Netzwirtschaft

Netzwirtschaft

Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche. Wie sie sich auf Menschen und Märkte auswirkt, beleuchtet das Netzwirtschaft-Blog auf FAZ.NET.

Google – die Spinne im Netz

| 22 Lesermeinungen

Google leitet den großen Internetseiten in Deutschland 30 bis 80 Prozent ihrer Nutzer zu. Der Aufschwung vieler Seiten in den vergangenen Jahren beruht allein auf einer geschickten Anpassung an den Google-Algorithmus.

Bild zu: Google - die Spinne im Netz

Ohne Google bewegt sich im Internet nicht viel. Viele Menschen haben die Suchmaschine als ihre Startseite für den Gang ins Internet eingestellt. In Deutschland leitet die Suchmaschine, die rund 90 Prozent Marktanteil hat, ihre Nutzer rund drei Milliarden Mal im Monat zu den Fundstellen im Netz. Größter Nutznießer ist Wikipedia. Im August schickte Google seine Nutzer 47 Millionen Mal zu Wikipedia. Vier von fünf Besucher des Online-Lexikons kommen direkt von Google. Der Algorithmus der Suchmaschine bewertet Wikipedia als hochwertige Informationsquelle und blendet die Artikel entsprechend oft auf den ersten Plätzen ein. Aber auch viele andere große Seiten wären ohne Google einsamer: Fast 10 Millionen Menschen schickte Google im August zu Ebay und fast 8,5 Millionen Nutzer fanden ihren Weg zu Seiten der Deutschen Telekom auf diese Weise. Auch die Medien profitieren in hohem Maße von den Besucherströmen: Fast 14 Millionen Besuche auf den Seiten des Axel Springer Verlags hatten ihren Ursprung  bei Google und fast 11 Millionen mal wurden Google-Nutzer zu Seiten von Hubert Burda geführt, zeigt eine Analyse des amerikanischen Marktforschungsunternehmens Comscore für die FAZ. Viele große Internetseiten bekommen mindestens ein Drittel, manche Anbieter sogar mehr als die Hälfte ihrer Besucher von Google zugeführt.

Die führenden E-Commerce-Seiten Ebay und Amazon weisen Google-Anteile um die 40 Prozent auf. Um die Werte so hoch zu treiben, geben die Unternehmen jedoch viel Geld für das Suchwort-Marketing aus. Zusammen investieren die Unternehmen in Deutschland mehr als 1,5 Milliarden Euro im Jahr, um mit ihren Werbeschaltungen über und neben den Google-Suchtreffern potentielle Kunden auf ihre Internetseiten zu locken. Da die Werbepreise im Fernsehen und auf vielen anderen Internetseiten in diesem Jahr kräftig gefallen sind, ist Google-Werbung aber inzwischen vergleichsweise teuer geworden. Viele Unternehmen bauen daher die so genannte Suchmaschinenoptimierung aus, damit ihre Seiten in den regulären Suchtreffern auftauchen. „Investitionen in die Suchmaschinenoptimierung sind schon vor der Rezession gestiegen. Aber jetzt sind die Marketingleute verstärkt auf der Suche nach Klicks zu Kosten, die deutlich niedriger sind bezahlte Werbung“, sagte Forrester-Analystin Shar VanBoskirk.

Bild zu: Google - die Spinne im Netz

Besonders große Anstrengungen, in den regulären Suchergebnissen aufzutauchen, unternehmen auch die Medienseiten. Besonders erfolgreich in dieser Disziplin ist das Burda-Medium Focus Online, das im August 55 Prozent seiner Besucher von Google und dessen Nachrichtenseite Google News zugeleitet bekommen hat. Kaum weniger erfolgreich war die zum Axel Springer Verlag gehörende Seite Welt.de, die ebenfalls mehr als die Hälfte ihrer Besucher ihren Suchmaschinenoptimierern und Google zu verdanken hat, wie die Comscore-Forscher errechnet haben. Auch die Süddeutsche Zeitung ist mit 52 Prozent Google-Anteil hochgradig abhängig von der Suchmaschine aus dem kalifornischen Mountain View. Generell haben große Teile der Reichweitensteigerungen der Nachrichtenportale in den vergangenen Jahren ihre Ursache in einer cleveren Anpassung der Internetseiten an den Suchalgorithmus. Dazu wurde Google zum Beispiel der Zugriff auf das gesamte Archiv gestattet und Redakteure mussten lernen, in ihren Texten eine „optimale Keyword-Dichte” einzuhalten.

_________________________________________________________________________________________

_________________________________________________________________________________________

Die Aufmerksamkeit der Medienunternehmen richtet sich  oft auf den (in Deutschland werbefreien) Nachrichtenaggregator Google News, der aber nur von etwa drei Millionen Nutzern im Monat aufgesucht wird. Die allgemeine Google-Suche hat dagegen etwa 35 Millionen Besucher im Monat und sendet viel mehr Nutzer zu den Nachrichtenseiten. Seit der Einführung der „Universal Search” streut Google nämlich auch aktuelle Nachrichten in die regulären Suchergebnisse ein. Wird bei einem aktuellen Ereignis ein Suchbegriff überproportional häufig eingetippt und auch geklickt, blendet Google die aktuellen Nachrichten automatisch weiter oben ein. Inzwischen führt die allgemeine Google-Suche den Medienseiten drei bis zehn Mal mehr Leser zu als Google News. Beispiel Stern.de: Von den 830000 Lesern, die Google im August zu Stern.de schickte, entfielen 760000 auf die allgemeine Suche. Spiegel Online bekam 218000 Leser von Google News, aber 1,6 Millionen von der allgemeinen Suchmaschine.

Bild zu: Google - die Spinne im Netz

Eine Besonderheit stellt Chip.de da. Die Computerzeitschrift, die in der Szene der Suchmaschinenoptimierer als Vorzeigeobjekt gilt, punktet bei Google vor allem mit haltbaren, weniger tagesaktuellen Artikeln. Wer einen Testbericht eines Handys oder einer Digitalkamera sucht, trifft bei Google fast immer auf Artikel aus der Chip-Redaktion. Die Suchbegriffe „Test iPhone” bringen sogar Chip-Treffer auf den Plätzen eins und zwei. Die Ergebnisse der guten Arbeit der Suchmaschinenoptimierer: 4,1 Millionen Besucher der Internetseite kamen im August direkt von Google. Chip.de hat dadurch mehr Besucher als Spiegel Online, obwohl das Nachrichtenmagazin immerhin auch 1,8 Millionen Besucher Google verdankt. Inzwischen denken auch die klassischen Nachrichtenseiten darüber nach, mehr haltbare Inhalte zu produzieren, um dauerhaft mehr Suchtreffer auf Google.de zu produzieren.

Die Suchmaschine leitet aber auch einen beträchtlichen Teil der Nutzerströme auf eigene Angebote, was die Möglichkeit schafft, dem Nutzer mehrfach Werbung einzublenden. Zum Beispiel hat sich die Zuleitung zum Landkartendienst Maps innerhalb eines Jahres auf 8,6 Millionen Besucher im Monat fast verdoppelt; auch die Videoseite Youtube hat die konzerneigenen Zuschauer auf etwa 12 Millionen im August um den Faktor 2 erhöhen können.

 

_________________________________________________________________________________________

Tägliche Infos zur Netzökonomie:

Bild zu: Google - die Spinne im Netz Twitter.com/HolgerSchmidt (Web / Media / Social Media) 
 Twitter.com/netzoekonom (Mobile / Telco) 

Bild zu: Google - die Spinne im Netz Holger Schmidt (Page) 
 Netzökonom (Page)
 

Bild zu: Google - die Spinne im Netz Holger Schmidt (Profil)

 HolgerSchmidt (Präsentationen) Bild zu: Google - die Spinne im Netz

 


22 Lesermeinungen

  1. Oliver sagt:

    Auch wenn dieser Artikel jetzt...
    Auch wenn dieser Artikel jetzt schon nicht mehr ganz neu ist, so hat dieser doch kaum an Aktualität eingebüßt. Ohne Google geht auch heute nichts. Es ist schon ein bischen schaden, das jedenfalls im deutschen Markt keine Suchmaschine so richtig aufholen kann!

  2. Die Gewichtung hat sich...
    Die Gewichtung hat sich allerdings verändert. Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Berichtes war es korrekt sich ausschliesslich auf Google zu konzentrieren, allerdings hatte diese Konzentration ein massives Spamming zur Folge, mit dem Google heute zu kämpfen hat. Dieser Umstand führt im Gegenzug zu einem Wachstum bei Bing. SEO-Unternehmen müssen daher auch Bing heute als wesentlichen Faktor mit berücksichtigen und sich nicht ausschliesslich auf Google konzentrieren.

Kommentare sind deaktiviert.