Netzwirtschaft

Nur 5 Prozent der Leser wollen für Nachrichten im Internet zahlen

Paid Content heißt das aktuelle Zauberwort unter den Verlegern. In einer Umfrage haben 51 Prozent der befragten amerikanischen Verleger die Hoffnung geäußert, dass die Internetnutzer für ihre Inhalte zahlen werden. Wie unsicher sich die Verleger aber sind, zeigt eine zweite Zahl, dass nur 10 Prozent der Verleger aktuell Bezahlinhalte anbieten (Präsentation, Seite 10, interessant auch Seite 16 zu Micropayment).

API ITZ Belden Revenue Initiatives Survey

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Diese Unsicherheit zeigt sich auch in den teilweise vollmundigen Ankündigungen, Paid Content einzuführen, dann Geld aber nur für den Zugang zu mobilen Inhalten zu verlangen, wie es Wall Street Journal,  New York Times oder Axel Springer getan haben. Oft wird in den Modellen nicht einmal Geld für Inhalte verlangt, sondern nur einmalig für die iPhone-Software, die den Zugang zu den Inhalten ermöglicht. Kein Verlag, der nennenswerte Werbeumsätze auf seinen Internetseiten generiert, hat bisher eine Zahlschranke davor gesetzt – wohl wissend, dass anschließend die Werbeumsätze zusammenbrechen werden, aber nicht wissend, ob die Umsätze mit Paid Content diese Lücke in absehbarer Zeit füllen werden. Denn die Zahlungsbereitschaft der Leser für Nachrichten im Internet ist gering. Die New York Times hat mit ihrem 2007 eingestelltem Times-Select-Angebot gerade einmal 2 Prozent ihrer Online-Leser zu zahlenden Lesern gemacht. Eine aktuelle Umfrage von PaidContent.org und Harris Interactive für Großbritannien zeigt, dass 5 Prozent der Leser bereit sind, für Nachrichten im Internet zu zahlen. Drei Viertel der Befragten gab an, sich im Falle einer Zahlschranke eine andere kostenlose Quelle im Netz zu suchen. Immerhin 12 Prozent waren nicht sicher, was sie tun sollen. Klar aber ist: Solange der Inhalte nicht exklusiv ist, sondern in ähnlicher Qualität auch an anderer Stelle im Netz zu finden ist, und solange die Transaktionskosten des Suchens nach einer kostenlosen Alternative nicht höher sind als die Kosten des Zugangs zum Artikels, wird die große Mehrheit der Internetnutzer wohl nicht für Nachrichten zahlen – was nach Ansicht von Chris Anderson nicht anders zu erwarten ist. (-> Analoge Dollar, digitale Pennies: Free als Geschäftsmodell)

Die Ablehnung, für Inhalte zu zahlen, ist übrigens keine Eigenschaft vorwiegend junger Menschen, sondern in allen Altersklassen gleichermaßen anzutreffen.

Die Abneigung, für Inhalte zu zahlen, haben auch Menschen, die genügend Geld hätten, wie die Untersuchung gezeigt hat.

Interessant sind auch die Antworten auf die Frage, welche Zahlform die Menschen bevorzugen, wenn sie bezahlen würden. Die meisten Befragten wählen dabei das Online-Abonnement (53 Prozent). Das Zahlen für einen einzelnen Artikel (Micropayment) oder einen Tageszugang bevozugten weit weniger Menschen. Offensichtlich werden die Transaktionskosten für Einzelabrufe als sehr hoch empfunden, obwohl Apple mit iTunes vorgemacht hat, dass auch Einzelkäufe sehr einfach sein können. (-> Entwickelt Google ein iTunes für Verlage?)

Diese Ergebnisse schwanken zwar innerhalb der Altersgruppen, ergeben jedoch kein klares Bild. Junge und ältere Menschen haben die höchste Affinität gegenüber Micropayments, während die mittleren Altersgruppen die geringste Zuneigung zu Micropayments zeigten.

Unterschiede zeigen sich erst, wenn die Einkommenssituation der Menschen betrachtet wird. Danach neigen Menschen aus der oberen Mittelklasse (Grafik: AB) eher zu Abonnements, während Menschen mit geringerem Einkommen aus der unteren Mittelklasse (Grafik:  C1) und der Arbeiterklasse (Grafik: C2) sowie die Empfänger staatlicher Transfers (DE) Einzelabrufe besser finden.

Aus den Rohdaten der Untersuchung (PDF) lassen sich weitere interessante Ergebnisse herausziehen, zum Beispiel zur Zahlungsbereitschaft für einmonatliches Online-Abonnement. Danach wollen 72 Prozent der ohnehin Zahlungswilligen maximal 10 Pfund im Monat zahlen. Weitere 20 Prozent sind bereit, zwischen 10 und 20 Pfund zu zahlen. Preise wie für ein Print-Abo lassen sich auch unter den Zahlungswilligen kaum durchsetzen.

 

Statements zu Paid Content:

Clay Shirky, Medienwissenschaftler
„Bezahlinhalte sind für die Verlage kein realistisches Szenario. Sie wandeln zwischen 1 und 10 Prozent ihrer Online-Leser in Abonnenten um, verabschieden sich aber vom Wachstum. Und die Möglichkeit, eine große Story zu haben, die um die Welt geht, können sie dann vergessen. Hinter einer Paid-Content-Mauer sinkt die Relevanz des Mediums.” FAZ.NET

 

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Google Chefökonom Hal Varian
„Früher hatte eine Zeitung in ihrer Region eine Monopolstellung. Heute konkurrieren aber viele Medien miteinander. Wenn der Artikel im Wall Street Journal über den Iran dem Artikel in der New York Times oder der Washington Post sehr ähnlich ist, sinkt der Preis für die Nachricht wegen des Wettbewerbs auf seine Grenzkosten. Und diese Kosten für die Bereitstellung einer weiteren Einheit dieser Standard-Nachricht betragen im Internet eben null.
 FAZ.NET
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Chris Anderson, Wired-Chefredakteur und Autor des Buches “Free”
„Nach einigen Jahren mit Online-Experimenten, bei denen immer wieder versucht wurde, die Nutzer für Inhalte zahlen zu lassen, wurde es fast jedem klar, dass der Kampf gegen die digitalen Gesetzmäßigkeiten einen aussichtsloses Unterfangen war. Free hat gewonnen”. Lediglich spezialisierte Informationen, die den Lesern einen hohen Nutzwert bringen und konkurrenzlos sind, seien verkäuflich”  FAZ.NET
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Links:

– IPG Emerging Media Lab: Is this the age of a free lunch?
– Burda und Axel Springer sind die größten Google-Profiteure unter den Verlagen
– Wie Verlage ihre Artikel für Google optimieren
– Neuer Newsaggregator: Google will bei Fastflip mit Verlegern teilen
– Nachrichten.de  – wie Burdas Newsaggregator funktioniert
Amerikas Zeitungen bleiben auf Talfahrt

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