Netzwirtschaft

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Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche. Wie sie sich auf Menschen und Märkte auswirkt, beleuchtet das Netzwirtschaft-Blog auf FAZ.NET.

"Jeden Tag registrieren sich 2000 Unternehmen bei Google"

| 1 Lesermeinung

Cloud Computing heißt das neue Schlachtfeld der Internetkonzerne. Programme und Daten werden dabei in riesigen Rechenzentren und nicht mehr auf heimischen Computern verwaltet. Google-Manager Matt Glotzbach erwartet die Umschichtung der Informationstechnik in die Wolke innerhalb der kommenden fünf Jahre.

Bild zu: "Jeden Tag registrieren sich 2000 Unternehmen bei Google"Cloud Computing hat das Zeug, die traditionelle Computerwelt umzukrempeln. Einer der Protagonisten der Bewegung ist Matt Glotzbach, der bei Google für die Enterprise-Produkte verantwortlich ist. Im FAZ-Interview erzählt Glotzbach, warum Google der Konkurrenz ein bis zwei Generationen voraus ist, warum Cloud Computing nicht nur Kostensenkung bedeutet und dass die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen der eigentliche Treiber der Entwicklung ist.  

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Wie wichtig ist Cloud Computing als Geschäftsmodell für Google?

Cloud Computing ist definitiv ein wichtiges Geschäftsmodell für Google, das wir auch aggressiv verfolgen. Sicher bringen die Gebühren, die Unternehmen für die Nutzung unserer Computerkapazitäten zahlen, bisher noch keine großen Umsätze. Aber Cloud Computing ist ein strategisches, schnell wachsendes Geschäftsfeld für Google, in das wir kräftig investieren. In den kommenden fünf Jahren wird die große Masse des Computings den Wandel vom Desktop- oder Client-Server-Computing zum Cloud Computing vollziehen. Da Google quasi seine Wurzeln im Cloud Computing hat, besitzen wir einen Vorteil vor den meisten anderen Anbietern in diesem Geschäftszweig.

Wie wird Cloud Computing die IT-Welt verändern?

Wenn man sich anschaut, wohin der Großteil der IT-Ausgaben fließt, dann ist dies die Aufrechterhaltung der bestehenden Systeme. 80 Prozent der Ausgaben gehen nach einer Gartner-Studie dafür drauf. Cloud Computing wird diese Kosten senken und damit zu einer enormen Reallokation der IT-Ausgaben führen. Das heißt aber nicht notwendigerweise, dass die Ausgaben sinken. Aber die Unternehmen können ihre IT-Ausgaben von Standardfunktionen wie E-Mail auf ihre Kernfunktionen verlagern, wo sie wirklich wertschöpfend sind. Der andere große Trend ist die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen. In der alten Welt, in der jedes Unternehmen sein eigenes privates Netzwerk betrieben hat, war es extrem kompliziert, auf elektronische Art und Weise mit einem anderen Unternehmen zu kooperieren. Die Kooperation über Unternehmensgrenzen hinweg wird nun viel einfacher – zumal dies die Realität abbildet. Unternehmen kooperieren heute viel häufiger miteinander.

Viele sagen Cloud Computing für 2009 den Durchbruch voraus, weil der ökonomische Druck die Unternehmen zwingt, die Kosten ihrer Informationstechnik zu senken. Erwarten Sie das auch?

In vielen Gesprächen mit großen Unternehmen sehen wir, dass die Kosten am Anfang ein wichtiger Treiber sind. Die Nutzung unserer Programme kostet die Unternehmen im Jahr nur 50 Dollar je Nutzer. Das ist schon sehr günstig im Vergleich zum alten Modell. Aber je länger wir mit den Kunden darüber sprechen, desto eher schätzen sie die neuen Möglichkeiten, collaborative Techniken zu nutzen. Es geht am Ende weniger darum, die Kosten zu senken. Das Unternehmen sollte seine Ressourcen auf das eigentliche Kerngeschäft lenken, nicht auf Standardanwendungen wie E-Mail.

Welche Unternehmen nutzen Ihre Cloud bevorzugt? Kleine Unternehmen, die auf der Suche nach sehr billiger, aber mitwachsender Technik sind?

Die Bandbreite der Unternehmen ist groß. Wir sind sehr populär bei den kleinen Unternehmen. Jeden Tag sind es 2000 bis 3000 kleine Unternehmen, die sich neu bei Google registrieren, um unsere Dienste nutzen zu können. Aber es kommen auch mehr und mehr mittlere und große Unternehmen, die bis zu 100 000 Mitarbeiter haben. Wir haben inzwischen mehr als zehn Millionen Geschäftskunden, die unsere Anwendungen nutzen.

Wie sieht eigentlich das Geschäftsmodell aus?

Wir lassen uns je nach Nutzerzahl für diese Dienste bezahlen, also ein Paid- Service-Modell.

Viele Kritiker sagen, mangelnder Schutz der Privatsphäre und der Daten sowie eine zu geringe Ausfallsicherheit seien die Nachteile des Cloud Computings.

Natürlich, das sind große Themen in unseren Gesprächen mit den IT-Vorständen. Gerade weil Cloud Computing so neu ist und sich so stark vom bisherigen Modell unterscheidet, gibt es viel Unsicherheit. In den Gesprächen können wir aber die IT- und Sicherheitsbeauftragten überzeugen, dass unser System mindestens so sicher ist wie ihr eigenes.

Wer ist Googles schärfster Konkurrent? Amazon?

Amazon ist in einem ähnlichen Feld unterwegs, aber wir sehen Amazons Angebot als komplementär. Amazons Web Services geben dem Nutzer reine Speicherkapazität. Wir geben den Nutzern mit unserer App Engine die Möglichkeit, eigene Anwendungen zu bauen. Wir kennen viele Kunden, die beide Dienste kombinieren. Das ist überhaupt ein Trend in diesem Jahr. Wir werden viel Integration zwischen der Google Cloud, der Amazon Cloud, der Microsoft Cloud oder der Salesforce Cloud sehen. Die Kunden werden sich die Dienste, die sie haben wollen, aussuchen und zusammenstellen.

Erwarten Sie wirklich eine Integration zwischen der Google Cloud und der Microsoft Cloud? Das ist kaum vorstellbar.

Sicher nicht als Kooperation zwischen den Unternehmen. Aber es hält die Kunden nicht davon ab, die beiden Clouds kooperativ zu nutzen.

Microsoft hat angekündigt, bis zu 20 Milliarden Dollar in neue Datencenter überall auf der Welt zu investieren, um die Kapazität für das Cloud Computing zu schaffen. Plant Google ähnlich hohe Investitionen?

Ich kann keine Zahlen nennen, aber Google hat in den vergangenen Jahren schon viel Geld in den Aufbau leistungsfähiger Datencenter gesteckt, und das werden wir weiterhin tun. Unsere Datencenter-Technik ist ein bis zwei Generationen weiter als das, was heute Stand der Technik ist.

Microsoft hat mit Live Mesh einen sehr komfortablen Cloud-Computing-Dienst geschaffen, der es ermöglicht, Daten in jeglichem Format auf eine Online-Festplatte zu laden. Warum hat Google ein solches Angebot nicht?

Oh, wir werden unseren Nutzern alle Cloud-Computing-Angebote für PC und Macintosh-Computer machen, die sie benötigen. Und wird haben erkannt, dass ein solches Angebot hilfreich ist. Die Office-Formate sind natürlich De-facto-Standards.

Ein Kernelement ist die Google App Engine, wo sich die Nutzer ihre eigenen Anwendungen selbst zusammenstellen können. Wie lange ist das Angebot noch beschränkt?

Das Angebot ist noch in einer Beta-Phase. Jeder kann es nutzen, allerdings noch mit Größenbeschränkungen versehen. Wir wollen die Beta-Phase allerdings schon sehr bald verlassen.

Links:
-> Wo Microsoft besser als Google ist
-> Microsoft investiert weitere Milliarden in das Internet
-> Internetgiganten kämpfen um die Wolke

-> Interview mit Google-Chef Eric Schmidt: “Mobile Internet is the next big wave”

-> Deutsche Google Apps

 

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1 Lesermeinung

  1. LutzBrux sagt:

    Vertrauen
    Die Frage wird sein,...

    Vertrauen
    Die Frage wird sein, ob die Firmen Google vertrauen, das war schon immer der Knackpunkt auch bei SaaS Applikationen. Und gerade da gilt es bei Google doch noch das eine oder andere Bedenken auszuräumen.

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