Print versus Online – diese Diskussion der vergangenen Tage, angestoßen von Thomas Knüwer und Sönke Iwersen, fortgeführt von Stefan Niggemeier oder Martin Recke, kann nur verstehen, wer Medien von innen erlebt. Dass diese Diskussion genau jetzt wieder aufflammt, kann nicht verwundern. Sie hat ihren Grund in der Krise.
1. Alle Medienhäuser stehen unter Druck. Diskussionen, welche Geschäftsmodelle jetzt Geld bringen und welche nicht, sind in solchen Zeiten normal. Und da schneidet das Internet auch nach zwei guten Jahren leider immer noch nicht gut genug ab. Fast alle Verlage haben ihre Online-Redaktionen aufgerüstet, um den Nutzern ins Netz zu folgen. Das ist auch richtig so, wenn man als Medium auf Dauer wahrgenommen werden möchte. Bis zum vergangenen Jahr entwickelte sich auch die Werbung auf den Seiten gut. In diesem Jahr haben die werbetreibenden Unternehmen aber schon früh begonnen, immer mehr Online-Werbegeld in Richtung Performance-Marketing (also meist Google) umzuschichten. Kein Verlagsvermarkter hat seine Ziele in diesem Jahr erfüllt. Das war schon vor der Krise deutlich zu erkennen und wird jetzt natürlich noch einmal verschärft (-> Werbeflaute erfasst das Internet). Die Folge ist eine gewisse Ratlosigkeit in der Verlagswelt, wie sie im Netz mit Premuim-Werbeumfeldern Geld verdienen können. Daneben setzt sich die Erkenntnis durch, dass der gesamte Werbeumsatz im Internet a) wohl geringer ist als in der alten Print-Welt und b) sich zudem auf viel mehr Unternehmen verteilt. Das bedeutet nichts weniger, als dass das Internet zumindest im Moment nicht annähernd in der Lage ist, angefallene oder zu erwartende Rückgänge im Printgeschäft zu kompensieren. (-> Das Internet gleicht Verluste der Medien im Stammgeschäft nicht aus). Die verkürzte, aber griffige Schlussfolgerung in vielen Verlagsfluren lautet zurzeit daher: „Im Internet lässt sich kein Geld verdienen”. Und wenn dann Sparrunden anlaufen, ist im Verteilungskampf die Diskussion „Print versus Online” sofort wieder da. Der „Clash of Cultures” bricht also gerade erst wieder auf. Öffentlich beim Handelsblatt, intern in vielen anderen Redaktionen. Und solange die Online-Geschäftsmodelle der Verlage im Netz nicht die gewünschten Erfolge bringen, wird diese Diskussion weitergeführt.
2. Nur vor diesem Hintergrund ist die Diskussion zu verstehen, wie sehr Journalisten Onliner sein müssen. Wenn Online kein Geld bringt, dann müssen Journalisten auch keine Onliner sein, lautet die ebenso griffige wie falsche Schlussfolgerung. Falsch deshalb, weil die Mediennutzung sich so eindeutig in Richtung Internet verlagert, dass man als Journalist im Netz präsent sein muss (-> Das Internet wird zum Leitmedium). Die beiden Grafiken, die auf Allensbach-Daten basieren, sprechen für sich:
3. Die Frage ist natürlich, in welcher Form sich Journalisten im Netz bewegen sollten. Auf den Webseiten der Verlage auf jeden Fall, wenn man auch junge Menschen erreichen will. Für immer mehr Internetnutzer gilt: Nur was bei Google gefunden wird, existiert auch (-> Wie Verlage ihre Artikel für Google optimieren). Muss ein Journalist aber auch bloggen und twittern, ständig seine Statusmeldungen auf Facebook oder Xing aktualisieren, ganz und gar in die Web-2.0-Welt abtauchen? Sicher nicht. Aber aus meiner Erfahrung gibt es einige Dinge, die wirklich etwas bringen. Zum Beispiel ein Blog. Nach 18 Monaten Erfahrung als „Netzökonom” sind mir drei Dinge positiv aufgefallen: Erstens hat die Loslösung von festen Formaten (und Formatierungen) Quantität und hoffentlich auch die Qualität der journalistischen Arbeit erhöht, weil sich Geschichten in einem Blog eben anders erzählen lassen. Zweitens führt die Vernetzung im Web 2.0 neue Leser an die Marke FAZ heran, die wir sonst vielleicht nicht (mehr) erreicht hätten. Und per RSS-Feed lässt sich drittens sogar so etwas wie eine Leser-Web-Bindung herstellen. Daneben sind Blogs für mein Berichtsthema (das gilt sicher nicht für andere Themen gleichermaßen) zu einer wichtigen Informationsquelle geworden. Techcrunch oder Silicon Alley Insider stehen in meiner Prioritätenliste weit oben, weil sie – im Gegensatz zu vielen deutschen Blogs – echte Informationen und nicht nur Meinungen liefern. (Und wer als Journalist keine RSS-Feeds nutzt, um den Überblick über die vielen Quellen zu behalten, ist selber schuld. -> RSS-Feeds sind genial, werden aber kaum genutzt). Leuten wie Michael Arrington folge ich auch per Twitter. Weil er Twitter als reinen Informationskanal nutzt. Und nicht, wie es in Deutschland leider oft vorkommt, berufliche und private Dinge vermischt, dabei Lesenswertes mit Belanglosigkeiten übertüncht. Ich möchte per Twitter aber eigentlich nicht die Web-2.0-Welt an meinem Leben teilhaben lassen, überlege mir aber, ob es Bedarf an einem Twitter-Feed über die Internet-Wirtschaft gibt. Es gibt also einige gute Gründe für die Nutzung des Web 2.0 im Journalismus. Und keinen Grund, nicht das Beste aus beiden Welten zu vereinen.
Links:
- -> Informationsverhalten: Das Internet nimmt klassischen Medien rapide Marktanteile ab
- -> Das Internet setzt sich als Informationsmedium durch
- -> Intensivleser gehen ins Internet
- -> Internet gleicht Verluste der Medien im Stammgeschäft nicht aus
- -> Online-Werbeeinnahmen der amerikanischen Zeitungen sinken zum ersten Mal
- -> Wie die Suchergebnisse von Google zustande kommen
Downloads:
- Allensbach: Mediennutzung gestern – heute – morgen (PDF)
- Allensbach: Die junge Generation als Vorhut gesellschaftlicher Veränderung (PDF)
- PEW-Jahresbericht des “State of the Media 2008”
________________________________________________________________________________
twitter.com/HolgerSchmidt
friendfeed.com/netzoekonom