Netzwirtschaft

„Paypal wird größer als Ebay". Interview mit dem Ebay-Chef John Donahoe

Bild zu: „Paypal wird größer als Ebay". Interview mit dem Ebay-Chef John DonahoeUm Ebay ist es nur scheinbar still geworden. Hinter den Kulissen baut der Vorstandschef John Donahoe den weltgrößten Online-Marktplatz radikal um. Das Unternehmen soll zu einer Plattform für Online-Händler werden, setzt Milliarden mit iPhone-Anwendungen um und will mit seinem Zahlungssystem Paypal groß ins Geschäft mit digitalen Inhalten einsteigen, sagte Donahoe im FAZ-Interview.

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Herr Donahoe, hat Ebay seine große Zeit hinter sich?

Donahoe: Ebay war in den späten neunziger Jahren und Anfang des Jahrzehnts sehr erfolgreich. Aber wir haben aufgehört, Innovationen zu entwickeln. Die Welt um uns herum hat jedoch nicht aufgehört, Innovationen anzubieten. Und so haben Käufer und Verkäufer mehr Möglichkeiten bekommen. Wir haben zu wenig darauf reagiert. Als ich Vorstandsvorsitzender wurde, war mir klar, dass wir unser Geschäftsmodell aggressiv ändern mussten, was vier Jahre dauern wird. Die Hälfte der Strecke haben wir aber schon geschafft. Die ersten Resultate zeigten unsere Geschäftszahlen im vierten Quartal, die gut waren. Im vergangenen Jahr ist Ebay langsamer als der E-Commerce-Markt gewachsen;  in diesem Jahr werden wir so schnell wie der Markt wachsen.

Die Besucherzahlen auf Ebay sind zwar hoch, wachsen aber nicht mehr. Wie will Ebay wieder wachsen?

Donahoe: Unser Fokus liegt auf dem „Sekundärmarkt”. Nehmen Sie einen Blackberry als Beispiel. Den allerneuesten Blackberry werden Sie auf Ebay finden. Aber das Angebot finden Sie auch auf Amazon oder vielen anderen Händlerseiten im Internet. Die Preisspanne ist sehr eng – vielleicht 5 bis 10 Euro Unterschied. Viele Händler haben ihren Schwerpunkt darauf gelegt, nur das jeweils neueste Produkt anzubieten. Aber das ist nicht unser Fokus. Was Sie nur auf Ebay finden ist der neue Blackberry, der unbenutzt zurückgegeben wurde und vielleicht 20 Prozent weniger kostet. Oder das Vorgängermodell, ebenfalls neu, aber 30 oder 40 Prozent billiger als das allerneueste Modell. Andere Händler wollen es nicht mehr in ihrem Laden haben, aber auf Ebay ist das Produkt zu finden. Der Sekundärmarkt umfasst also alles, was nicht das allerneueste Produkt ist. Wir sind der Marktplatz, auf dem die Unternehmen ihre überschüssige Produktion verkaufen können. Dieser Sekundärmarkt ist ein 500-Milliarden-Dollar-Markt.

Ebay ist mit Auktionen groß geworden. Die wichtig sind sie noch in Ebays Strategie?

Donahoe: Auktionen waren nie eine Strategie;  Auktionen sind auch kein Geschäftsmodell. Auktionen sind nur ein Format, das für einige Produktgruppen Sinn macht, für viele andere Artikel dagegen nicht, da sich keine Preisvergleiche anstellen lassen. Wir hatten 70 Prozent Auktionen und 30 Prozent Fixpreise; ich denke, wir werden zu einer Aufteilung 70 Prozent Fixpreis und 30 Prozent Auktion kommen. Im vergangenen Jahr hatte unser Auktionsgeschäft einen Anteil von 44 Prozent. Wir stecken also in der Mitte unserer Transformation.

Ihr Neustart fällt in eine Zeit, in der in Deutschland viele klassische Händler wie die Metro mit Media-Markt und Saturn oder Tengelmann das Internet gerade zu entdecken scheinen. Wird nun die Zeit für Ebay in Deutschland härter?

Donahoe: Nein. Diese Unternehmen tragen zum Wachstum des Marktes bei. Das ist Wettbewerb, der viele Gewinner hervorbringt, nicht nur einen. Der Online-Markt wird aus vielen Teilsegmenten und Nischen bestehen. Ebay wird zu den Gewinnern gehören, aber auch Amazon oder Kleinanzeigenanbieter.

Das klingt zu einfach. In vielen Nischen haben sich spezialisierte Anbieter etabliert wie Delticom im Reifenmarkt oder Brands4Friends im Live-Shopping. Ziehen diese Anbieter in der Summe nicht doch Käufer von Ebay ab, weil sie in ihrer Nische besser sind?

Donahoe: Das Problem dieser Anbieter: Sie brauchen den Traffic auf ihrer Seite. Wir haben ihn. Und in Zukunft werden wir auf Ebay auch solche Nischen schaffen. Das ist ein Technologie-Thema. Wir bauen Ebay zu einer Plattform aus, auf der Markenhersteller und große Händler künftig individuelle Shops einrichten können.  Die Unternehmen können ihre Produkte dann direkt über Ebay verkaufen. Für die Nischenanbieter wird es dann noch schwieriger, den Traffic auf ihre Seite zu lenken, den Ebay schon hat.

Welche Pläne hat Ebay in Deutschland noch?

Donahoe: Ein weiterer Punkt ist das Kleinanzeigengeschäft. Dieses Geschäft hebt in Deutschland gerade ab. Die Zahl der angeboten Produkte steigt sehr schnell. Deutschland hat in unserem  Kleinanzeigen-Geschäft die oberste Priorität. Generell haben wir in Deutschland in den vergangenen Jahren wenig Profil nach außen gezeigt. Wir mussten erst unsere Arbeit tun.

Denken Sie an das Jahr 2015. Wird Ebay dann in PayPal umbenannt sein?

Donahoe: PayPal wird 2015 größer als Ebay sein, kein Zweifel. Paypals Fokus ist der gesamte E-Commerce; Ebay nur ein E-Commerce-Anbieter.

Einige Händler nutzen Paypal nicht, weil es eine Ebay-Gesellschaft ist. Denken Sie darüber nach, Paypal von Ebay abzutrennen, zum Beispiel in Form eines Börsengangs, um Paypal als unabhängige Gesellschaft zu mehr Wachstum zu verhelfen?

Donahoe: Wir haben nur einen Händler auf der Welt getroffen, der Paypal nicht akzeptiert, weil es eine Ebay-Gesellschaft ist. Das ist Amazon. Insofern akzeptiere ich die Annahme nicht, Händler nutzten Paypal nicht, weil es zu Ebay gehört. Paypals Geschäft ist im vierten Quartal um mehr als 50 Prozent gewachsen.

Also keine Trennung?

Donahoe: Ich bin ein Anhänger der Idee, sich zu konzentrieren. Denken Sie an Skype. Ein fabelhaftes Unternehmen. Aber es gab keine Synergien mit Ebay und Paypal. Also haben wir jetzt nur noch einen Anteil von 30 Prozent an Skype. Und ich bin froh, dass Skype nicht an die Börse gegangen ist. Denn Skype braucht noch einige Jahre als privates Unternehmen, um zu reifen und zu wachsen. Paypal und Ebay haben aber viele Synergien. Paypal bekommt viele neue Nutzer von Ebay und Paypal profitiert von der finanziellen Stärke von Ebay. Zum Beispiel hat Ebay 2008 für 945 Millionen Dollar Bill Me Later übernommen. Das hätte Paypal alleine nicht stemmen können.

Aber braucht Paypal Ebay auch in fünf Jahren noch?

Donahoe: Das weiß ich nicht. In der Frage bin ich sehr offen.

Viele Verleger suchen händeringend nach Mikro-Payment-Systemen, um ihre Inhalte im Internet zu verkaufen. Warum mischt Paypal in dem Geschäft nicht mehr mit?

Donahoe: Oh, das tun wir. Digitale Inhalte sind eine große Chance für Paypal. Der Grund, warum Mikro-Payments bisher nicht funktionieren, liegt darin, dass die Kreditkartenanbieter es nicht ermöglicht haben. Es ist zu teuer. Paypal hat begonnen, mit Online-Spieleanbietern ein solches Zahlungssystem aufzubauen. Wir arbeiten auch mit Verlegern am Aufbau eines Online-Zahlungssystems. Wir werden in den kommenden drei, sechs oder zwölf Monaten viele Innovationen auf diesem Feld sehen. Später im Jahr wird unser Produkt auf den Markt kommen.

Ist das nicht zu spät? Im Moment versuchen andere Unternehmen wie die Deutsche Telekom mit der Akquisition von Clickandbuy den Markt zu besetzen. Von Paypal ist nichts zu sehen.

Donahoe: Sie werden Paypal sehen. Wir reden nicht, wir handeln. Auch hier geht es vor allem um Innovationen. Ein Beispiel ist die iPhone-Applikation „Deals”. Sie zeigt die Auktionen, die in Kürze auslaufen. Sehr einfach nach Kategorien sortiert – und sehr erfolgreich. Sieben Millionen Menschen haben diese Applikation schon auf ihr iPhone geladen. Das ist Innovation, da es sehr einfach funktioniert.    Ebay ist groß und kompliziert zu nutzen. Diese Applikation ist einfach und daher beliebt. Das ist Innovation. Oder Paypal Bump. Mit dieser Applikationen lässt sich Geld sehr schnell transferieren. Wir bringen sehr viele dieser Applikationen auf den Markt, machen aber nicht viel Aufhebens darum. Einige setzen sich durch, andere nicht. Aber zurück zur Frage: Ja, digitale Güter sind eine riesige Chance. Wenn wir etwas haben, was funktioniert, werden wir darüber reden.

Wir erleben zurzeit viele Innovationen im E-Commerce. Live-Shopping oder die Croupon-Welle sind Beispiele. Welche Innovationen haben das größte Potential, werden sich durchsetzen?

Donahoe: Zuerst möchte ich einen Schritt zurück gehen. Der E-Commerce steckt noch in seinen Anfängen, macht nur 5 Prozent des gesamten Handels in der Welt aus. Wir glauben, dass der Online-Handel in den kommenden fünf bis sieben Jahren 15 bis 20 Prozent des stationären Handels ausmachen wird. Die Grenzen zwischen Online und Offline werden verschwinden. Die mobilen Anwendungen bringen das Internet in die Läden, wenn ein Nutzer ein Produkt einscannt und sofort den günstigen Online-Preis auf seinem Handy angezeigt bekommt.

Stichwort Handy. Wird das Einscannen eines Produktes und der direkte Preisvergleich im Laden zum Standard?

Donahoe: Für einige Produkte sicher. Es passiert doch schon heute. Sicher nicht beim Kauf einer Milchflasche, aber wenn ich eine 400-Dollar-Kamera kaufen will? Dann muss der Käufer sich entscheiden, ob ihm die Beratung die 30 Dollar wert ist, die das Produkt vielleicht teurer ist als im Internet. Aber mobile Anwendungen haben definitiv großes Potential. Wir haben unsere iPhone-Applikation im Dezember 2008 freigeschaltet. Im ersten Jahr betrug das Handelsvolumen mit der iPhone-Anwendung 600 Millionen Dollar. In diesem Jahr wird sich der Wert mehr als verdoppeln.

Wie wichtig sind Innovationen für Ebay?

Donahoe: Vor 24 Monaten war unsere Seite sehr stark auf Auktionen ausgerichtet. Vor 18 Monaten musste jedes Produkt einzeln in die Datenbank geladen werden. Das kann nicht funktionieren. Wir brauchten Inovationen, um wieder konkurrenzfähig zu werden. Ich sehe Innovation als meine Hauptaufgabe. Ich habe 50 der Top 100 Entwickler neu eingestellt. Aber wird sind noch lange nicht am Ziel. In den nächsten ein bis zwei Jahren werden noch signifikante Änderungen folgen. Wir haben jetzt die Menschen, die Kultur und den Geist im Unternehmen, um die nötigen Innovationen zu stemmen. Vor fünf Jahren dachten unsere Mitarbeiter, auf einer Skala von 1 bis 10 hätte Ebay eine 12. Falsch. Auf dieser Skala haben wir es jetzt von einer 2 zu einer 4 geschafft. Wir sind jetzt doppelt so gut wie vor einem Jahr. Bis Ende 2010 möchte ich gerne die 8 erreichen. Bis dahin hat sich vielleicht die 10 schon wieder bewegt, weil Wettbewerb und Innovation neue Standards gesetzt haben. Ich bin stolz auf das Erreichte, aber weit davon entfernt, zufrieden zu sein.

Interview: Holger Schmidt / Fotos: Horst Wagner

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