo und MSN betreiben noch solche großen Netzwerke. In Europa hat United Internet Media zusammen mit dem dem französischen Partner Orange das Werbenetzwerk Ad Europa aufgebaut, um ebenso wie die großen amerikanischen Konkurrenten grenzüberschreitende Werbekampagnen schalten zu können.
Die nächste Veränderung für AOL könnte schon bald kommen: Time Warner verhandelt mit Yahoo über den Verkauf der ungeliebten Tochtergesellschaft. Time Warner könnte AOL für einen 20-Prozent-Anteil in Yahoo einbringen und dazu noch eine Barkomponente geben, damit Yahoo als Abwehr gegen Microsoft eigene Aktien zurückkaufen kann. Allerdings wird die Erfolgschance dieser Idee als gering eingeschätzt. Vielmehr wird damit gerechnet, dass Microsoft schon bald das Rennen um Yahoo für sich entscheidet, weil der Widerstand des Yahoo-Managements bröckelt. Gründer Jerry Yang, der von Anfang an gegen Microsoft war, hat nicht mehr viel Rückendeckung für seine verzweifelte Suche nach einer Alternative für die Microsoft-Übernahme.
Dann wird es für AOL noch schwerer gegen die beiden Branchengiganten Google und Microhoo. Auch für die deutschen oder europäischen Internetunternehmen wäre der Zusammenschluss zwischen Microsoft und Yahoo eine schlechte Nachricht: Die kumulierte Reichweite und Marketingkraft der beiden Unternehmen wäre kaum zu überbieten.
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