Rund 1,2 Milliarden Euro geben Deutschlands Klempner, Friseure, Schlüsseldienste, Steuerberater oder Restaurantbesitzer im Jahr für ihre Präsenz in lokalen Branchenverzeichnissen aus. “90 Prozent davon fließen immer noch in Printprodukte wie die Gelben Seiten – obwohl die Menschen heute viel stärker das Internet für die lokale Suche nutzen als früher”, sagt Andreas Albath, Vorstandsvorsitzender des Auskunftsdienstleisters Telegate. Nach einer repräsentativen Untersuchung der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) suchen die Deutschen 670 Millionen Mal im Jahr nach einem lokalen Anbieter. Jeweils 250 Millionen Mal nutzen sie dafür das Internet und die klassischen Gelben Seiten, für 100 Millionen Anfragen greifen die Deutschen zum Telefon, und 56 Millionen Mal wird auf einer CD nachgeschaut, schätzen die Marktforscher. Junge Menschen und Frauen nutzen im Internet tendenziell eher Suchmaschinen, Männer und ältere Menschen setzen vorwiegend auf Verzeichnismedien wie Telegates Portal 11880.com.
“Die lokale Suche ist bei den Internetnutzern angekommen, aber nicht bei den Gewerbetreibenden”, sagt Klaus Harisch, der Chef des Münchner Anbieters Goyellow. Der Grund, warum immer noch viel mehr Geld in gedruckte Produkte als in das Internet fließt, liegt im Vertriebsvorteil der Verlage: Die Gelbe-Seiten-Verlage besitzen traditionell die regionalen Vertriebsnetze, die drei Millionen lokal agierenden kleinen und mittleren Unternehmer anzusprechen. An dieser Mammutaufgabe haben sich die Internetunternehmen bislang die Zähne ausgebissen – sogar Google hat es bisher nicht geschafft.
Das soll nun anders werden: Telegate verfügt nach der Übernahme des Konkurrenten Klicktel über 400 Vertriebsmitarbeiter und bläst damit zum Angriff auf die lokalen Anzeigenmärkte. “Damit haben wir die größte alternative Vertriebsorganisation zur Ansprache der kleinen und mittleren Unternehmen”, sagt Albath. Die 400 Telegate-Mitarbeiter verkaufen aber nicht nur eigene Anzeigen, sondern – als erster “Google-Reseller” überhaupt – auch Google-Anzeigen mit. Google will Anzeigen für seine Suchmaschine und seinen Landkartendienst Maps verkaufen. “Wir haben eine sehr große Nachfrage der kleinen und mittleren Unternehmen nach unseren Anzeigen, die wir mit unserer Mannschaft allein gar nicht abarbeiten können”, sagt Niels Dörje, der bei Google für strategische Partnerschaften zuständig ist. Weitere Vertriebspartner sollen folgen, damit neben den Landkarten mehr bezahlte Anzeigen eingeblendet werden. Google Maps ist mit fünf Millionen Besuchern im Monat bereits ähnlich populär wie die Internetseite “DasÖrtliche.de“, die nach Messungen der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung rund 4,5 Millionen Besucher im Monat anlockt.
Der Markt für die lokale Werbung im Internet ist zwar noch klein, aber schon heiß umkämpft. Neben großen Internetunternehmen wie Google, Yahoo und Web.de sind auch spezialisierte Verzeichnismedien wie 11880.com, Goyellow oder Qype sowie Städteportale wie MeineStadt.de an den Werbebudgets der lokalen Anbieter interessiert. Und natürlich versuchen auch die regionalen Printmedien, sich mit Web-Ablegern lieber selbst zu kannibalisieren, bevor es andere tun. Mit Landkarten, Anfahrtsbeschreibungen, Nutzerbewertungen, kostenlosen Anrufen und Hintergrundinfos versuchen die Internetanbieter, den Nutzern einen Mehrwert gegenüber den gedruckten Exemplaren zu geben.
Der technische Fortschritt wird den Wettbewerb bald zusätzlich anfachen, denn sobald genügend Mobiltelefone mit dem Satellitensystem GPS ausgestattet sind, können die Menschen auf ihrem Handy-Bildschirm ihren aktuellen Standort auf einer Landkarte sehen. Dann ist der nächste Buchladen auch beim Stadtbummel schnell gefunden. Mit der neuen Technik werden aber auch neue Wettbewerber hinzukommen, denn die Mobilfunkgesellschaften wie Vodafone oder auch der Hersteller Nokia werden das Werbegeschäft nicht ignorieren. Mittelfristig könnten sogar die heute noch unbekannten Softwarehersteller, die Programme für moderne Mobiltelefone wie das iPhone von Apple schreiben, an dem Geschäft interessiert sein.
Großes Interesse zeigt bereits der Hamburger Anbieter Qype, der ganz auf das Web 2.0 setzt. Das 2006 gestartete Unternehmen will seinen Nutzern nicht nur den Weg zum nächsten Arzt oder Klempner, sondern zum nächsten guten Arzt oder Klempner zeigen. Qype-Nutzer schreiben dafür Bewertungen über die lokalen Anbieter, ob sie sie gut oder schlecht fanden und ob der Preis berechtigt ist. Rund 45 000 aktive Schreiber habe Qype in Deutschland, sagt der Gründer und Vorstandsvorsitzende Stephan Uhrenbacher. “140 000 Objekte sind inzwischen bewertet. Der Großteil stammt aus den Bereichen Gastronomie und Restaurants, aber auch Einkauf, Mode, Wellness und Ärzte, über die man gerne spricht, sind inzwischen gut abgedeckt”, sagt Uhrenbacher. Dabei gilt: Je größer die Stadt, desto besser ist die Abdeckung der bewerteten Anbieter. Schon 900 000 Menschen suchen bei Qype jeden Monat nach gut bewerteten Anbietern. Nach GfK-Angaben schätzt vor allem die kaufkräftige Zielgruppe der Menschen zwischen 30 und 49 Jahren die Bewertungen anderer Nutzer als wichtige Entscheidungshilfe für die Wahl eines lokalen Anbieters.
Erst seit Februar verkauft Qype auch Anzeigen. Dazu werden Anbieter, die bereits bewertet wurden, gezielt angerufen. Wer für 40 bis 100 Euro je Monat eine Werbung bucht, wird in der Trefferliste oben angezeigt, aber als bezahlter Eintrag auch gekennzeichnet. Aber auch Qype muss sich dafür mühsam durch die Republik telefonieren und klein anfangen. “In diesem Jahr werden wir 1,5 Millionen Euro Umsatz erzielen. Im Jahr 2010 sollen es in Europa dann 15 Millionen Euro sein”, sagt Uhrenbacher, der Ende 2009 oder Anfang 2010 erstmals Gewinne ausweisen will.
Die Idee mit den Bewertungen findet auch die Konkurrenz gut. Telegate lässt auf seinem Portal 11880.com ebenso Bewertungen schreiben wie GoLocal, der das GoYellow gehört. 20000 Bewertungen hat Firmengründer Harisch schon auf Golocal gesammelt und sieht sich damit als Nummer zwei im Markt hinter Qype. Um Anzeigen zu verkaufen, hat er sich inzwischen mit den Gelbe-Seiten-Verlagen verbündet, die neben ihren eigenen Printeinträgen auch seine Werbung mitverkaufen.
Der Sieg des Internet ist für Harisch nur noch eine Frage der Zeit. “Es wird sicher noch einige Jahre dauern, aber dann erfolgt der große Schritt vom Print ins Netz”, erwartet Harisch. Diese These wird von Forschungsergebnissen der GfK gestützt, die in einem Studiotest nach dem Nutzungsempfinden Print vs Internet gefragt hat. Ergebnis: KLarer Vorteil für das Internet.
Im Netz werden sich später die Umsätze der Branchenverzeichnisse und die lokalen Kleinanzeigen miteinander vermischen. Noch ist der lokale Markt nicht verteilt. Nach GfK-Angaben haben sich die meisten Internetnutzer noch nicht für einen lokalen Anbieter entschieden; eine enge Markenbindung besteht zu keinem der Anbieter. Genug Zeit also für die etablierten Anbieter, ihr Revier zu verteidigen.
sich vom schreibtisch...
sich vom schreibtisch entfernen, ein dickes telefonbuch mit haardünnen seiten auf die knie legen und einen arzt suchen? mir ist das zu umständlich, ich gebe mein begehr in die suchmaschine und schon habe ich den arzt den ich suche. wozu sonst gibt es internet?
nostalgie ist eine romantische erinnerung, mitunter erheiternd, oftmals störend.
Ich kenne keinen Menschen der...
Ich kenne keinen Menschen der noch ein Buch in die Hand nimmt um an Informaionen über einen lokalen Anbieter zu gelangen. Fast automatisch benützt man das Internet und das verschafft zu 95% die Informationen die man haben will.
Zumal die Chance auf weitergehende Infomationen viel größer ist als in den diversen Telefonbüchern.
Seit einiger Zeit gibt es dann auch noch den Richtungsweiser I-Phone (in kürze ziehen andere Hersteller nach). Die Kombination aus echtem Internet (Flatrate) und Mobilität ist unglaublich. In Zukunft wird es zumindest in Ballungsräumen nicht mehr ohne Internet gehen. Dank neuer Navigationstechnik (Galileo) gibt es auch hier bald viel genaueres Navigieren. Diese drei Punkte (mobiles Internet mit genauester Navigation) lassen vermuten – Bücher sind bald out.
Allerdings…
auf dem Lande wird sich das ganze noch etwas hinziehen oder vielleicht nie so kommen. dort sucht die Tante Hildegart den Gemüsehändler wahrscheinlich in 30 Jahren noch im Telefonbuch!
bin selber lokaler...
bin selber lokaler einzelhändler an zwei verschiedenen standorten
und habe bereits, mein eigenes recherche verhalten beobachtend, erste konsequenzen gezogen und teile meines werbeetats von den printmedien auf online werbung verlagert.
je mehr informationen zu vermitteln sind umso leichter fällt diese entscheidung,
da die vernetzung mit hilfe von links etc. im netz ein leichtes ist, während im print bereich jede weitere zeile teuer erkauft werden muss.
Wir bei Barrique Landshut...
Wir bei Barrique Landshut sehen das ähnlich. Versuche mit Printwerbung ergaben eine derart miserable response-Quote, egal ob mit Angeboten, Rabatten, events oder was auch immer. Dazu die exorbitanten Kosten, für ein start-up, wie wir es sind, nahezu unerschwinglich. Im Vergleich dazu haben wir viel zeit und Müh´ in das webmarketing investiert und der Erfolg gibt uns Recht, mehr auf dieses Medium zu setzen. Wir verzichten komplett auf Print. Bei Google haben wir mittlerweile ein vernüftiges Ranking erzielt für die lokale Suche. Wer “Landshut” und “Wein” eingibt, findet uns auf den ersten Google-Seiten häufiger als andere. Und da unser Hauptmarkt das städtische und ländliche Umfeld Landshuts ist, werden wir auch sehr oft über das web entdeckt. Das bringt neue Kunden und die Imageverstärkung ist erkennbar. Lästig ist hingegen manchmal die Penetranz von Anbietern, die einem mit 1000 Statistiken unbedingt einen Werbevertrag aufdrücken wollen. Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Da wärs mal eine Idee über neue Benefits für Werbende nachzudenken. Was habe ich als Enzelhändler in Stadt XY konkret davon eine kostenpflichtige Werbung zu setzen anstatt das kostenfreie Basis-Angebot der meisten Plattformen zu nutzen. Da kann noch keiner so recht antworten…..mehr page impressions, farbig hinterlegte Anzeige, popup bei Seitenaufrauf und andere wahnsinnig tolle Ideen. Wuahhaha, was haben wir gelacht.
Man sollte mal drüber nachdenken, daß eine Verquickung von persönlicher Ansprache und web-markting vielleicht für Kunden interessant sein könnte. Da ist auch web 2.0 noch zu eindimensional. Winespectator
Möchte nur kurz ein...
Möchte nur kurz ein technisches Problem melden: wie kommt es, dass dieser Post nicht im Netzökonom-RSS-Feed ist? Hätte diesen schönen Beitrag fast verpasst!
Es ist wirklich unbegreiflich,...
Es ist wirklich unbegreiflich, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen immernoch ihr Geld verbrennen, indem sie vor Allem auf Print setzen.
Wie die anderen schon gesagt haben: Wenn man sein eigenes Suchverhalten beobachtet, merkt man schon von selbst, welchen Stellenwert das Internet heute einnimmt.
Doch immerhin wurde schon erkannt, das Werbung an sich wichtig ist. Wer soll mein tolles Produkt kaufen, wenn keiner weiß, das es existiert und wo es zu bekommen ist.
Es muss also einen anderen Grund, als mangelnde Einsicht geben. Ich vermute, es liegt an der Überforderung. Es ist leicht, sich einfach für die drei bekanntesten Anbieter im Print-Bereich zu entscheiden. Doch im Internet lässt sich die Frage nach der richtigen Plattform nicht so einfach beantworten, denn die altehrwürdigen sind nicht unbedingt die, die am häufigsten genutzt werden, wie der Artikel ja recht deutlich macht.
Elocallisting.com scheint das für den amerikanische Markt schon erkannt zu haben. Ich denke eine deutsche Entsprechung ist http://www.Lokaleintrag.de. Diese Firmen haben sich darauf spezialisiert, für ihre Kunden, die richtigen und wichtigen allgemeinen und branchenspezifischen Verzeichnisse zu finden, und ihnen die Arbeit des Eintragens abzunehmen. Außerdem bieten sie ihre Services auch im Bereich der mobilen Apps und der Local Based Services (LBS) an, einem sehr neuen Feld, dass sich bisher ja eher wenige erschlossen haben.
Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis auch dieser Bereich vollständig professionalisiert sein wird. Und dann werden die Printverzeichnisse sicher noch viel schneller verschwinden… Sie existieren ja wirklich vor allem noch, weil Anzeigen gekauft werden, nicht weil jemand in ihnen sucht.
ich finde es durchaus...
ich finde es durchaus überraschend, dass sich mehrere Hundert Anbieter einen Kuchen von 14 % teilen, während die großen Telefonbuchverlage 52 % halten. Spannend wäre zu untersuchen, wie die Gruppe der Befragten ausgewählt wurde. Ich vermute nämlich, dass wesentlich mehr Leute über das Browsersuchfeld bzw. eine Suchmaschine nach Branchen suchen, die aber bei der Umfrage nicht erfasst wurden. Ein Geschäft, dass aber vermutlich bald noch stärker von Google dominiert werden wird.
Interessant finde ich in dem Zusammenhang übrigens die OVK Online Report 2010/II Studie, nach der der Online Werbemarkt 2010 auf vermutlich über 5 Mrd. € wächst und bald mit ca. 19 % größer als der Print-Anzeigenmarkt sein wird.
Die heranwachsenden...
Die heranwachsenden Generationen werden nicht mal mehr wissen was ein Telefonbuch ist. Habe schon seit Jahren keines mehr in der Hand gehabt. Irgendwann werden wir die gelben Bücher dann in einem Museeum betrachten dürfen. Verstehe auch nicht wie Unternehmen nicht schon längst auf das Internet umgestiegen sind. Der Wechsel muss bei manchen noch im Kopf vollzogen werden.
<p>Ich stimme Oskar zu, dass...
Ich stimme Oskar zu, dass jüngere Generationen immer mehr zum Web tendieren. Leider habe ich keine aktuellere Statistik als diese hier angegebene gefunden. Ich würde mich freuen, wenn jemand Aktuellere hätte und diese posten würde.