Netzwirtschaft

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Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche. Wie sie sich auf Menschen und Märkte auswirkt, beleuchtet das Netzwirtschaft-Blog auf FAZ.NET.

Acht Thesen für das Internet-Jahr 2009

Selbst wenn die Internetbranche weiter wächst, wird die Wirtschaftskrise Spuren hinterlassen, weil die Anzeigenkunden sparen oder ganz verschwinden, weil die Börse als Exit ausfällt und weil die Anschlussfinanzierungen fehlen. Jetzt schlägt die Stunde der finanzstarken Unternehmen, die für kleines Geld echte Perlen kaufen können. 8 Thesen für das Internet-Jahr 2009.

Der Wirtschaft steht wohl eine schwere Rezession bevor. Das Bruttoinlandsprodukt könnte 2009 um 2 oder 3 Prozent schrumpfen, was es nach dem zweiten Weltkrieg noch nicht gegeben hat. Auch wenn das Internet sicher weiter auf Wachstumskurs bleibt, wird diese Rezession nicht ohne Folgen bleiben. Hier kommen 8 Thesen, wie sich die Internet-Wirtschaft 2009 schlagen könnte.

1. Online-Werbung: Der Boom ist erst einmal vorbei

Wenn die Werbemärkte einbrechen, bleibt die Online-Werbung nicht außen vor. Wenn überhaupt wird das Wachstum der Online-Werbung sehr gering ausfallen,  vielleicht irgendwo zwischen 0 und 5 Prozent liegen. Die Folge: Um sein Wachstum einigermaßen zu halten, wird Marktführer Google sehr aggressiv auftreten und versuchen, in neuen Märkten zu punkten. Dazu gehört sicher die Videowerbung, aber auch die lokale Werbung. Die Online-Werbevermarkter geraten unter weiteren Preisdruck und werden ihr Heil in der Größe suchen. Ein erster Schritt könnte sein, dass United Internet Media auf die Schwestergesellschaft Adlink verschmolzen wird und damit die Verfolger wie Tomorrow Focus, Seven One (Pro Sieben Sat.1) oder IP Deutschland (RTL) auf Distanz halten kann. Es wird einen Wettlauf um die beste Technik zur Erhöhung der Effizienz der Online-Werbung geben. Fusionen werden dabei sicher auf die Tagesordnung kommen, weil sich die kleinen Anbieter diese Technik nicht leisten können. Und die traditionellen Medien werden – je nach finanzieller Verfassung – auf der Suche nach neuen Erlösquellen entweder in eine wilde Experimentierphase eintreten oder hart auf die Kostenbremse treten. Trotz des Drucks wird das Internet in diesem Jahr kräftig Marktanteile gewinnen.

-> Krise? Nicht im Internet
-> Die Zeiten des rasanten Werbewachstums im Netz sind vorbei

2. Soziale Netzwerke: Facebook gewinnt alles, nur Deutschland (noch) nich

Weil Mark Zuckerberg keine Fehler macht, ist Facebook seit Jahren auf einem beachtlichen Wachstumskurs. Facebook Connect wird 2009 das Wachstum des Weltmarktführers weiter antreiben und die Konkurrenz alt aussehen lassen. Nur Deutschland scheint das gallische Dorf zu sein. StudiVZ (inklusive MeinVZ) und Wer-kennt-wen bleiben die beliebtesten Netzwerke in Deutschland, werden ihren Vorsprung gegenüber Facebook aber nicht halten können.

-> Soziale Netzwerke sind Gewinner des Jahres

3. Online-Rubrikenmärkte: Anzeigenkunden verschwinden, Google kommt

Automärkte wie Mobile oder Autoscout24 werden darunter leiden, dass ihre Anzeigenkunden, die etwa 30000 Autohändler in Deutschland, in arge Bedrängnis geraten. Viele Anzeigenkunden werden einfach verschwinden – und mit ihnen die Umsätze. Die Unternehmen werden alle Hände voll zu tun haben, neue Erlösquellen zu erschließen. Zudem wird Google als Konkurrent immer stärker in dieses Geschäft einsteigen. Auch hier wird der Wettbewerb über die Effizienz der Werbeform  entschieden.

4. Cloud-Computing: Die Kriterien „praktisch” und „billig” verhelfen zum Durchbruch

Das Speichern der Daten in der Cloud wird 2009 zum großen Trend. Erstens weil es praktisch und zweitens weil es billig ist. Daher werden auch Unternehmen, deren eigene Hardware zu teuer wird, auf die Wolke aufspringen und die finanziellen Vorteile höher einstufen als mögliche Datenschutzbedenken. Von diesem Trend werden die großen Anbieter profitieren, die eine eigene Cloud aufbauen oder schon betreiben: Amazon, Google und Microsoft, vielleicht auch Salesforce, IBM oder Oracle. Microsoft investiert zurzeit Milliarden in das Cloud Computing und könnte damit verlorenes Terrain gegenüber Google zurück gewinnen.

-> Microsoft investiert Milliarden in das Cloud-Computing

5. Mobiles Internet: Nur für die Techies

iPhone, Blackberry oder die (künftigen) Google-Phones sind toll – bleiben aber Nischenprodukte für die Techies. Denn die Geräte sind teuer und die immer noch vergleichsweise hohen Datentarife hemmen die Nutzung in der natürlichen Zielgruppe der jungen Menschen. Entsprechend wird das mobile Marketing Experimentierfeld bleiben.

6. Breitband: DSL im Endspiel, Kabel im Aufschwung

Der DSL-Mark hat seinen Zenit überschritten; 2009 werden nur noch zwischen 2 und 2,5 Millionen Haushalte erstmals einen DSL-Anbieter wählen. Gleichzeitig steigt die Wechselfreude der Menschen. Die Folge: Der Markt wird sich auf drei oder vier große Anbieter konsolidieren. Die Telekom und Vodafone/Arcor sind gesetzt; Telefónica könnte mit der Übernahme der zum Verkauf stehenden Telecom-Italia-Tochtergesellschaft Hansenet ernsthaft in den Endkundenmarkt einsteigen und zusammen mit O2 eine starke Position in Deutschland einnehmen. Bleibt die Frage, was dann aus United Internet wird. Noch ist die Situation ohne eigenes Netz komfortabel, da sich die Netzbetreiber gegenseitig unterbieten, um Traffic auf ihr Netz zu bekommen. Je enger der Markt wird, desto dünner wird aber die Luft für United Internet, das mit Videoangeboten (Maxdome) und Mobilfunktarifen versucht, mit den Großen im Markt mitzuhalten. Aber das wird schwierig; 2009 wird ein hartes Jahr für United Internet und seinen Chef Ralph Dommermuth, der sich mit seiner missglückten Beteiligungspolitik (Freenet, Versatel) unnötig in Schulden gestürzt hat. Zusätzlich Druck bekommen die DSL-Anbieter von den Kabelnetzbetreibern, die jetzt schon jeden vierten Breitband-Kunden für sich gewinnen und eine überlegene Technik haben. Allerdings werden die Beteiligungsgesellschaften, die hinter jeder der drei großen Kabelgesellschaften stehen, bald mal wieder Bares sehen wollen. Die Exit-Strategie Börse scheint allerdings keine Option zu sein. Wahrscheinlicher kommt es zu einem Zusammenschluss der Unternehmen, die dann auf Anhieb ein Schwergewicht im deutschen Breitband-Markt wären. 

-> Der DSL-Markt hat seinen Zenit überschritten

7. Twitter: Erfolg auf 140 Zeichen – auch ohne Geschäftsmodell

Zurzeit scheint es nur zwei Unternehmen zu geben, denen verziehen wird, kein funktionsfähiges Geschäftsmodell zu haben: Neben Facebook gehört der Micro-Bloggingdienst Twitter zu den supercoolen Unternehmen, die so angesagt sind, dass sie sich um das Geldverdienen scheinbar keine Sorgen machen müssen. Twitter könnte 2009 den Sprung in den Massenmarkt schaffen und damit andere Kommunikationsformen verdrängen. Die E-Mail ist sowieso für die Generation Ü 40, aber auch Instant-Messaging oder soziale Netzwerke könnten unter Twitter leiden.

8. Die große Übernahmewelle: Finanzstarke und entschlussfreudige  Unternehmen kaufen sich für kleines Geld echte Perlen

Lars Hinrichs hat es vorgemacht: Für wenige Millionen Euro hat Xing das amerikanische Unternehmen Socialmedian gekauft, das vor ein paar Monaten sicher das Doppelte oder Dreifache gekostet hätte. Weil die traditionellen Medien zurzeit ihr Geld lieber beisammen halten und Anschlussfinanzierungen schwierig sind, sind vor allem Start-Ups aus dem Medienbereich zurzeit für kleines Geld zu haben. Google, Microsoft, Nokia oder auch Telekommunikationsunternehmen wie die Deutsche Telekom können nun frische Ideen billig einkaufen.

-> Xing steigt ins Nachrichtengeschäft ein

Weitere Jahresrückblicke und Vorschauen:

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Die F.A.Z.-Seite Netzwirtschaft erscheint 2009 jeweils am Dienstag.

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Allen Lesern wünsche ich ein schönes und erfolgreiches Jahr 2009 !!!

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