Netzwirtschaft

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Die Digitalisierung erfasst immer mehr Lebensbereiche. Wie sie sich auf Menschen und Märkte auswirkt, beleuchtet das Netzwirtschaft-Blog auf FAZ.NET.

"Die Medien lieben Twitter"

| 9 Lesermeinungen

Medienseiten bekommen ihre Leser im Internet immer häufiger per Link aus dem Web 2.0. Noch dominiert Google, aber Leseempfehlungen in sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter werden immer wichtiger. Die klassische Homepage verliert an Bedeutung.

„Twitter ist ein ‚Big Deal’ für die New York Times”, sagte Martin Nisenholtz, Chef der Digitalsparte der amerikanischen Zeitung, dem Branchendienst Mediaweek. 1,7 Millionen Menschen verfolgen die Nachrichten der Times auf Twitter. 15000 neue Follower, die per Klick auf den Twitter-Link zur Internetseite der Zeitung gelangen oder die Nachrichten ihren eigenen Followern empfehlen, kommen jede Woche hinzu.  So wie die Times entdecken immer mehr Medien die persönlichen Empfehlungen auf Web-2.0-Seiten wie Twitter oder Facebook als wertvolle Verteiler für ihre Inhalte. Zum Beispiel folgen dem amerikanischen Fernsehsender CNN schon 2,8 Millionen Menschen auf Twitter und mehr als 600000 Facebook-Nutzer haben sich als Fans der CNN-Seite eingetragen.  Der Effekt ist sichtbar: CNN ist für die amerikanischen Internetnutzer mit Abstand die wichtigste Medienstation nach dem Twitterbesuch.

Auch für Facebook-Nutzer führt der Weg zu einem Medium in erster Linie zu CNN; die New York Times liegt ebenfalls auf einem der vorderen Plätze, wie eine Analyse des amerikanischen Marktforschungsunternehmens Hitwise zeigt.  “Die Medien lieben Twitter – aus gutem Grund”, sagte Heather Dougherty von Hitwise. Statt darauf zu hoffen, dass die Internetnutzer von allein auf die Internetseite kommen oder bei Google zufällig auf die Überschrift klicken, eröffnet das Web 2.0 den Medien die Möglichkeit, ihre Inhalte dorthin zu bringen, wo sich die Menschen im Netz aufhalten. Zudem sind die persönlichen Empfehlungen im sozialen Internet wertvoller und nachhaltiger als Suchtreffer. Denn Leser, die per Link kommen, sind meist loyaler als die Leser, die von Google kommen. Nach einer Untersuchung des amerikanischen Werbenetzwerkes Chitika kommt jeder fünfte Nutzer, der von Facebook per Link auf eine Medienseite geleitet wurde, wiederholt zurück. Und persönliche Empfehlungen haben den Vorteil, den Medien ganz neue Leser zuzuführen. “Zwar sind etwa 90 Prozent der Besucher Wiederkehrer, aber immerhin rund ein Zehntel gelangt via Twitter zum ersten Mal auf eine Medienseite”, sagte Dougherty. Geschätzte fünf Millionen Links werden jeden Tag auf Twitter verbreitet, von denen die großen Medienseiten wesentlich profitieren.

In Deutschland führt zwar Google als dominanter Verkehrsknotenpunkt den Medienseiten etwa die Hälfte ihrer Nutzer zu, aber der Anteil von Facebook, Twitter und Co. wächst stetig. Nach einer Untersuchung des amerikanischen Marktforschungsunternehmens Comscore für die F.A.Z. wanderten im August etwa 350000 Nutzer von Facebook direkt zu Bild.de. Die Comscore-Zahlen unterscheiden dabei nicht, ob die Nutzer auf einen Link in einem sozialen Netzwerk geklickt haben oder die Internetadresse des Mediums nach dem Besuch des Netzwerks direkt eingegeben haben. 

Bild zu: "Die Medien lieben Twitter"

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Sofern nicht explizit eine Website genannt ist, werden alle Internetseiten eines Medienhauses erfasst.

Zweitgrößter Facebook-Profiteur unter den Medienseiten war Spiegel Online; 112000 Leser führte der Weg direkt dorthin. Spiegel Online ist auch auf Twitter populär; knapp 25000 Menschen in Deutschland folgen inzwischen den Eilmeldungen des Hamburger Magazins.  Im August, als die Follower-Zahl noch geringer war, fanden immerhin 17000 Leser ihren Weg von Twitter unmittelbar zum Spiegel, hat Comscore gemessen. Wie viele andere Medien twittern alle Spiegel-Ressorts die Links zu ihren neuen Artikeln auf der Internetseite automatisch.

Neben Facebook und Twitter haben sich auch andere soziale Netzwerke wie Xing oder StudiVZ geöffnet, so dass dort Links auf andere Inhalte schneller zirkulieren können. Neben den sozialen Netzwerken existieren aber noch eine Vielzahl von Web-2.0-Seiten, die Links im Internet verteilen. Dazu gehören Blogs, Lesezeichenangebote und RSS-Dienste. Aber auch die klassische E-Mail ist als Link-Verteiler nach wie vor populär: Nach einer Untersuchung von Addtoany befinden sich zwar 24 Prozent aller Links in amerikanischen Internet auf Facebook, aber mit 11 Prozent liegt die klassische E-Mail schon an zweiter Stelle. Auf Rang 3 befindet sich Twitter mit ebenfalls etwa 11 Prozent. Nennenswerte Anteile des Link-Aufkommens entfallen auch auf die Internetunternehmen Yahoo, MySpace, Windows Live, Delicious, Digg, Reddit und StumpleUpon.

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Um die Leserzufuhr aus dem Web 2.0 zu erhöhen, können die Medien und ihre Journalisten aber weit mehr tun, als möglichst viele Follower auf Twitter oder Fans auf Facebook zu bekommen, die ihre Links weiterempfehlen. Als ersten Schritt sollten die Medien es ihren Nutzern technisch so leicht wie möglich machen, ihre Inhalte zu twittern, auf Facebook zu publizieren, auf Delicious zu speichern oder per E-Mail an Freunde zu versenden. Eine große Chance für die Medien besteht aber darin, die Diskussionen, die im Echtzeitinternet oft auf Basis ihrer Medieninhalte stattfinden, auf ihre Seite zu holen. Noch finden diese Diskussionen relativ unkoordiniert auf Facebook, Twitter oder in Blogs statt. „Wenn man auf Twitter etwas sucht, funkioniert das noch nicht sehr gut”, sagte Nisenholtz. Die New York Times arbeite daher an eigenen Suchprodukten für Twitter, die Inhalte nach Themen filtern könnten. Gedacht sei an Twitter-Aggregatoren, die Inhalte zu vielen Themen bündeln könnten, sagte Nisenholtz. Die Medien laufen allerdings Gefahr, auch diesen Wettlauf an Google zu verlieren. Das amerikanische Blog AllthingsD hat jüngst berichtet, Google und Microsoft verhandelten mit Twitter, alle Tweets in Echtzeit für ihre Suchmaschinen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Diskussionen über aktuelle Themen könnten dann sehr einfach von den Suchmaschinen gebündelt werden; dann wäre auch dieser Teil des digitalen Geschäfts für die Medien verloren.

 

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Link: Social Media: The next great gateway for content discovery?

 

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9 Lesermeinungen

  1. Bisher scheint hier vor allem...
    Bisher scheint hier vor allem der Springer Verlag die Nase vorn zu haben. Bild.de und Welt.de haben bereits facebook connect integriert und agieren mit den facebook Seiten weitaus geschickter als etwa die Titel von Gruner & Jahr. Ursächlich ist hier vor allem die Vorgehensweise der Verlage: Während bei Springer ein eigenes Team die Social Media Aktivitäten bündelt und vorantreibt, sind bei Stern und Brigitte die Redaktionen dafür zuständig. Deren inhaltliche Kompetenz sollte verlagsseitig durch (Social Media) Marketingkompetenz ergänzt werden.

  2. Hallo,
    diesen Trend haben...

    Hallo,
    diesen Trend haben schon einige Firmen erkannt und haben ihre eigene Präsentation bei Facebook, Twitter und Co, wie zum Beispiel http://www.diegruenen.de, http://www.mercedes.de oder auch http://www.casa-mina.de
    Es ist sehr warscheinlich das sich dieser Social-Media Trend noch weiter verstärken wird.
    Viele Grüße
    Dr. Ingrid Reichert

  3. Hallo,
    um auch ein paar...

    Hallo,
    um auch ein paar Beispiele zu zeigen:
    die Grünen bei Twitter https://twitter.com/Die_GRUENEN
    Casa Mina bei Twitter https://twitter.com/casaminaonline
    Viele Grüße
    Dr. Ingrid Reichert

  4. Tim Rombach sagt:

    Sehr guter Bericht, die...
    Sehr guter Bericht, die Facebook Lead Sharing Tortengrafik zeigt die wichtigsten Social Networks nicht für den englischsprachigen Markt.

  5. w.schmid sagt:

    Danke für die Hinweise auf...
    Danke für die Hinweise auf Casa Mina.
    aber mal ehrlich – sind solche Meldungen die Zukunft des Webs?
    Zitat –
    @kesslermichael brauche ein Taxi in Staudach Bayern. Nicht zu schaffen in der nächsten stunde oder? :-) Chan ist schlimmer als Gotschalk
    1:12 PM Oct 3rd from web in reply to kesslermichael
    – Zitat Ende
    Das ist schlimmer als früher der CB-Funk…

  6. Stefan sagt:

    Hallo, interessante...
    Hallo, interessante Aufstellung, danke! Gibt es eine Erklärung für die starke Stellung der ARD in den VZ-Netzwerken und ob mit ARD nur ard.de gemeint ist oder alle ARD-Anstalten (also inkl. swr.de, ndr.de etc.) zusammen? LG
    Stefan

  7. Frank sagt:

    Hmm.

    Was mir bei solchen...
    Hmm.
    Was mir bei solchen Beiträgen fehlt, ist die eine Einordnung in den Gesamtkontext. Ich habe gerade mal geschaut, wieviel Beuscher Spiegel Online pro Tag hat. 89 Mio. im Monat Juni 2008. Das macht knapp 3 Mio. pro Tag.
    Und jetzt lassen wir uns einmal die 25.000 durch Twitter aufmerksam gemachten Lesen auf der Zunge zergehen: 0,8%…
    Auch wenn meine Zahlen schon alt sind (erster Eintrag bei Google), verdeutlicht es schon mein Anliegen… Glaube ich.

  8. Wolfgang sagt:

    ... ich sehe das ganz klar als...
    … ich sehe das ganz klar als ein neues Werbemedium, twitter gehört zu den gewinnern , andere wie das second life sind dagegen in die bedeutungslosigkeit gefallen.
    beste grüsse und vielen dank für den ausführlichen bericht
    wolfgang

  9. Andre sagt:

    Also ohne das Einbinden der...
    Also ohne das Einbinden der Social Media Plattformen kommt nach meiner Meinnung heute keine Content Anbieter mehr aus. Dabei sollten Kanäle in beide Richtungen bedient werden können – zur Internetpräsenz und zu den SM-Kanälen.

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