Nun haben die Spekulationen ein Ende: Xing-Gründer Lars Hinrichs wechselt nach fünf Jahren als Vorstandsvorsitzender in den Aufsichtsrat, Stefan Groß-Selbeck, Chef von Ebay-Deutschland, übernimmt den Vorstandsvorsitz. Sein Nachfolger bei Ebay wird Malte Feller, der bisher als Geschäftsführer für den Ebay-Marktplatz verantwortlich war und nun die alleinige Geschäftsführung übernimmt.
Alter und neuer Xing-Chef: Lars Hinrichs (l.) und Stefan Groß-Selbeck, rechts der neue Ebay-Chef Frerk-Malte Feller
Nun soll jemand das Ruder übernehmen, der Erfahrung im Aufbau und der Führung großer Organisationen hat, sagte Hinrichs. Ein solcher Rollentausch ist in Amerika durchaus üblich. Denn nur ein neuer CEO kann die Fokussierung der Mitarbeiter auf den Gründer aufheben. Zumal, wenn dieser – wie Hinrichs – gerne alleine und durchaus autoritär sagt, wo es langgeht. Diese Fokussierung auf einen starken Gründer funktioniert zwar in der Aufbauphase, aber nicht mehr, wenn das Unternehmen eine gewisse Größe überschritten hat. Dann müssen andere Strukturen her, in denen der Chef besser delegieren kann. Diese Aufgabe übernimmt nun Stefan Groß-Selbeck. Der Weggang von Ebay dürfte ihm leicht gefallen sein, denn wesentliche Teile des deutschen Ebay-Managements wurden in die Schweiz oder nach London verlagert (-> Ebay: Managementfunktionen aus Deutschland abgezogen), was einer faktischen Entmachtung gleichgekommen ist. Übrig bleiben in Deutschland nur die Werbegruppe, die Werbung auf den Ebay-Seiten verkauft, die Kommunikationsabteiligung und der Kundendienst. Zwar wurde Groß-Selbeck der Posten des europäischen Vertriebsleiters bei Ebay angeboten, aber den Posten bei Xing fand er wohl spannender. Anders als bei Ebay muss er sich immerhin keine Fragen zum Wachstumspotential des Unternehmens anhören, denn Xing wächst bisher sehr stabil.
„Wir haben jemanden gesucht, der das Unternehmen auf die nächste Stufe hebt. Das muss jemand sein, der damit Erfahrung hat und nicht – wie ich – aus dem Bauch heraus handeln würde”, sagte Hinrichs der FAZ. Er sieht sich als Gründer, der zuletzt zuviel Zeit mit dem Managen seines Unternehmens verbracht hat. „Das können andere besser als ich”, sagte Hinrichs, ein durch und durch hanseatischer Kaufmann (-> Portrait: Lars 2.0). Xing hat seit seinem Börsendebüt gute Zahlen geliefert (-> Xing spürt die Krise nicht); der Aktienkurs (schwarze Linie) hat sich besser gehalten als der Markt. Allerdings ist der Aufbau eines Online-Werbegeschäftes bisher nicht wirklich geglückt; eine neue Vermarktungsorganisation soll mehr Schwung in das Geschäft bringen.
Groß-Selbeck muss neue Geschäftsideen umsetzen, vor allem im Geschäft mit Unternehmen. „Wir machen etwas in Richtung Gelbe Seiten, Veranstaltungen und Nachrichten”, deutete Hinrichs an. Neue Inhalte sollen mehr Potential für die Online-Werbung schaffen.
Daneben muss er auch die Internationalisierung vorantreiben. Xing ist in Deutschland, Österreich und der Türkei stark, aber selbst in Spanien, wo Xing schon zwei Netzwerke gekauft hat, wächst LinkedIn organisch schneller. In China liefern sich die beiden Netzwerke ein Kopf an Kopf Rennen. In wichtigen Ländern wie den Vereinigten Staaten oder Großbritannien liegt LinkedIn klar vorne. Auch der Blick auf die Traffic-Entwicklung spricht klar gegen Xing.
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Von dieser Internationalisierung hängt viel ab – auch die Aktienentwicklung. Sal. Oppenheim hat die Einstufung für die Aktien von XING vorerst auf “Neutral” und den fairen Wert auf 42 Euro belassen. Wenngleich der Titel attraktiv bewertet sei, herrsche zunächst Vorsicht, schrieb Analyst Marcus Sander in einer Studie vom Montag. Sander will erst die Strategie des neuen Vorstandstandsvorsitzenden mit Blick auf die Internationalisierung abwarten. Langfristig sei die Wahrscheinlichkeit einer Übernahme leicht gestiegen.
Bei der nächsten ordentlichen Hauptversammlung des Unternehmens kann Hinrichs sich vorstellen, den Aufsichtsratsvorsitz zu übernehmen. „Es kann Sinn machen, dass ich den Vorsitz des Aufsichtsrats übernehme. Aber darüber entscheidet die Hauptversammlung”, sagte Hinrichs. Eine Kontroverse mit dem Aufsichtsrat gebe es nicht. Deshalb werde er auch nicht aussteigen. „Ich bin und bleibe größter Aktionär”, sagte Hinrichs. Ihm gehören über die LH Cinco Capital 28 Prozent des Unternehmens.
Nach einer kurzen Pause will er wieder ein Unternehmen gründen. „Das Wort Ruhestand kenne ich nicht. Ich möchte auch nicht als Investor, sondern als Gründer tätig sein. Das muss aber nichts mit dem Internet zu tun haben”, sagte Hinrichs. Hinrichs hat in Interviews immer mal wieder anklingen lassen, dass er sich ein Leben nach und ohne Xing vorstellen könne. Befragt zu seinen Plänen für die Zeit nach Xing sagte er vor einem Jahr: „Ich mache nur Dinge, die ich mit Leidenschaft tun kann.“ Das muss gar nicht das Internet sein, aber mit Technik solle es schon zu tun haben. „Die Idee muss über Technik skalieren“, sagte er. „Über Menschen zu skalieren kann nie funktionieren.“ Der normale Bürger auf der Straße müsse die Idee verstehen können. Aber immer gelte: „Man muss entweder einen bestehenden Markt revolutionieren oder einen neuen Markt schaffen.“
Bereits am Freitag kam das Gerücht auf, Hinrichs trete zurück. Eine Bestätigung dafür gab es aber nicht. Lars Hinrichs sagte der FAZ am Freitag um 09.15 Uhr: „Wir kommentieren Gerüchte nicht. Wenn es börsenrelevante Nachrichten gäbe – und eine solche Nachricht gehört dazu -, hätten wir dies adhoc vor Börseneröffnung mitgeteilt. Das haben wir nicht getan”. Allerdings dementierte niemand den Rollentausch, so dass dieser Wechsel erwartet worden war.
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