DSL ist für viele Menschen auf dem Land ein Ärgernis. Selbst in Gebieten, die theoretisch mit DSL versorgt sind, gibt es viele Haushalte, die nur eine sehr langsame Verbindung haben. Rund 10 Prozent der Deutschen haben bisher überhaupt keinen Zugang zum schnellen DSL-Netz. Nun will sich der Mobilfunkanbieter Vodafone verpflichten, die bisher nicht mit DSL versorgten Gebiete in Deutschland mit schnellen Internetzugängen zu versorgen, wie Vodafone-Chef Fritz Joussen im Gespräch mit meinem Kollegen Johannes Winkelhage sagte.
Herr Joussen, durch die Digitalisierung des Fernsehrundfunks oder kurz durch DVB-T sind Funkfrequenzen frei geworden, auf die die Mobilfunk-Unternehmen ganz scharf sind. Was wollen Sie dann damit anstellen?
Wir glauben, dass dieses Spektrum, das auch „Digitale Dividende” genannt wird, am besten für die Versorgung der ländlichen Gebiete mit breitbandigen Internetzugängen genutzt werden kann. Wenn dies nicht gelingt, wird es über kurz oder lang Standorte erster, zweiter und dritter Klasse in Deutschland geben. Das ist eine schleichende Gefahr, deswegen müssen Politik und Industrie jetzt gemeinsam handeln. Wir brauchen eine „Allianz für Infrastruktur”. Bund, Länder und Industrie müssen an einem Tisch sitzen.
Sie meinen auch die rund 10 Prozent der Bevölkerung, die keinen schnellen Internetzugang haben, würden dann mit DSL-Geschwindigkeit angeschlossen?
Ja. Es geht um die Lebens- und Standortqualität dieser Gebiete. Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten: Die Mobilfunkunternehmen erhalten bundesweit einen Teil des freien Frequenzspektrums und verpflichten sich im Gegenzug, diese Gebiete innerhalb eines festgelegten Zeitraums zu versorgen.
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Breitband-Atlas Deutschland
Zahl der verfügbaren Breitband-Techniken in Deutschland – laut Bundeswirtschaftsministerium gibt es weiße Flecken, also Gebiete ohne Breitbandversorgung, vor allem im Osten.
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Damit wäre der digitale Graben geschlossen, der das Land bisher durchzieht?
Hier wird sonst eine riesige Chance vergeben, wenn wir diesen Weg nicht gehen. Übrigens benötigen wir nicht das gesamte freie Spektrum von 400 Megahertz. Knapp die Hälfte würde völlig genügen.
Wie soll das Spektrum verteilt werden?
Vodafone will nichts geschenkt haben. Frequenzen sind die wichtigste Ressource im Infrastrukturbereich. Darum sollten sie versteigert werden. In die Versteigerungsbedingungen kann dann die Verpflichtung aufgenommen werden, die entsprechenden Gebiete zügig zu versorgen. Sehr detailliert, mit Postleitzahl und allen notwendigen Spezifikationen. Es braucht sich niemand auf mündliche Zusagen oder Versprechen zu verlassen, ich bin bereit, eine Verpflichtung abzugeben.
Na denn. Die Frequenzen sind schon frei. Wie weit ist denn der Vergabeprozess fortgeschritten?
Es passiert seit einem Jahr so gut wie nichts. Leider. Deutschland vernachlässigt die ländlichen Gebiete in dieser Hinsicht in sträflicher Weise. Wenn Deutschland sich wie ein Wirtschaftsbetrieb verhalten würde, wäre längst erkannt, dass funktionierende Datenautobahnen der wichtigste Erfolgsfaktor sind. Den Kommunen in den nicht versorgten Gebieten laufen die Betriebe in Scharen davon, die kleinen wie die großen. Und neue Unternehmen siedeln sich gar nicht erst an. Wenn nichts passiert, können Sie diese Gegenden bald abschreiben, weil niemand mehr kommt und die Jungen gehen.
Dann müssten die Länder doch ein großes Interesse an einer schnellen Vergabe haben.
Ich habe während der Diskussion über die Lizenzvergabe für das mobile Fernsehen im vergangenen Jahr eines gelernt: Entscheidungen fallen in Deutschland nicht schnell, wenn es um Länderinteressen geht. Um es vorsichtig auszudrücken. Medienpolitik ist hierzulande kompliziert.
Es liegt also an der föderalen Struktur?
Glauben Sie, es gäbe eben solche Schwierigkeiten, wenn der Bund dies alleine zu entscheiden hätte? Die Struktur ist das Problem, nicht das Ziel. Die Länder sagen sich im Moment: Die Frequenzen sind eine Ressource, die wir verwalten können, und die geben wir zunächst einmal nicht ab. Es ist ihnen noch nicht klar, dass die Entscheidung lautet, entweder einen weiteren Shoppingsender auf der Basis von DVB-T zu installieren, oder eine flächendeckende Versorgung der ländlichen Gebiete zu sichern. Das ist eine Stilblüte des deutschen Föderalismus.
Und nun? Was soll werden?
Meine Befürchtung ist, dass in den nächsten zwei Jahren von allein nichts passiert. Das aber wäre schädlich für den Standort Deutschland. Daher brauchen wir eine konzertierte Aktion der Politik unter der Regie des Bundes, um aus dieser Sackgasse wieder herauszukommen. Dabei muss natürlich auch dafür gesorgt werden, dass die Länder einen Ausgleich für die Aufgabe der Frequenzen erhalten, wenn der Versteigerungserlös aus einer solchen Auktion dem Bund zufließt. Wichtig ist jetzt, dass man sich an einen Tisch setzt und Rahmenbedingungen schafft, die es den Ländern erlauben, über ihren Schatten zu springen. Wir brauchen ein neues Verständnis für Infrastruktur im 21. Jahrhundert. Das sind nicht nur Autobahnen, Flughäfen und Bahnstrecken. Das sind vor allen Dingen die Datenautobahnen.
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Ein Blick auf den Breitband-Atlas 2006 zeigt die Verfügbarkeit der DSL-Technik in Prozent der Haushalte. Inzwischen dürfte sich die Situation etwas verbessert haben.
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Wie schnell käme denn dann der Ausbau der bisher nicht mit schnellem Internet versorgten Gebiete?
Das kann sehr schnell gehen. Wenn genügend Spektrum vergeben wird, um mehrere Anbieter zu bedienen, hat jedes Unternehmen den Anreiz, schnell zu sein und als erstes mit Breitband-Angeboten in diesen Gebieten vertreten zu sein. Schon derjenige, der dort als Zweiter an den Start geht, hat schlechtere Karten. Deshalb werden die potentiellen Kunden nicht lange warten müssen.
Glauben Sie, dass die anderen Mobilfunkunternehmen das auch für eine gute Idee halten?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass mindestens T-Mobile diesen Weg mitgehen wird.
Das ist ja auch eine Frage der notwendigen Investitionen. Wie viel würde denn ein solcher Netzausbau kosten?
Allein der Netzausbau in den entsprechenden Gebieten würde wohl einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag erfordern. Hinzu kämen die Kosten für die Lizenz. Das bedeutet für uns auch ein unternehmerisches Risiko. Wichtig für Vodafone und die anderen Unternehmen ist jetzt vor allem ein Signal, wie es weitergehen soll. Wir brauchen Planungssicherheit, ob wir die Frequenzen bekommen oder nicht.
Die Versteigerungserlöse würden aber nicht das Milliardenniveau der UMTS-Auktion erreichen, oder?
Nein. Das werden mit Sicherheit niedrigere Beträge. Es wird sich aber deutlich zeigen, welchen großen Wert gerade dieses Spektrum wirklich hat. Sie können auf diesen niedrigeren Frequenzen größere Gebiete mit wenigen Mobilfunkstationen abdecken. Erst dadurch wird im Übrigen eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Abdeckung des ländlichen Raumes möglich.
Sie können die Frequenzen aber auch in den Ballungsgebieten gut gebrauchen, um Ihre Kapazität zu erhöhen und mehr Dienste anbieten zu können. Auch als Wettbewerber zum Festnetz.
Das stimmt. Das wird auch dazu führen, dass wir in den Städten und heute schon DSL-versorgten Gebieten schnell interessante Angebote auf Mobilfunkbasis machen können. Der Kunde würde von erstklassiger Versorgung und im Wettbewerb wahrscheinlich weiter fallenden Preisen profitieren.
Zum Thema
- Telekommunikation: Regulierer entfacht DSL-Wettbewerb auf dem Land
- Kommentar: Offene Türen
- DSL-Anbindung: Landgemeinden suchen Anschluss
- Breitbandversorgung: Fast 1500 Gemeinden sind vom DSL-Netz abgeschnitten
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Die verfügbaren Breitband-Techniken nach Bundesländern (Quelle Breitbandatlas)
Digitale Dividende
Mit der Digitalisierung des terrestrischen Rundfunks, die vielen Bürgern besser unter dem Kürzel DVB-T bekannt ist, brauchen die Sender weniger Spektrum, um ihre Programme zu den Kunden zu schicken. Dadurch werden Frequenzen frei, die neu verteilt werden können und als „Digitale Dividende” bezeichnet werden. Dabei haben die Länder wie in der gesamten Medienpolitik in Deutschland das Sagen oder zumindest ein weitreichendes Mitspracherecht. Derzeit setzen diese aber unter anderem auf eine Ausweitung der Fernseh- und Rundfunkangebote, zur Nutzung der „Digitalen Dividende”. Da die frei werdenden Frequenzen einen relativ langwelligen Teil des Spektrums ausmachen, können hier aber auch Mobilfunkunternehmen mit relativ wenig Basisstationen eine große Fläche abdecken und mobiles Breitband-Internet anbieten. Erst dadurch wird die Versorgung dieser Gebiete möglich.
<p>Abgesehen davon dass im...
Abgesehen davon dass im Gespräch irritierend oft das Wort “Deutschland” auftaucht (Deutschland tut dies nicht Deutschland tut das nicht) ist hier auch einmal mehr zu sehen dass Interessenvertreter der Wirtschaft nach wie vor denken, ihre Interessen am ehesten dadurch in der Öffentlichkeit durchsetzen zu können indem sie den Teufel an die Wand malen (“Betriebe laufen in Scharen davon”). Nun ist man ja derlei Übertreibungen gewöhnt, allerdings handelt es sich bei Vodafone um keinen Samariter der den unterversorgten Gebieten im Nordosten (siehe weiße Flecken auf der Karte) was gutes tun will sondern die wollen damit Geld verdienen. Die Länder sind gut beraten hier keine Schnellschüsse zu machen und in falscher Hast die Frequenzen auf Jahre zu vergeben und damit zB neue Monopole zu zementieren. Und bedenkt man wie lange die Mobilfunker gebraucht haben, um das UMTS Netz aufzubauen ..
@Michael: Fest steht, dass der...
@Michael: Fest steht, dass der Bursche von vodafone aber recht hat: Sobald ein deutschlandweit wichtiges Thema Ländersache wird, ist es vorbei mit jeglicher Entschlusskraft, von Terminen will ich mal gar nicht reden. Ich sag nur: Digitaler Behördenfunk.
Die Mobilfunker haben ihre Termine für den UMTS-Ausbau gehalten und damit ein Netz geschaffen, das damals eben noch keiner brauchte.
Aber: Hoch lebe der Föderalismus, welches andere Land mit vergleichbarer wirtschaftlicher Situation leistet sich schon 17 Regierungsapparate…
<p>Es stimmt. Der ländliche...
Es stimmt. Der ländliche Raum wird vernachlässigt ! Bis die Behörden sich bequemen tatsächlich in irgendeiner Form aktiv zu werden geht leider nur im Schneckentempo. Ich liege der Telekom wie den Behörden seit Jahren damit in den Ohren.
Mit meiner kleinen Firma im Nordschwarzwald (Technologiemusterländle Baden-Württemberg wohlgemerkt) haben wir nur eine DSL-Verbindung auf dem niedrigsten Level. Wir sind aber auf den Versand von Grafiken und Druckdaten in großen Mengen angewiesen, da stellt sich dann schon sehr ernsthaft die Standortfrage.
Eben mal eine kleine Grafik als e-mail-Anhang zu verschicken geht oft nicht, weil es die Datenübertragungsgeschwindigkeit einfach nicht zulässt. Dann immer mitteilen zu müssen, geht leider nicht, geht nur per ftp, ist schon peinlich.
Bleibt immer nur sarkastisch mitzuteilen, sorry ich wohne im DSL-Entwicklungsland Baden-Württemberg.
Natürlich wollen die...
Natürlich wollen die Mobilfunkkonzerne Geld verdienen – wir sind eine soziale Marktwirtschaft! Und die Argumente von Herrn Joussen passen nicht nur zur Wirtschaft: Ich würde nicht in ein Gebiet ziehen das nicht mit DSL versorgt werden kann – wir als Familie nutzen das Internet intensiv und ziehen unsere Vorteile aus dem Breitbandnetz – und darauf wollen und werden wir nicht verzichten! Was das für Auswirkungen auf die Demografie betroffener Kommunen und Gemeinden hat kann sich jeder denken.
Viel gravierender muss das für Betriebe sein, die auf eine stabile, funktionierende und verlässliche Infrastruktur angewiesen sind. Sämtliche IT-Betriebe werden beispielsweise geografisch ausgeschlossen (Datenverkehr, Fernwartung, Server etc). Hier im Allgäu beispielsweise drosselt die Telekom bewusst die Geschwindigkeit der ADSL Verbindung die technisch höher ausfallen könnte – um teure Standleitungen zu verkaufen!
Hier muss was passieren – die Kapazitäten sind da, die Nachfrage ist da und, wie Herr Joussen verdeutlich, das Angebot wäre da wenn die entsprechenden Voraussetzungen von Bund und Länder geschaffen werden.
"Wie schnell käme denn dann...
“Wie schnell käme denn dann der Ausbau der bisher nicht mit schnellem Internet versorgten Gebiete?
Das kann sehr schnell gehen.”
Das war vor einem Jahr! Danke.
Besonders wichtig ist gerade...
Besonders wichtig ist gerade für mittelständische Unternehmen, die den wachsenden Anforderungen der Globalisierung Stand halten wollen ein leistungsfähiger Datenzugang. Insofern sollten sich die Verantwortlichen schon einmal überlegen, dass die Entwicklung und der Fortschritt, ja letztlich der Bestand der mittelständischen Unternehmen von Einrichtung hocheffizienter Datenzugänge abhängt. Viele Betriebe müssen auf SDSL Anschlüsse zurück greifen, weil vergleichbare Standleitungen eventuell viel zu teuer werden. Insofern wäre es schon wünschenswert, wenn die Einrichtung von SDSL auch flächendeckend in ländlichen Gebieten möglich wäre.
In diesem Sinne
LG
A.Wallau