Ebay ist mit 14,5 Millionen aktiven Mitgliedern der größte Internet-Marktplatz in Deutschland. Zuletzt ließ die Wachstumsdynamik allerdings nach; viele Händler kehrten Ebay den Rücken zu. Mit einer Änderung des Geschäftsmodells will der Deutschland-Chef Stefan Groß-Selbeck den alten Schwung zurückgewinnen.(-> FAZ-Artikel zum Thema)
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Herr Groß-Selbeck, was wollen Sie tun, um die Händler wieder für Ebay zu begeistern?
Wir schaffen ein neues Geschäftsmodell für gewerbliche Anbieter. Sie haben künftig die Möglichkeit, Produkte zu niedrigen Einstellgebühren oder sogar einer Flatrate bei gleichzeitig langen Laufzeiten einzustellen. Wir verbessern auch signifikant die Art und Weise, Artikel auf dem Marktplatz zu finden. Und wir verbessern den Käuferschutz.
Was heißt das konkret?
Wer heute nach einem Produkt sucht, bekommt die Auktionen und Festpreisangebote angezeigt. Separat davon werden die Angebote in unseren Shops gezeigt. Diese Shopangebote sind unter den Verkäufern sehr beliebt, weil sie eine niedrige Einstellgebühr und eine lange Laufzeit haben. In Zukunft werden wir diese Shopartikel zu einem neuen Festpreisformat umwandeln. Diese Shopartikel sind dann komplett in die Ergebnisse der Ebay-Suche integriert. Der Nachteil der nicht so guten Auffindbarkeit verschwindet, aber die Vorteile bleiben. Damit senken wir die Zahl der Formate auf Ebay von drei auf zwei. Es gibt dann nur noch Auktionen und Festpreis.
Die Senkung der Einstellgebühr soll also zu einer Verdopplung des Angebots führen?
Die Verdopplung auf mehr als 18 Millionen Artikel schaffen wir über Nacht, indem wir die Shopangebote in die normale Suche integrieren. Wir hoffen natürlich, dass das neue Angebot darüber hinaus noch mehr Inventar auf die Seite bringt.
Ihre Einstellgebühren liegen heute zwischen 25 Cent und 4,80 Euro. Wie hoch werden die Einstellgebühren künftig sein?
Zwischen 0 und 10 Cent, je nach Produktkategorie und inklusive Galeriebild.
Wenn Ebay die Einstellgebühr so drastisch senkt, dann wird die Verkaufsprovision doch sicher erhöht?
Die Verkaufsprovision steigt in einigen Bereichen an. In vielen wesentlichen Produktkategorien sinkt aber die Gesamtgebührenbelastung; in einigen Bereichen wird die Belastung für die Verkäufer aber auch steigen. Das Entscheidende ist das neue Geschäftsmodell: Ein gewerblicher Verkäufer kann jetzt auf Ebay das tun, was er auch in anderen Webshops tun kann, nämlich sein gesamtes Inventar online stellen und zum Verkauf anbieten. Der Verkäufer ist aber nicht mehr darauf angewiesen, innerhalb von zehn Tagen zu verkaufen, weil das Listing ausläuft, sondern kann das Angebot mit unbegrenzter Laufzeit zeigen. Für unsere guten Verkäufer mit einer Bewertung von mindestens 4,0 führen wir dafür zusätzlich eine Flatrate ein: Ein Shopabonnement für 299 Euro im Monat berechtigt die Shopbetreiber, so viele Produkte einzustellen wie sie möchten.
Welche Verschiebungen werden diese Änderungen auf dem Marktplatz bringen?
Das Angebot richtet sich an gewerbliche Anbieter. Damit wird das Angebot an neuen, aktuellen Produkten ausgeweitet.
Wird Ebay also doch ein zweites Amazon?
Natürlich nicht. Unsere Mischung aus kleinen, mittleren und großen Verkäufern hat sonst niemand. Aber natürlich stehen wir mit Amazon in einem harten Wettbewerb. Aber wir sind die Nummer Eins.
Warum geht Ebay diesen Schritt erst jetzt und nachdem viele Händler zu anderen Seiten wie Amazon abgewandert sind?
Unsere Händler wünschen sich ein solches Geschäftsmodell schon lange. Aber erst jetzt haben wir eine Suchtechnik, die es ermöglicht, diese Angebotsmenge zu bearbeiten und die dem Käufer sehr schnell relevante Suchergebnisse zeigt.
Suche ist ein gutes Stichwort. Viele Käufer finden in den langen Listen nicht das gesuchte Produkt. Wird das verbessert?
Ja. Das neue Geschäftsmodell für die gewerblichen Händler geht Hand in Hand mit unserer neuen Suche. Unsere Suche hatte als Standardeinstellung, die Suchergebnisse nach Restlaufzeiten der Auktionen zu sortieren. Diese Sortierlogik ist für Auktionen sehr sinnvoll, für Festpreisangebote aber nicht. Diese Produkte werden wir künftig nach ihrer Popularität sortieren, die sich wiederum an den verfolgten Verkäufen orientiert. Den Mix aus Auktion und Festpreis werden wir künftig nach Käuferbedürfnissen steuern.
Wie wird Popularität gemessen?
Ein Beispiel: Wenn zwei Verkäufer jeweils 100 gleiche Handys einstellen und Verkäufer A nach drei Tagen 70 Geräte verkauft hat, Verkäufer B aber erst 10 Telefone, dann ist das Angebot von Verkäufer A offensichtlich populärer und wird daher von unseren Algorithmus bevorzugt behandelt werden, also weiter oben gelistet werden.
Bevorzugt dieses Verfahren nicht große Händler?
Wenn große Händler besonders günstige Preise haben, dann vielleicht. Aber gerade kleine Händler haben oft die attraktivsten Angebote. Entscheidend ist, was der Käufer davon hat.
Und was ist mit PayPal?
Bei diesen neuen Shopangeboten ist PayPal automatisch als Zahlungsoption integriert. Der Käufer kann natürlich auch eine andere Zahlmöglichkeit wählen.
Aber PayPal erhöht die Verkaufsgebühren wieder. Geht damit der Vorteil der niedrigeren Einstellgebühr wieder verloren?
Nein. Die meisten Verkäufer werden inklusive PayPal-Gebühr mindestens gleich gut oder besser wegkommen.
Ein Problem von Ebay war und ist das Vertrauen. Wie wollen Sie Ihre Käufer und Verkäufer besser schützen?
Im PayPal-Käuferschutz waren die Käufer bis zu 1000 Euro abgesichert. Das Limit fällt künftig weg; Käufer sind unbegrenzt abgesichert. Auf der Verkäuferseite erweitern wir den Schutz auch auf grenzüberschreitende Transaktionen. Wenn ein Käufer im Ausland seine Kreditkartenzahlung zurückgebucht hat, ist der Verkäufer dagegen heute nicht geschützt. Ab sofort übernimmt PayPal dieses Risiko.
Wie sieht es aus mit den Bewertungen der Verkäufer?
Die detaillierten Verkäuferbewertungen werden besser. Das bestärkt uns, diesen Weg weiter zu gehen. Das wird sicher einigen Verkäufern nicht gefallen, aber die müssen sich eben anstrengen. Daher führen wir Sanktionen für die Verkäufer ein, die unsere Standards nicht erfüllen. Dazu gehört die Rückstufung in den Suchlisten über eine Begrenzung der Einstellungen bis hin zum Ausschluss.
Ebay hat Verkäufern die Möglichkeit genommen, Käufer zu bewerten. Das hat viele Verkäufer auf die Palme gebracht. War es das wert?
Dass Verkäufer die Käufer nicht mehr negativ bewerten können, war in der Tat ein heiß diskutiertes Thema. Mit der Änderung des Bewertungssystems unterbinden wir so genannte Rachebewertungen, also ungerechtfertigt schlechte Bewertungen für Käufer. Diese Rachebewertungen sind nun verschwunden. Das ist eine deutliche Verbesserung für die Käufer.
Ein großes Ärgernis für Käufer sind überhöhte und manchmal intransparente Versandkosten. Wann beseitigen Sie das Problem endlich?
Seit Mitte Juni gelten für 31 Kategorien Obergrenzen für Versandkosten zwischen 5 und 8 Euro je Lieferung – und wir planen solche Grenzen auch für weitere Kategorien. Darüber hinaus müssen unsere Verkäufer zukünftig mindestens einen Versandservice mit allein anfallenden Kosten mit angeben. Ohne die Angabe von Versandkosten können künftig keine Produkte mehr eingestellt werden.
Ist diese Neuausrichtung des Geschäftsmodells ein Vorbild für andere Länder?
So weit wie Deutschland ist kein anderer Ebay-Marktplatz gegangen. Eine Änderung des Geschäftsmodells in dieser Form wird es in anderen Ländern nicht geben.
Im Februar hat Ebay bereits das Einstellen von Privatauktionen kostenlos gemacht, um das Angebot zu erhöhen. Was hat dieser Schritt gebracht?
Das hat dem Geschäft zwischen privaten Konsumenten richtigen Schub gegeben. Vor der Preisänderung hatten wir etwa 1,4 Millionen Angebote privater Nutzer in der klassischen Auktion. Heute sind es 3,7 Millionen. Das bedeutet, dass der Anteil der privaten Angebote auf der Seite von 35 auf 46 Prozent hochgegangen ist. Der Preisschritt hat also eine deutliche Stärkung des klassischen Ebay-Segments gebracht.
Hat die erste Welle der Änderungen das Transaktionsvolumen spürbar hochgetrieben?
Ja, wir haben einen deutlichen Anstieg der Handelsaktivität erreicht.
Und wie wirkt sich das auf den Umsatz aus?
Positiv. Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung.
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