Netzwirtschaft

Ebay-Umbau trifft Deutschland besonders hart

Bild zu: Ebay-Umbau trifft Deutschland besonders hartDer neue Ebay-Chef John Donahoe greift durch. Besonders hart trifft es Deutschland, den wichtigsten Auslandsmarkt: Rund 8 Prozent der mehr als 1000 Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen müssen, kommen aus Deutschland. Betroffen ist ausschließlich die Verwaltung, während der Kundenservice unangetastet bleibt. Zentrale Funktionen für das Marketing und die Marktplätze werden von Berlin-Dreilinden nach London und Bern verlagert. In Berlin bleibt dann nur eine kleine Verwaltungsmannschaft übrig. Was dann aus dem Deutschland-Statthalter Stefan Groß-Selbeck und dem Marktplatz-Chef Frerk-Malte Feller wird, ist offen. Zunächst werden die beiden Manager den Umbau von Ebay begleiten, sagte ein Sprecher.

Donahoe reagiert mit diesem Totalumbau, der den Landesgesellschaften einen Großteil ihrer Kompetenzen nimmt, auf die anhaltende Wachstumsschwäche des Unternehmens. In Deutschland ist schon seit Anfang 2005 nur noch geringes Wachstum verzeichnet worden. Selbst mehrere Eingriffe in das Auktionssystem(-> Ebay ändert sein Geschäftsmodell) haben offenbar nicht den gewünschten Erfolg gebracht.

Parallel zum Totalumbau investiert Ebay aber auch: Mitten in der Finanzkrise übernimmt Ebay für rund 945 Millionen Dollar den Online-Bezahldienst Bill Me Later, der mit dem Bezahldienst PayPal verschmolzen werden soll. Für weitere 390 Millionen Dollar kauft Ebay die dänischen Online-Handelsportale dba.dk und bilbasen.dk, um seine führenden Positionen im Kleinanzeigengeschäft auszubauen.

Was ist eigentlich los bei Ebay? Ebay, den großen Flohmarkt für Gebrauchtes aller Art, gibt es nicht mehr. Statt wie früher Auktionen bestimmen heute Verkäufe zu Festpreisen das Geschehen. Statt der vielen privaten Verkäufer und kleinen Händler, die Ebay groß gemacht haben, gewinnen professionelle Händler die Obermacht. Spätestens seitdem der neue Ebay-Vorstandschef John Donahoe klammheimlich fünf Millionen Festpreisangebote des Handelsriesen Buy.com auf Ebay einstellen ließ und dem Unternehmen dabei deutlich bessere Angebotskonditionen gewährte als seinen angestammten Händlern, fühlen sich viele Ebay-Veteranen verraten. Mit den Lieferkonditionen von Buy.com können die kleinen Händler nicht mehr mithalten; ihr Geschäft bricht ein.

Viele Händler sehen in Ebay inzwischen den gierigen Monopolisten, der die Einstellgebühren und Verkaufsprovisionen immer weiter hochschraubt und eigentlich nur noch Interesse an großen Händlern hat – mit dem Ziel, aus dem bunten Flohmarkt einen blitzsauberen Supermarkt zu machen. Dann aber wäre Ebay wie Amazon – nur nicht so gut. (-> Amazon will Ebay die Händler abwerben). Ebay ist als Auktionsplattform einzigartig, aber Amazon ist als Händler einfach besser. In diesem Geschäft spielen eben nicht mehr Ebays einzigartige Netzwerkeffekte die entscheidende Rolle, sondern ganz klassische Faktoren wie Preis, Lieferqualität und Service. Ebay wäre nicht mehr Ebay, sondern nur noch ein großer Marktplatz. Dann aber hätte Ebay einen großen Teil seines einzigartigen Wettbewerbsvorteils verloren.

Was hat Ebay veranlasst, seine Wurzeln zu verlassen, die der Gründer Pierre Omidyar 1995 gelegt hat? Sein Marktplatz für private Auktionen aller Art war die Geschäftsidee der ersten Internetgeneration. Omidyar hatte die richtige Idee zur richtigen Zeit; den Rest erledigten die erfahrene Managerin Meg Whitman und die Netzwerkeffekte. Denn mit jedem neuen Verkäufer wuchs der Wert von Ebay für die Käufer, da immer mehr Wünsche auch nach exotischen Produkten in Erfüllung gingen. Und von jedem neuen Käufer wurden neue Verkäufer angelockt, weil sie ihre Produkte gut verkaufen konnten. Wenn das Management keine Fehler macht, führen diese Netzwerkeffekte in der Theorie zu einem Monopol. Meg Whitman hat das in sehr vielen Ländern geschafft. Ebay hat dabei Milliarden verdient, und eigentlich konnte nichts die Erfolgsgeschichte gefährden.

Doch etwa im Jahr 2004 erlahmten die Wachstumskräfte. Wenn ein Unternehmen 95 Prozent aller Auktionen auf sich vereint, bleibt nicht mehr viel Spielraum. Also begann Ebay die Suche nach neuen Wachstumsfeldern. Professionelle Händler, die zu Festpreisen verkaufen, wurden auf die Plattform geholt und machten den traditionellen Ebay-Verkäufern fortan Konkurrenz. Sinnvolle Akquisitionen wie der Zahlungsdienst Paypal und unsinnige, fast als Panikreaktion erscheinende überteuerte Übernahmen wie der Telefondienstleister Skype sollten Ebays Wachstum wieder antreiben, wie es die Börse forderte. Der Plan funktionierte mehr schlecht als recht. Zwar verdient Ebay immer noch sehr viel Geld, und die Neuerwerbungen können die Wachstumsraten einigermaßen hoch halten. Doch bei all den Versuchen, das Wachstum zu beschleunigen, ist das Kerngeschäft der Auktionen ins Stocken geraten.

Die kleinen Händler laufen Ebay weg, weil sie sich nicht mehr gut aufgehoben fühlen. Ständige Änderungen der Handelsbedingungen, die Operationen am “offenen Ebay-Herzen” gleichkommen, als zu hoch empfundene Verkaufsgebühren, schlechter Service und der Wegfall der Möglichkeit, Käufer zu bewerten, vertreiben die Händler. Zum Beispiel zu Amazon, der die Gunst der Stunde genutzt und seine Seite für externe Händler geöffnet hat. Jedes dritte Produkt auf der Amazon-Seite wird inzwischen von externen Anbietern verkauft. Die abtrünnigen Ebay-Händler entdecken plötzlich Alternativen, verkaufen auf ihren eigenen Seiten oder nutzen neue Marktplätze, die sich plötzlich wieder trauen, gegen Ebay anzutreten. Die Folge: Ebay wird in diesem Jahr langsamer wachsen als der gesamte elektronische Handel im amerikanischen Heimatmarkt.

Das Kerngeschäft der Auktionen könnte in diesem Jahr sogar stagnieren – was für ein Unternehmen in einem wachsenden Markt Rückschritt bedeutet. Der Versuch, die großen Händler in einen eigenen Marktplatz “Ebay Express” auszulagern, ist gescheitert. In einem Markt vollkommener Transparenz, in dem die Konsumenten mit Hilfe von Preisvergleichsmaschinen sehr schnell den günstigen Anbieter finden, hat diese künstliche Trennung nicht funktioniert. Vielleicht ist die große Zeit der kleinen Händler und damit die große Zeit von Ebay auch einfach vorbei. Pierre Omidyar hatte es schon 2001 geahnt. “Ich sehe uns gerne als eine andere Art von Konzern, weil wir mit unserer Gemeinschaft anders umgehen. Wenn wir das verlieren, verlieren wir so ziemlich alles.” 

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