Google hat im vergangenen Jahr fast 24 Milliarden Dollar Umsatz erwirtschaftet. Auch ein Erfolg für den ehemaligen Telekom-Manager Nikesh Arora, der vor acht Monaten in die Zentrale nach Kalifornien gewechselt ist. Die nächsten Milliarden sollen jetzt aus dem Geschäft mit grafischer Online-Werbung kommen, sagte Arora im Interview.
Nikesh Arora (Fotos: Andreas Müller)
Der Google-Vorstandsvorsitzende Eric Schmidt sagte im Jahr 2007, das nächste große Ding für Google sei das mobile Internet. Anfang dieses Jahres sagte Schmidt, die grafische Display-Werbung sei nun der wichtigste Wachstumstreiber für Google. Was ist denn das nächste große Ding für Google?
Das mobile Internet, Display-Werbung und mobile Display-Werbung. Im mobilen Geschäft war die Einführung des Betriebssystems Android unser Durchbruch. Aber eher aus technologischer Sicht: Unser Erfolg liegt darin, wenn viele Menschen Android nutzen und viele Geräte auf dieser Basis gebaut werden. Es ist nicht unsere Strategie, selbst das beherrschende Mobiltelefon zu verkaufen. Aus wirtschaftlicher Sicht liegt unser Fokus – neben der Suche – jetzt ganz klar auf Display-Werbung. Mobile Werbung ist für uns aber natürlich auch sehr interessant.
Wie sieht Googles Display-Strategie aus?
Bisher lief es so: Wer Werbung schalten wollte, ist zu einem Vermarkter gegangen und hat dort Werbung auf einer speziellen Seite gekauft. Aber so wollen Werber ihre Werbung nicht kaufen. Sie sagen heute: Ich möchte 18 bis 24 Jahre alte Frauen erreichen, die ein neues Haarshampoo suchen. Wer also viele Seiten aggregiert, kann die Werbung über alle Seiten hinweg an den Interessen der Menschen ausrichten. Nur wenn Menschen an der Werbung interessiert sind und klicken, stimmt der Erfolg.
In welchem Teil des Marktes sieht Google seinen Schwerpunkt?
Es gibt drei Teile: Ein Premiummarkt mit hochwertigen Inhalten. Dort sind wir mit Youtube vertreten. Uns geht es aber nicht nur darum, Werbung auf Youtube zu verkaufen, sondern das Online-Video als Werbemedium zu etablieren. Im mittleren Segment geht es vor allem um Reichweite. Dort sind wir mit dem Google-Content-Netzwerk vertreten. Wer da mitmacht, für den verkaufen wir Werbung an Unternehmen, die viele Menschen mit gleichen Interessen erreichen wollen.
Wie groß ist das Google-Content-Netzwerk?
Wir gehen nicht ins Detail, aber es sind hunderttausende Seiten, die wir für die Vermarktung zusammengeschlossen haben. Wir sind glücklich mit dem Wachstum. Hier arbeiten die Netzwerkeffekte für uns: Je mehr Seiten vermarktet werden, desto mehr Werber kommen zu uns. Wichtig dabei ist: Man braucht Technologie, um die Werbung auszuliefern, also das Betriebssystem der Werbewirtschaft. Doubleclick ist das Betriebssystem der Werbewirtschaft für grafische Werbung. Es erlaubt uns, Publisher, Agenturen und Werbetreibende miteinander zu verbinden.
Und das untere Marktsegment?
Wir verfolgen dort die Strategie eines Werbe-Marktplatzes. Dort können sich auch ganze Werbenetzwerke anschließen, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Wer also werben will, kann zu einem Premiumanbieter gehen. Wer mehr Menschen erreichen will, kann in unserem Content-Netzwerk werben. Und wem das nicht reicht, kann unseren Marktplatz nutzen, der das Yahoo-Netzwerk, das Microsoft-Netzwerk, das AOL-Netzwerk, das Google-Netzwerk und weitere zusammenfasst. Je mehr Anbieter die gleichen Seiten verkaufen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Anzeigenplatz verkauft wird. Wenn mehr Werber um den gleichen Werbeplatz konkurrieren, desto höher ist der Return-on-Investment für den Seitenbetreiber.
Sie haben gerade Doubleclick als Betriebssystem für die grafische Online-Werbung bezeichnet. Welche Funktionen wird Doubleclick erfüllen?
Doubleclick ist unser Schlüssel als Instrument für das mittlere und untere Segment.
Verstehen Sie die Angst vieler Anbieter hochwertiger Werbeflächen, wenn Google jetzt auch grafische Werbung anbietet?
Im Premiummarkt gibt es viele Anbieter, und die werden auch dort bleiben. Dort haben wir keine größeren Anteile als andere.
Viele Kritiker fürchten, dass Google die Daten aus der Suchmaschine mit der grafischen Werbung verbindet.
Nein. Wir verbinden die Suchdaten nicht mit den Display-Daten. Da können Sie ganz beruhigt sein.
Warum haben Sie das Mobiltelefon NexusOne auf den Markt gebracht. Mit Hardware kann Google doch kaum Geld verdienen.
Google will die Qualität der Smartphones heben. Nach unserer Einschätzung haben wir das Niveau des besten Android-Gerätes angehoben. Es zeigt sich: Das mobile Internet wird dadurch getrieben, dass die Nutzer die Anwendungen aus dem stationären Netz genauso gut auf ihren Smartphones einsetzen können. Die zehn beliebtesten Applikationen auf mobilen Geräten werden auch im stationären Netz angewendet. Die Versuche, das mobile Internet zu einer anderen Kategorie zu machen, waren der falsche Ansatz.
Kann sich Google vorstellen, ein sehr günstiges werbefinanziertes Smartphone auf den Markt zu bringen, um die Verbreitung von Android zu beschleunigen?
Im Moment kann ich darauf keine Antwort geben. Aber man soll niemals nie sagen. Wenn der technische Fortschritt so schnell weitergeht, gibt es sicher die Gelegenheit, ein hochwertiges, aber günstiges Gerät für den Massenmarkt zu entwickeln – und das mit mobiler Werbung auszugleichen. Es gibt genug Platz für mobile Werbung.
Ist es Googles Masterplan, Handys mit Werbung zu finanzieren?
Wir haben keinen Masterplan – außer gute Produkte für unsere Nutzer zu entwickeln. Unsere Hoffnung ist, dass immer mehr Menschen Android nutzen und die mobile Internetnutzung steigt.
Wann sehen wir das NexusTwo?
Wir haben angekündigt, noch viel mehr Geräte auf den Markt zu bringen. Mit verschiedenen Herstellern.
Googles Anteil am Suchmaschinenmarkt in Deutschland beträgt laut jüngsten Comscore-Zahlen 92 Prozent. Ist noch genug Wachstumspotential da?
Der gesamte Werbemarkt in Deutschland ist mehr als 20 Milliarden Euro schwer. Unser Anteil daran ist sehr klein. Wenn wir zehn Jahre zurückblicken, verbrachte niemand viel Zeit im Internet. Die Online-Werbung steigt aber mit der Zeit, die Menschen im Netz verbringen. Aber nicht schnell genug. Auch jetzt halten die Werbetreibenden mit der Geschwindigkeit, mit der Nutzer ihr Verhalten ändern, nicht mit. Zudem stecken wir noch in den Anfängen der Online-Werbung. Beispiel Videos: Meist sind Online-Werbevideos Teile der Fernsehwerbung. Sie zeigen etwas. Aber die Möglichkeit der Interaktivität, zum Beispiel sich ein Produkt selbst zu entwerfen, fehlt noch. Die Menschen waren noch nicht wirklich kreativ für richtig gute Online-Werbung. Doch irgendwann werden wir den Tipping-Point sehen. Das Potential für uns ist also noch sehr groß.
Nokia hat seine Handy-Navigation kostenlos für seine Kunden gemacht. Wird sich „free” als Geschäftsmodell durchsetzen? Der Wired-Chefredakteur Chris Anderson hat die These aufgestellt, der Preis eines jeden Produktes geht gegen null, sobald es einmal digitalisiert ist.
Ich sehe das anders. Inhalte werden auch weiterhin auf verschiedene Weisen monetarisiert – mit Werbung, mit Abonnements oder Zahlung nach Nutzung. Die Inhalteindustrie hat sich aber noch nicht an die neue Realität angepasst. Die neue Realität ist, dass Produkte nicht mehr für lokale Märkte gemacht werden können. Der Markt besteht aus mehr als 1,2 Milliarden Internetnutzern in der Welt. Dann ist auch ein Dollar je Nutzer viel Geld. Wer aber nur 100 Nutzer hat, braucht viel mehr Geld von jedem Einzelnen. Erfolgreiche Modelle wie Youtube, Facebook oder Twitter bauen auf diese Skaleneffekte, ziehen die gesamte Internetbevölkerung mit ein. Wenn nun 1500 Medien einen ähnlichen Artikel produzieren, gab es früher regionale, voneinander getrennte Märkte. Im Internet haben die Nutzer Zugriff auf alle 1500 Artikel – und obwohl sicher alle Premiuminhalte sind, ist es schwer, für alle Inhalte genug Werbung zu generieren.
Google hat vor einiger Zeit ein Zahlsystem für Internetinhalte angekündigt. Wie steht es darum?
Wir arbeiten daran, testen Zahlsysteme für Youtube-Videos oder für Bücher. In den vergangenen 18 Monaten hat sich gezeigt, dass mehr und mehr Premiuminhalte ins Internet wandern, vor allem Videos. Wir müssen als Industrie zusammenarbeiten, um verschiedene Monetarisierungsmodelle für diese Inhalte zu entwickeln. Es ist aber sehr schwer vorauszusagen, was die Konsumenten annehmen. Vielleicht eine Kombination aus allen Möglichkeiten.
Nikesh Arora
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