Netzwirtschaft

Eric Schmidt: Googles Devise heißt jetzt „Mobile first“

Bild zu: Eric Schmidt: Googles Devise heißt jetzt „Mobile first“ Google-Chef Eric Schmidt hatte seinem Rivalen Steve Ballmer von Microsoft am Vortag den Vortritt gelassen, mit der Präsentation seines neuen Handy-Betriebssystems den Höhepunkt auf der Mobilfunkmesse in Barcelona zu setzen. Schmidt sorgte dafür für einen Paukenschlag der anderen Art, als er das Ende der Personalcomputer-Ära verkündete und das Zeitalter des mobilen Computers einläutete. „Auf die Mainframes folgte der Personalcomputer und darauf folgen jetzt die Mobiltelefone. Deshalb heißt das Prinzip von Google ab jetzt: Mobile first. Unsere Programmierer machen ihre Arbeit zuerst für Mobile. Unsere Top-Programmierer wollen am liebsten für Mobile arbeiten, weil das Telefon etwas hat, was ein Desktop nicht hat”, sagte Schmidt.

Die Verbreitung dieser sogenannten Smartphones wachse um 30 Prozent im Jahr. „In drei Jahren – wenn nicht früher – werden mehr Smartphones in der Welt verkauft als Personalcomputer. Die Geschwindigkeit, mit der die Menschen das mobile Internet annehmen, ist achtmal schneller als beim stationären Web”, sagte Schmidt. Er definierte auch gleich, worauf es im mobilen Internet ankommt: „Es gibt drei Dimensionen: Rechenleistung (Computing), Konnektivität und Cloud Computing. Wer diese drei Dinge und ihr Zusammenspiel nicht beherrscht, kann in diesem Geschäft nicht gewinnen. Ein Gerät ohne Konnektivität ist nicht interessant. Eine Anwendung, die nicht den Hebel der Cloud nutzt, ruft kein „wow” mehr hervor. Und ein Netzwerk, das nicht schnell ist, wird keinen Bestand haben. All dies läuft nun im Mobiltelefon zusammen. Die Zeit des Mobiltelefons ist gekommen. In diesem Jahr, im nächsten Jahr und wahrscheinlich für viele Jahre”, sagte der Google-Chef.

Was er mit dem Zusammenspiel dieser drei Komponenten meint, ließ er am Beispiel der Spracherkennung demonstrieren, die inzwischen auch in deutscher Sprache funktioniert. „Obwohl die Telefone schon schnelle Prozessoren und einen großen Speicher haben, reicht es nicht für die Spracherkennung. Die Rechenleistung in der Cloud ist viel größer. Wenn dann noch schnelle Datenverbindungen vorhanden sind, kann man die Sprachdatei in die Cloud senden, wo Hunderttausende Computer parallel arbeiten. Was man damit tun kann? Wir haben Spracherkennung und Übersetzung. Google kann von 100 Sprachen in 100 Sprachen übersetzen. Warum kann ich nicht am Telefon mit jemandem reden, der gar nicht meine Sprache spricht. Noch sind wir nicht da, aber es wird kommen. Es kommt, weil es die einzigartigen Möglichkeiten aus Computing, Konnektivität und Cloud gibt”, sagte Schmidt. Ein weiteres Beispiel für die Verknüpfung der drei Dimensionen sei der Dienst  Google Googles. „Das Foto des schönen Gebäudes draußen habe ich an Google Goggles geschickt. Zurück kam die Antwort, es ist das Kunstmuseum, zusammen mit den Informationen, was es darin zu sehen gibt und wann es geöffnet hat”, sagte er. Googles Job heiße nun, Magie zu produzieren. Viele solcher Anwendungen sollen in den nächsten Jahren folgen.

Ein wesentlicher Baustein in der Google-Strategie ist das mobile Betriebssystem Android. „Wir wollten mit Android ein Plattform-Ökosystem bauen, das sehr gut funktioniert. Wir haben jetzt mehr als 65 Partner, 26 verschiedene Geräte, 59 Netzbetreiber in 48 Ländern und in 19 Sprachen. Wir liefern jetzt mehr als 60000 Android-Geräte am Tag aus. Diese Zahl hat sich im vergangenen Quartal verdoppelt. Und das Wachstum beschleunigt sich weiter. Unser Geschäft boomt”, sagte Schmidt. Allerdings werde die Vielfalt auf dem Markt erhalten bleiben. „Ich sehe nicht, dass die Plattform-Märkte unbedingt nach dem Motto „Der Gewinner bekommt alles” entschieden werden. Aber es wird sicher eine Bereinigung unter den Handy-Betriebssystemen geben”.

Allerdings hat sich Google mit seinem Erfolg im mobilen Internet nicht nur Freunde gemacht. Einige Netzbetreiber klagen, Google verdiene mit den Diensten gutes Geld, aber die Netzbetreiber schauten mit ihrer Infrastruktur sprichwörtlich in die Röhre. „Der Markt ist sehr groß und bietet Platz für viele Unternehmen. Meine Botschaft an die Netzbetreiber: Die Explosion des Datenverkehrs zeigt doch, dass es Nachfrage dafür gibt. Bei allen Problemen, den Netzausbau zu finanzieren, kann ich Ihnen versichern, dass sie Ihr Geld wiederbekommen – auf vielen Wegen. Wir teilen unsere Umsätze ja auch mit den Entwicklern der Applikationen. Es ist wichtig, dass auch Software- und Inhalteanbieter ihr Geld verdienen”, sagte Schmidt. Google hänge von einem erfolgreichen Geschäft der Netzbetreiber ab und wolle keine „dummen Leitungen”. „Im Gegenteil: Google braucht intelligente Netze, die zum Beispiel Sicherheit garantieren können und mit dynamischer Belastung klar kommen. Google wird aber nicht in großem Stil in Telekom-Infrastruktur investieren. Das ist nicht unser Geschäft”, beruhigte er die Netzbetreiber, die seit Googles Test eines Hochgeschwindigkeitsnetzes in Amerika befürchten, der Suchmaschinenriese könne nun auch noch in das Geschäft mit Datennetzen einsteigen.
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Seinen Widerstand kündigte Schmidt gegen Forderungen an, Unternehmen wie Google sollten für die Nutzung der Netze zahlen, wie es zuletzt der Vorstandsvorsitzende des spanischen Telekommunikationskonzerns Telefónica, Cesar Alierta, in die Diskussion eingebracht hatte. „Die Umsätze der Netzbetreiber mit Datenübertragung steigen schnell an, auch weil Google Dienste kostenlos anbietet, die die Kunden haben wollen. Warum sollen wir dafür zahlen?”, sagte Schmidt in Barcelona. Ebenfalls kritisch zeigte er sich gegenüber eine Forderung der Netzbetreiber, von der sogenannten Netzneutralität abzugehen. „Wenn man sich Videos anschaut, dann wollen wir gerne sicherstellen, dass die Netzbetreiber nicht einem Video beim Transport den Vorzug gegenüber einem anderen Video geben. Damit könnten die Netzbetreiber den Markt verzerren und den Gewinner festlegen. Das ist nicht so ein großes Problem in Europa, da der europäische Regulator das nie erlauben würde. In den Vereinigten Staaten ist das anders. Gemeinsam mit Verizon haben wir die Regulierungsbehörde FCC gebeten, die Netzneutralität zu unterstützen”, sagte Schmidt.

Ärger mit den Wettbewerbsbehörden, die von einigen Verlegern wegen der großen Marktmacht von Google angerufen wurden, sieht Schmidt nicht auf sich zukommen. „Die Tatsache, dass wir groß sind, sollte kein Problem darstellen. Ein Problem bekommt ein Unternehmen nur dann, wenn es sich Vorteile auf Kosten der Konsumenten verschafft. So lange wir den Nutzen der Verbraucher im Sinn haben, geht es uns gut”, sagte Schmidt. Er versprach abermals, den Verlagen zu helfen. „Generell gibt es Menschen, die dabei straucheln, den Wandel von offline zu online zu schaffen. Aber ich glaube nicht, dass Menschen die Entwicklung des Netzes aufhalten können. Wir müssen also Wege für die Verleger finden, im Internet Geld zu verdienen”, sagte Schmidt.

Die scharfe Kritik an Googles neuem Dienst Buzz sieht er eher als Kommunikationsproblem. „Es gab viel Konfusion im Google Buzz. Einige Leute dachten, wir würden ihre E-Mail-Adresse oder andere private Informationen publizieren. Das stimmt nicht. Es war unsere Schuld, dass wir das nicht gut kommuniziert haben”, sagte Schmidt. Seit vergangener Woche habe Google eine Serie fundamentaler Änderungen an Buzz vorgenommen. Anstatt jemanden automatisch zu folgen, gebe es jetzt eine Liste, wem man folgen möchte. „Unsere Vision: Wir wollen ein neues Problem lösen. Jeder hat so viele E-Mail-Kontakte, Freunde in Netzwerken. Aber niemand hat das je in ein soziales Netzwerk integriert. Die meisten Menschen teilen Informationen oder Fotos per bevorzugt E-Mail. Buzz macht dies leicht. Aber das Spannendste ist unserer Meinung nach sowieso die mobile Anwendung, die den Ort mit einbezieht, an dem sich ein Mensch befindet. Zum Beispiel kann man mit Buzz die Empfehlung für ein Restaurant an seine Freunde senden. Es gibt ein großes, unbetretenes Feld, das die Faktoren Ort, mobil und sozial kombiniert. Buzz ist erst der Anfang”, sagte Schmidt. 

Das Video seiner Rede:

Foto: Holger Schmidt

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