Netzwirtschaft

Google lacht, aber Microsoft darf nicht abgeschrieben werden

Der Gewinner von Microsofts gescheitertem Übernahmeversuch sitzt im Silicon Valley. Aber es ist nicht Yahoo und dessen Chef Jerry Yang, für den die Zeit nun noch schwieriger wird. Der Gewinner heißt Google. Wenn sich die Nummer zwei (Yahoo) und die Nummer drei (Microsoft) im Internet-Werbemarkt nicht verbünden wollen, kann das Google, der Nummer eins, nur recht sein. Eine mächtigere Anti-Google-Allianz als Microsofts Geld und Yahoos Popularität kann es nicht geben. Wenn Google zusätzlich noch die geplante Werbepartnerschaft mit Yahoo zustande bringt, ist der Triumph der Suchmaschine zunächst einmal perfekt. Weit ist breit ist nun niemand mehr in Sicht, der Googles dominante Position im lukrativen Geschäft mit der Werbung in Suchmaschinen kurzfristig gefährden könnte. Das Web 1.0 geht klar an Google.

Doch die Internet-Welt besteht nicht nur aus Suchmaschinen; das Spiel um die Herrschaft im Internet ist damit nicht entschieden. Dafür ist die Geschwindigkeit, mit der Innovationen im Netz neue Märkte schaffen und etablierte Geschäfte vernichten, viel zu hoch. So wie sich Werbung in Suchmaschinen innerhalb weniger Jahre aus dem Nichts zu einem 30-Milliarden-Dollar-Markt entwickelt hat, entstehen zurzeit neue Geschäftsfelder, auf denen Google wie alle anderen klein anfangen muss. Soziale Netzwerke, Synonym für das Web 2.0, sind nur ein Beispiel dafür. Junge Unternehmen wie Facebook, Myspace, Twitter, Ning oder Friendfeed stehen für die zweite Web-Generation, in der die Giganten der ersten Generation noch nicht wirklich Fuß gefasst haben. Hart umkämpft ist auch das mobile Internet, in das Google, Microsoft und Yahoo große Hoffnungen setzen. Doch auf diesem Feld ist die Konkurrenz zum ersten Mal genauso groß und stark: Nokia, Apple, AT&T oder die Deutsche Telekom wollen natürlich auch das Geschäft mit dem Internet auf dem Handy machen.  

Selbst im Entwicklerwettstreit um die beste Suchmaschinentechnik ist Google nicht für alle Zeiten gesetzt. Unter dem Stichwort „Web 3.0″ arbeiten Dutzende Suchmaschinen wie Twine, Hakia oder Powerset am sogenannten semantischen Internet, das den Inhalt auf Internetseiten wirklich versteht und nicht nur per Algorithmus sortiert. Dann weiß die Suchmaschine, ob die Bank zum darauf sitzen oder zum Geld einzahlen gemeint ist. Noch hat das semantische Internet die Entwicklungslabors nicht verlassen geschweige denn Geld verdient, doch das Potential, ein Google-Killer zu werden, hat die Technik zweifellos. Denn in einem semantischen Internet wäre Googles komplexer Suchalgorithmus nicht mehr nötig.

Ebenfalls noch am Anfang steht der Wettbewerb um die Frage, wie Computer künftig genutzt werden. Klar ist: Das lange erfolgreiche Microsoft-Modell, in dem Unternehmen wie private Nutzer Softwarelizenzen erwerben und auf ihren eigenen Computern speichern, steht vor der Ablösung. In Zukunft greifen die Anwender per Internet auf Programme und Daten zu, die in Rechenzentren gespeichert sind. Da deren Standort völlig unerheblich ist, wird daher nur noch von der „Wolke” als Synonym für diese riesigen Rechenzentren mit Hunderttausenden Computern gesprochen. Die Größenvorteile machen Speicherplatz „in the cloud” extrem billig; auch der Preis für Software, die nur noch bei Bedarf genutzt und bezahlt wird, tendiert gegen Null. Die „Cloud” könnte also alle etablierten Strukturen in der Informationstechnik zerstören. Wie das gehen könnte, zeigt Google: Das Unternehmen bietet seinen Nutzern kostenlose Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Kalender und E-Mail an und bedroht damit das Stammgeschäft von Microsoft. Nicht zuletzt aus diesem Grund versucht der Softwaregigant mit seiner Initiative „Live Mesh”, das neue Geschäftsfeld schnell zu besetzen – bevor Konkurrenten wie Google, Amazon oder IBM dort Fuß gefasst haben.

Ob Web 2.0, Web 3.0, mobiles Marketing, sematisches Internet oder die Wolke – das Rennen ist offen. Gerade weil das Geschäft von Microsoft vielfach bedroht ist, darf der Softwarekonzern nach dieser Schlappe nicht abgeschrieben werden. Das Unternehmen muss sein Transformation ins Internet fortsetzen. Immerhin hat das Unternehmen 50 Milliarden Dollar übrig, die nun wohl sehr schnell investiert werden. Die Diskussion über Microsofts nächste Übernahmekandidaten hat schon begonnen: Facebook oder Myspace sind ebenso möglich wie die nutzergenerierte Nachrichtenseite Digg.com. Das Geld wird wohl erst einmal in Web-2.0-Unternehmen fließen, da Microsoft trotz der Beteiligung an Facebook noch Nachholbedarf hat.

Das Ende dieses Übernahmeversuchs ist also erst der Anfang einer Serie von Übernahmen und Partnerschaften im Internet. Da die wahren Innovationen in den vergangenen Jahren fast immer von kleinen Unternehmen ausgegangen sind, bleiben die bekannten Mechanismen erst einmal erhalten: Start-Ups haben die Ideen und machen sie groß – in der Hofnung, von einem Großen gekauft zu werden. Da die Zahl der kaufwilligen Großen gleich geblieben ist, dürfen sich die Start-Ups schon sehr bald über rege Nachfrage freuen.

UPDATE: In Amerika wird inzwischen offen diskutiert, ob Steve Ballmer zurücktreten sollte. Vista-Start verpatzt, Xbox läuft nicht, Internet auch nicht: Ist Ballmer der falsche Mann für die Transformation des Softwaregiganten ins Netz?  

 

 

 

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