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Herr Silverman, bisher galten die Betreiber der Handy-Netze als ihre Feinde. Nun haben Sie eine Kooperation mit Verizon geschlossen, einem der größten Netzbetreiber in Amerika. Was bedeutet das?
Verizon und Skype entwickeln eine gemeinsame Software, die Skype-Software immer online auf den meisten Verizon-Handys laufen lässt. Das bringt Skype in die Taschen von 91 Millionen Verizon-Kunden in Amerika – und das im besten Netz in Amerika.
Viele Netzbetreiber lassen Skype aus Angst vor einer Kannibalisierung ihres Kerngeschäftes nicht zu oder verlangen hohe Aufschläge. Ist das Abkommen mit Verizon Ihr Durchbruch?
Ja, das Abkommen ist ein Meilenstein für Skype. Es fußt auf der Erkenntnis, dass die Mobilfunk-Kunden Skype auf ihren Geräten haben wollen. Skype ist eine der populärsten Anwendungen auf den Handys. Wenn ein Kunde einen Datentarif für sein Handy kauft, will er nicht UMTS haben, sondern er will Skype oder Facebook oder Youtube auf seinem Gerät nutzen. Die Kunden wollen sich nicht vom Netzbetreiber vorschreiben lassen, welche Anwendungen sie auf ihren Geräten nutzen oder nicht.
Einige Netzbetreiber sehen das anders. Sie sehen nur, dass Skype ihnen die Gesprächsminuten „stiehlt”. Was war der Grund für Verizon, mit Skpye zu kooperieren?
Verizon bekommt glücklichere, treuere Kunden und letztlich auch einen höheren Umsatz je Kunde. Zum Beispiel ist Skype auf 15 Prozent aller iPhones auf der Welt installiert. Die Menschen wollen Skype nutzen und sind bereit, dafür auch einen Datentarif zu buchen. Skype zu verbieten ist dagegen ein Grund, den Netzbetreiber zu wechseln. Wer aber sieht, wie teuer es ist, einen Kunden von der Konkurrenz abzuwerben oder zurückzuholen, für den sind zufriedene Kunden sehr wichtig.
In Deutschland ist Skype nur bei O2 willkommen, bei T-Mobile, Vodafone und E-Plus dagegen nicht. Sprechen Sie mit diesen drei Unternehmen?
Genaues kann ich zu laufenden Gesprächen nicht sagen. Aber die Einstellungen der Netzbetreiber ändern sich, und wir sehen auch steigendes Interesse der Regulatoren. Sie stören sich daran, dass die Netzbetreiber vorschreiben wollen, wofür die Kunden ihr gekauftes Datenvolumen verwenden sollen.
Machen die Regulatoren ernsthaft Druck?
Schauen Sie sich Deutschland an: Die Netzbetreiber können sich nicht auf vieles einigen, aber sie sind einig darin, Skype zu blocken. Das sehen die Regulatoren sehr genau. Denn dieses Verhalten behindert das mobile Internet. Skype ist ein wichtiger Grund, ein Smartphone und einen Datentarif zu kaufen. Das ist offenbar nicht in jedermanns Interesse. Der Druck der Regulatoren wird daher steigen – da bin ich sicher.
Die Betreiber der Mobilfunknetze versuchen aber gerade, die Netzneutralität auszuhebeln.
Wir sehen es als fundamentales Prinzip im Internet, dass Zugangsdienste nicht darüber entscheiden dürfen, welche Anwendungen erlaubt sind und welche nicht. Sie sind keine Türwächter. Man kauft ja auch nicht einen PC im Media-Markt, und der Zugangsdienst sagt Ihnen, hier sind die vier Programme, die Sie sich herunterladen und installieren dürfen. Der Nutzer hat die freie Wahl, und die möchte er auch im mobilen Internet haben.
Auch Apple hat Skype lange Zeit nur für die Nutzung in lokalen Funknetzen erlaubt, nicht in den Mobilfunknetzen. Skype scheint nicht besonders beliebt in der Mobilfunkwelt zu sein.
Oh, Apple hat gerade seine Nutzungsbestimmungen geändert und erlaubt Skype jetzt auch in UMTS-Netzen. Wir arbeiten gerade an einer neuen Softwareversion für das iPhone, damit Skype auch in den Mobilfunknetzen gut funktioniert. Die neue Version wird bald verfügbar sein. Jetzt kommt es nur noch darauf an, dass die Netzbetreiber uns nicht mehr blocken. Andere Anbieter haben damit kein Problem: Wir haben gerade eine neue Softwareversion für das Betriebssystem Symbian vorgestellt und Nokia hat Skype schon auf seinem Flaggschiff N900 vorinstalliert.
Wie groß ist Skype eigentlich, dass die Netzbetreiber so vor Ihnen zittern?
Im dritten Quartal 2009 haben wir 158 Millionen Dollar Umsatz erzielt. Skype hat mehr als 500 Millionen registrierte Nutzer. Jeden Tag kommen 300000 hinzu. 12 Prozent aller internationalen Telefonate laufen inzwischen über Skype. Vor einem Jahr waren es erst 8 Prozent. Der Zuwachs sind zu einem großen Teil Telefonate, die es sonst nicht gegeben hätte. Die Gesprächsminuten steigen schneller als der Preis für Auslandstelefonate sinkt. Es gibt also einen großen Wunsch nach internationalen Telefonaten.
Wo sehen Sie Skypes größtes Wachstumspotential?
Skype auf Mobiltelefonen wird unser Wachstum antreiben, wenn die Menschen nicht mehr an ihren PC müssen, um ein Gespräch per Skype zu führen. Wir sehen auch viele Unternehmen, die zu Skype wechseln, weil es ihre Produktivität erhöht.
Viele große Netzwerke wie Google, Facebook und Twitter experimentieren mit Telefonieangeboten für ihre Nutzer. Ist das eine Gefahr für Skype? Warum dringtSkype nicht stärker in das Feld der sozialen Netzwerke ein?
Einige Entwickler haben Applikationen auf Facebook entwickelt, mit denen telefoniert werden kann. Facebook selber hat das nicht getan. Die tatsächliche Nutzung dieser Applikationen ist sehr begrenzt. Warum? Ich will nicht mit Hunderten Menschen telefonieren. Auf Skype sehe ich die Menschen, die mir am Herzen liegen, mit denen ich auch telefonieren möchte.
Und Google? Denen macht das Betreten neuer Märkte doch großen Spaß.
Als Skype von Ebay übernommen wurde, hat Google gerade sein Telefonprodukt Google Talk live geschaltet. Alle sagten damals, das sei das Ende von Skype. Doch Skype ist seitdem exponentiell gewachsen; Google Talk nicht. Wir sind auf Kommunikation spezialisiert. Auf Skype kann man 500 Millionen Menschen kostenlos und sehr einfach anrufen. Das geht nirgendwo sonst.
Skype wurde gerade wieder von Ebay getrennt. Diese Kombination hat niemand verstanden und sie hat niemals funktioniert. Ist die Trennung von Ebay gut für Skype?
Ja, gut für uns und gut für Ebay. Aber Ebay ist weiterhin mit 30 Prozent an Skype beteiligt.
Skype arbeitet auch mit Fernsehgeräteherstellern zusammen. Was steckt dahinter?
Unsere Strategie heißt: Jeder Computer mit Internetanschluss wird für die Kommunikation genutzt. Dazu gehören Personalcomputer, Handys, iPads oder Netbooks genauso wie der Fernseher. Zusammen mit Skype-Software kann der Fernseher zum Videokonferenz-Zentrum im Haushalt werden. Wir wollen unsere Software in alle Produkte einbinden. Die Fernsehgerätehersteller, die unter einem starken Preisdruck stehen, müssen ihren Kunden Mehrwerte bieten. Weitere 500 Programme sind kein Verkaufsargument. Aber eine Kamera und ein Mikrofon einzubauen ist nicht teuer. Dadurch bekommt der Fernseher aber mehr Wert für die Käufer. Die Möglichkeit, hochauflösende Videotelefonie mit meinen Kindern oder Enkeln zu führen, ist unserer Meinung nach ein sehr starkes Verkaufsargument. Das ist viel persönlicher als ein Telefonat. Und wir haben noch von keinem Netzbetreiber gehört, dass er Skype blocken will.
Link: Eric Schmidt / Google zur Netzneutralität (Im Text unten)
Foto: Holger Schmidt
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